Licht und Schatten beim diesjährigen Finale des Thüringen-Pokals, das auf dem Ernst-Abbe-Sportfeld ausgetragen wurde. Und das im doppelten Sinne. Zum einen wechselten sich Regenschauer und wärmender Sonnenschein am Mittwochabend mehrmals ab, zum anderen glänzte das eine Team auf dem Rasen, während das andere eine unterirdische Partie ablieferte. Freudentänze und Frustabbau bereits nach 22 Minuten, als der Regionalligist FC Carl Zeiss Jena gegen den Drittligisten FC Rot-Weiß Erfurt mit 2:0 geführt hatte. Während es einige Kilometer weiter in Halle beim Pokalendspiel 1. FC Magdeburg vs. Hallescher FC noch bis in die Verlängerung spannend blieb, waren in Jena bereits nach nicht einmal einer halben Stunde fast alle Messen gelesen. Die ersten rot-weißen Fahnen wurden abgehängt, die Stimmung im Gästeblock wurde aggressiv.
Carl Zeiss Jena vs. Rot-Weiß Erfurt: 5:0 sorgt für Jubelorgien und mächtig Frust
HotZu einer ersten Entladung kam es allerdings bereits vor dem Spiel, als Ordner und Polizei noch nicht in ausreichender Zahl vor den Blöcken postiert waren. Während die meisten noch eine Bratwurst futterten, enterten die ersten Anhänger der Erzrivalen den Innenraum und lieferten sich ein erstes Gefecht. Immer wieder erfolgte die Durchsage, dass die Fans bitte zurück in die Blöcke sollen, damit das Spiel überhaupt angepfiffen werden könne. Nach einigen Minuten kletterten diese über die Zäune zurück in ihre Bereiche, einige Platzstürmer wurden von den Einsatzkräften abgeführt.
Pünktlich um 17:30 Uhr konnte schließlich das Thüringer Pokalfinale begonnen werden, kurz zuvor hatte Petrus mächtig die Himmelsschleusen geöffnet, so dass manch ein Fotograf und Kameramann sorgenvolle Blicke in Richtung dunkle Wolken gerichtet hatte. Bei typischem Frühlingswetter, das man eigentlich vom April kennt, konnte es losgehen. Erst zum zweiten Mal seit 1991 (zuletzt im vergangenen Jahr beim Duell Schott Jena gegen Erfurt) wurde das Finale des Thüringen-Pokals auf dem Ernst-Abbe-Sportfeld ausgetragen. Zugelassen waren 10.000 Zuschauer, nur 1.200 Tickets gingen nach Erfurt. Eine andere Möglichkeit gab es aufgrund der vorhandenen Blockaufteilung nicht. Theoretisch sicherlich schon, doch dann hätten die Wege zum Stadion nicht in der nötigen Form abgesichert werden können.
Etwas dürftig kamen beim Einlaufen der beiden Mannschaften die jeweiligen Kurven daher. Im Erfurter Block gab es – wie zuvor bei den Duellen in der 3. Liga – ein weitgehendes Materialverbot, in der daneben befindlichen Heimkurve wurde wie zuletzt auf Choreos und knackigen Support verzichtet. Bereits seit geraumer Zeit wird dort von den Ultras ein Stimmungsboykott praktiziert. Zwar wurde auch im Kern der Kurve das Team im Laufe des Spiels zunehmend unterstützt, doch auf unterstützende Elemente wurde von Beginn an bewusst verzichtet. Mit in der Südkurve befanden sich Mitglieder der Münchner Schickeria und der Ultras 1993 Lausanne, deren Fahnen über der großen FC Carl Zeiss Jena-Zaunfahne hingen. Zentral und somit nicht übersehbar wurde ein Banner mit der Aufschrift „unbeugsam und unverkäuflich“ befestigt. Seit Monaten schwelt innerhalb der Fanszene ein Streit darüber, wie es mit dem FC Carl Zeiss Jena weitergehen möge. Investoren ja oder nein?!
Auf der Gegengerade hatte sich zuletzt ein stimmungsvolles Grüppchen gebildet, das sich dem Boykott der Horda Azurro 2001 nicht anschließen möchte. So wurde auch beim gestrigen Spiel gegen Erfurt von dort aus versucht, optische und akustische Akzente zu setzen. Einige Fähnchen sowie blauer und gelber Rauch sorgten für einen kleinen Hingucker. Im Gästebereich war die Hüpfeinlage kurz vor Anpfiff das positive Highlight dieser Veranstaltung. Später sorgten nur noch andere Aktionen für Gesprächsstoff. Dass im Block der Erfurter Fans die Stimmung bereits nach 22 Minuten komplett kippte, war allerdings kein Wunder. Die Mannschaft lieferte unter dem Strich eine überaus schlechte Leistung ab und ließ sich phasenweise vom FC Carl Zeiss regelrecht vorführen. Und das nur einen Tag nach dem 111-jährigen Vereinsjubiläum des FCC.
Die Hausherren schienen sich für das 99. Aufeinandertreffen richtig was vorgenommen zu haben. Bereits nach acht Minuten ergab sich für Jena die erste fette Möglichkeit. Nur fünf Minuten später bereits das 1:0. Nach einem verlängerten Einwurf zog Sören Eismann ab und traf aus rund 12 Metern Entfernung ins Schwarze. Jubeltrauben auf dem Rasen und den Rängen. Noch dachte manch einer Erfurter Fan, dass dies ein Unfall sei und dieser fix ausgebügelt werde, doch als in der 22. Minute Andis Shala aus kurzer Distanz zum 2:0 einlochen konnte, ahnte die rot-weiße Anhängerschaft, dass dies ein aus ihrer Sicht demütigender Abend werden wird.
Die ersten Böller detonierten, manch einer baute am Zaun seinen Frust ab. Behelmte Einsatzkräfte nahmen im Innenraum Stellung vor dem Gästebereich. Dabei tat man gut daran, nicht allzu nah heranzurücken und somit den wütenden Mob ein wenig Freiraum beim Wutausbruch zu lassen. Vor der Pause kam Erfurt dann doch noch recht ordentlich ins Spiel und drängte auf den Anschlusstreffer, doch Dank der geschlossenen Mannschaftsleistung konnte Jena die 2:0-Führung in die Pause retten. Auch unmittelbar nach dem Pausentee mühten sich die Erfurter redlich, konnten jedoch den Ball nicht im gegnerischen Gehäuse unterbringen. Ein Jenaer Doppelschlag in der 52. und 55. Minute sorgte schließlich für klare Verhältnisse. Zuerst brachte Tom Geißler einen Freistoß unter, dann machte Andis Shala seine zweite Bude des Abends. Jubelorgien auf Heimseite, kollektives Entsetzen im Gästeblock. Der Zaun wackelte bedrohlich. Knallkörper und zwei Rauchbomben flogen. Zudem wurde von vermummten Erfurtern feindliches Material hervorgeholt, an den Zaun gehängt und angezündet. Flammen züngelten an Schals und Fahnen, grauer Rauch stieg auf.
Die Polizei ließ die Erfurter gewähren und schritt nicht ein. Erst als außerhalb des Stadions hinter der Anzeigetafel die offene Konfrontation gesucht wurde, rückten die Einsatzkräfte an und sicherten die Außenbereiche und die Südkurve ab. Vom Innenraum aus konnte man hinter den Rängen die Gegenstände fliegen sehen. Immer wieder ertönte beim Heimpublikum das typische „Schweine R-W-E!“ Als in der 71. Minute Gramoz Kurtaj das 5:0 für den FC Carl Zeiss besorgte, hatten etliche Erfurter bereits ihren Block verlassen. Mit versteinerten Mienen verfolgten die verbliebenen Erfurter Fans den Rest des Spiels und konnten es kaum fassen, was sich auf dem Rasen abgespielt hatte. Für Jena war es der höchste Derbysieg seit dem 07. Mai 1983. Damals konnte der von Hans Meyer trainierte FCC die Erfurter mit 6:0 besiegen. Bei jenem Spiel im Jena-Dress auf dem Rasen: Der heutige Trainer Lothar Kurbjuweit! Keine Frage, so wird Fußballgeschichte geschrieben!
Während nach dem Abpfiff im wiedereinsetzenden Regen die Jena-Spieler mit den Fans den Pokalsieg und den Einzug in die erste DFB-Pokalrunde feierten, suchten ein paar Erfurter Spieler erstaunlicherweise das Gespräch mit den verbliebenden Fans. Während Andre Laurito dort eher nicht erwünscht war und dieser ein wenig pampig wurde, durften Stefan Kleineheismann und Kevin Moehwald mit den frustrierten Erfurter Anhängern am Zaun diskutieren. Hut ab vor der Courage, sich nach solch einer Derby-Pleite den eigenen Fans zu stellen. Minuten später durften die Jena-Spieler bei strömendem Regen den Landespokal entgegennehmen, das Team des FC Rot-Weiß Erfurt musste dabei von der Bank aus zusehen. Als später die fröhlichen und sichtlich erleichterten Fans am Haus des Fanprojektes mit Bier auf den historischen Sieg anstießen, kam auch wieder die Abendsonne raus. Wie gesagt, es war ein Pokalabend mit viel Licht und Schatten!
Fotos: Marco Bertram
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