Gute Stimmung unter den Pogon-Fans bereits vor der Partie gegen Cracovia Krakow. Auf den Parkplätzen rings um das Florian Krygier Stadion und beim Warmtrinken im Kalinka ertönten die ersten Fangesänge. Es ist bereits ein Weilchen her, dass Pogon die Jungs von Cracovia empfangen durfte. Genauer gesagt: Am 28. Spieltag der Saison 2006/07 kam es in Stettin zum letzten Mal zum Aufeinandertreffen. Cracovia konnte damals mit 2:0 gewinnen, das Hinspiel in der laufenden Saison konnte indes Pogon für sich entscheiden. Die Polizei kann froh sein, dass Stettin und Krakau über 650 Straßenkilometer trennen, denn Pogon und Cracovia verbindet eine intensive Feindschaft.
Pogon Szczecin vs. KS Cracovia: Stimmungsvolle Party trotz torlosem Remis
Zum einen ist Cracovia mit Lech Poznan und Arka Gdynia befreundet, zum anderen ist der gewaltsame Tod eines 20-jährigen Pogon-Fans nicht vergessen, der am Rande des Länderspiels Polen gegen England (in Chorzow) am 29. Mai 1993 von einem Cracovia-Anhänger erstochen wurde. So hing beim gestrigen Spiel in der Heimkurve eine große Fahne am Zaun. Weiß auf Schwarz stand: „Andrzej zawsze będziemy szli razem!“ (Andrzej, wir werden immer zusammen gehen). Und dass während der Partie unzählige Male das Wort „Kurwa“ (Hure) ertönte, dürfte nicht weiter überraschen. Zu hören bekamen die Schmährufe allerdings nicht allzu viele Gästefans. Nur ein kleines Häufchen Cracovia-Fans nahm die lange individuelle (und auch nicht ganz ungefährliche) Anreise auf sich und fand sich im Gästekäfig des u-förmigen Florian Krygier Stadions ein. Unterstützt wurden diese durch eine Gruppe Lech-Fans. Ein Support fand jedoch weitgehend nicht statt. Dies hatte jedoch vor allem die Ursache in der sportlich schlechten Leistung der Mannschaft während der vergangenen Wochen.
Recht ordentlich läuft es indes beim Morski Klub Sportowy Pogon. Zuletzt gab es einen 3:2-Sieg bei Lechia Gdansk, einen grandiosen 5:1-Erfolg gegen Lech Poznan und ein 0:0 bei Podbeskidzie Bielsko-Biala. Auch dort hätte es ein Sieg sein müssen, doch der Ball wollte bei den Beton rührenden Hausherren einfach nicht ins Netz gehen. Das Stettiner Publikum honoriert die gut verlaufende Saison und so kamen knapp 11.000 Zuschauer gegen Cracovia ins weite Rund. Bei herrlichem Frühlings- oder besser gesagt Sommerwetter stimmten sich die Fans kurz vor Anpfiff ein. Auf der Gegengerade wurde eine 1948-Blockfahne hochgezogen und in der Kurve überzeugten die Fans mit Gesang und Schlachtrufen. Im Gästebereich gab es dagegen Arbeitsverweigerung. Da die Cracovia-Fans keinen Gesang anstimmten, blieben auch die befreundeten Lech-Fans ruhig.
Bereits in der siebten Minute hatte Pogon die erste fette Möglichkeit, sechs Minuten später sogleich eine weitere gute Chance, der Ball wurde links am Gehäuse vorbeigezirkelt. Als nach knapp einer halben Stunde wieder eine riesige Möglichkeit zum 1:0 vergeben wurde, standen auch die Fans auf der Gegenseite auf. Ein knackiger Wechselgesang wurde angestimmt, daraufhin ertönte auch im Gästekäfig ein zaghafter Schlachtruf. Pogon bestimmte das Spiel, Cracovia reagierte nur und kam nur selten in den gegnerischen Strafraum. In der 33. Minute dann ein Freistoß für die Gäste aus Krakau, doch dieser wurde weit über das Tor gesetzt. Sechs Minuten später versuchte Cracovia-Spieler Vladimir Boljevic sein Glück, doch der Versuch endete in einem Schüsschen. Mit einem 0:0 ging es schließlich in die Kabine.
Es waren gerade einmal zwei Minuten gespielt, als die Gäste zur ersten richtig guten Chance kamen. Pogon-Keeper Radoslaw Janukiewicz zeigte eine Parade und klärte den Ball zur Ecke. In der Folgezeit nahmen die Hausherren wieder das Heft in die Hand. Und wie! In der 51. Minute brachte der prima spielende Takafumi Akahoshi – kurz Aka – einen Freistoß von links rein, der Schuss aufs Tor ging über die Latte. Sekunden später der nächste Freistoß für Pogon, dieses Mal von der rechten Seite. Und wieder große Gefahr, Cracovia-Torwart Krzysztof Pilarz zeigte eine Glanzparade. Es ging nun Schlag auf Schlag. Ecke von Pogon – und wieder eine Parade von Pilarz. Und weil es so schön war: In der 54. Minute noch eine gut getretene Ecke, ein Kopfball aufs Gehäuse, wieder Gefahr, doch der Ball landete nicht im Netz.
In der 65. Minute durfte sich manch ein Fotograf im Innenraum umdrehen, denn hinter einem zeigte die Pogon-Kurve eine klasse Show. Zuvor verteilte Fahnen wurden geschwenkt, zahlreiche Kassenrollen flogen in den Innenraum. Auf den Einsatz von Pyrotechnik wurde dieses Mal verzichtet, nur ein paar Böller detonierten zwischen den weißen Papierschlangen. Auf dem Platz blieb Pogon am Drücker und wollte für einen orgiastischen Jubel der Fans sorgen. Also los! Aka spielte zu Patryk Malecki, doch dieser schoss den Ball knapp über die Latte. Zehn Minuten vor Schluss kam Cracovia noch einmal gefährlich vor das Tor, doch Janukiewicz war auf der Hut. Nur eine Minute später die größte Möglichkeit des Spiels. Allein vor dem Tor schoss der zuvor eingewechselte Jakub Bak rechts am Pfosten vorbei. Es war zum Haareraufen – das hätte der Siegtreffer sein müssen.
Ein Treffer wollte an diesem sonnigen Nachmittag einfach nicht gelingen. Die Partie endete 0:0 und die Heimfans feierten ihre Spieler, die zum Abklatschen eine komplette Runde im Stadion drehten. Die Cracovia-Elf lief ebenfalls zu ihren Anhängern, doch dort rührte sich kein Fan. Etwas ratlos verharrten die Spieler kurz und trotteten dann in Richtung Kabine. Zwar fehlte aus Pogon-Sicht das Tor des Tages, doch gefeiert wurde trotzdem. Im besagten Kalinka oder auch im Joker, wo manch ein alter Haudegen sein Stelldichein gibt. Zum Ausklang des stimmungsvollen Tages noch ein Bier am Ufer der Oder mit Blick auf das große Pogon-Graffiti und eine ins Wasser geworfene Münze. Stettin, bis zum nächsten Mal – wir sehen uns bald wieder!
PS: Vielen Dank an dieser Stelle an die nette deutsch-polnische Reisegesellschaft und für die klasse Gastfreundschaft vor Ort! Dziękuje bardzo!
Fotos: Marco Bertram