Eins vorweg: Es wurde ein schwarz-gelbes Fußballfest mit großartiger Stimmung auf den Rängen und einem Schlagabtausch auf dem Rasen, der auf Augenhöhe geführt wurde. Der Drittligist aus Elbflorenz hatte gegen den wiedererstarkten Erstligisten aus dem Ruhrgebiet durchaus Möglichkeiten, doch am Ende musste sich die Sportgemeinschaft gegen den BVB 09 mit 0:2 geschlagen geben, wobei der zweite Treffer in der letzten Minute fiel. Spannend blieb es somit bis ganz zum Schluss, doch das Wunder wie zuvor gegen den FC Schalke 04 und den VfL Bochum wollte nicht gelingen. Dass nach Abpfiff trotzdem ein minutenlanger Dyyyynaaamo-Wechselgesang für Gänsehaut sorgte, hatte einen guten Grund. Der Außenseiter konnte mit erhobenem Haupt den Platz verlassen. Dynamo Dresden hatte durchweg für positive Schlagzeilen gesorgt. Negative Begleiterscheinungen wie der Böllerwurf in den Strafraum des eigenen Keepers kurz vor Abpfiff waren definitiv Aussetzer einzelner Personen. Für eine Portion Gesprächsstoff sorgten indes einige Gästefans, die zu Beginn des Spiels am unteren Rand des Blocks Bengalos anzündeten und im zweiten Spielabschnitt Dresdner Material präsentierten. Eine Fahne der „Jokers Radeberg“ wurde bei dieser Aktion von vermummten Dortmundern zerrissen. Doch dazu später mehr.
Dynamo Dresden vs. Borussia Dortmund: Tolle Atmosphäre, spannendes Spiel und eine zerrissene Jokers-Fahne
HotEntspannt fing der recht sonnige Tag an. Während die Dortmunder Ultras / Fans (u.a. Jubos, The Unity und Desperados) noch auf dem Weg nach Sachsen waren, konnten die Dresdener bereits die Freunde der „Horde Zla“ aus Sarajevo begrüßen. Ihre Fahne hing unübersehbar - wie auch das Red Kaos Banner der Zwickauer Freunde - am Abend direkt am großen Banner der Ultras Dynamo. Während am späten Nachmittag der Großteil der Dresdner gerade von der Arbeit kam oder ihre Einkäufe erledigte sowie Touristen einen Bummel durch die Altstadt machten, marschierten kleine mit schwarzen Jacken bekleidete Grüppchen der Sportgemeinschaft Dynamo durch die Straßen der Innenstadt und hielten Ausschau nach etwaigen Gästefans. Es sollte niemand ungestört ein Erinnerungsfoto an einem der markanten Punkte der Dresdner Innenstadt machen können. Ein solches Fotos wurde dann allerdings doch noch gemacht. Gegen 17:30 Uhr wurde der dunkle Mannschaftsbus des BVB 09 vor der Frauenkirche postiert und ein mitgebrachter Fotograf fertigte einige Aufnahmen an. Allerdings sorgte das auf Heimseite für wenig Aufregung.
Je dunkler es dann wurde, desto mehr Böller konnten in den umliegenden Wohngebieten vernommen werden. Freudige Erwartung auf das DFB-Pokalspiel. Allerbeste Laune rings um das Dresdner Stadion. Großes Gelage an der Ecke Gerhart-Hauptmann-Straße / Tiergartenstraße. An der dortigen Tankstelle wurden zahlreiche Autos geparkt und in großen Gruppen wurde redselig das eine oder andere Bierchen getrunken. Ein nettes Stelldichein gab es auch auf der anderen Straßenseite. Bierbänke und zwei Stände wurden aufgebaut. Grillgut und Suppen aus der Gulaschkanone. Fragte man den einen oder anderen Dynamo-Fan, so kam durchweg zum Ausdruck, dass man überaus optimistisch auf die Begegnung mit den Borussen blickte, wenn gleich die Dortmunder zuletzt beim Revierderby gegen den FC Schalke 04 vollends überzeugen konnten.
Im Stadion liefen 15 Minuten vor Anpfiff die Vorbereitungen in den jeweiligen schwarz-gelben Fanblöcken. Beide Seiten setzten auf ein Meer aus kleinen Fahnen. Matte Farben im K-Block, die glitzernden Varianten im Gästebereich. „Heute walzen wir Euch platt!“ war unter der Heim-Choreo zu lesen. Zentrales Motiv war der markante Zähne fletschende Dynamo-Ball, der mit einer Planierraupe die Vereinslogos der NRW-Klubs S04, VfL Bochum und BVB 09 platt fährt. Im Gästekäfig gab es nach dem raschelnden Fahnen-Intro eine Pyro-Aktion an der unteren Plexiglaswand. Neun rote Benaglos wurden zum Leuchten gebracht und sorgten für einen Blickfang, jedoch für wenig Aufregung bei den postierten Ordnern. Da keine pyrotechnischen Gegenstände - bis auf eine Ausnahme - nicht aufs Spielfeld oder die anliegenden Zuschauerbereiche geworfen wurden, bewahrten sowie die mitgebrachten BVB-Ordner als auch die Ordnungskräfte des Gastgebers die Ruhe.
30.503 Zuschauer waren für dieses Pokalspiel zugelassen. Einen Pufferbereich von 20 Längstreihen gab es nur zwischen den Sitzplätzen der Gäste und Heimfans hinter dem Tor. Zu etwaigen Zwischenfällen kam es an dieser Nahtstelle erfreulicherweise nicht. Eine ähnliche Zuschauerzahl wird nun beim kommenden Heimspiel in der Liga gegen die SG Sonnenhof Großaspach erwartet. Nochmals wurde in der Halbzeitpause auf die Aktion 30.000 plus ausdrücklich hingewiesen. Unter anderen möchte man sich somit für die Gastfreundschaft der Großaspacher beim Hinspiel bedanken. Einen extra Gästeblock wird es nicht geben, die mitgereisten Fans sollen sich bei der SG Dynamo wie zu Hause fühlen und werden sich gemeinsam mit den Heimfans das Spiel anschauen dürfen.
Zurück zum gestrigen Pokalfight. Die Hausherren waren gut eingestellt und agierten aus sicherer Deckung heraus. Dortmund hatte weitaus mehr Ballbesitz, doch gefühlt waren die Dresdner phasenweise durchaus ebenbürtig. Was vor allem am energischen Zweikampfverhalten lag. Ging ein Ball verloren, wurde sogleich nachgesetzt und in etlichen Fällen wieder zurückerobert. Und als nach 25 Minuten Dynamo sehenswert über die linke Seite kam und der anschließende Schuss über das Gehäuse ging, wurde es richtig laut. Es folgte ein energisches Nachsetzen und das Publikum peitschte die Mannschaft nach vorn. Mit Erfolg, mit dem Spielstand von 0:0 ging es zum Pausentee. Mehr als ein Achtungserfolg für den Drittligisten, der ja die letzten Woche nicht wirklich überzeugen konnte.
Zu Beginn der zweiten Halbzeit ging es Schlag auf Schlag. Plötzlich kletterten vermummte Dortmunder Fans auf die Plexiglaswand und präsentierten diverse Fanutensilien der Sportgemeinschaft Dynamo. Neben Schals und Pullovern tauchte eine schwarz-weiße Fahne der „Jokers Radeberg“ auf. Martialisch wurde diese von zwei Vermummten in der Mitte durchgerissen. Erstaunen auf den anliegenden Rängen. Gezogen in Dresden? Aufgrund der von „Jokers Radeberg“ seit Jahren angefertigten Videos und Fotostrecken kennt wohl fast jeder Dynamo-Fan das Emblem dieser Gruppierung. Wie die Fahne in die Hände der Dortmunder kam, kann niemand erklären. Fakt ist jedoch, dass sie vor zirka zwei Jahren bei einem Auswärtsspiel in Düsseldorf gestohlen wurde. Nicht vom Zaun oder bei einer Schlägerei, sondern aus einem geparkten Neuner. Das Fahrzeug wurde damals aufgebrochen und es wurden zahlreiche technische Gegenstände entwendet (Nachzulesen im Buch "SHGZ III"). Zufälligerweise war in einer Tasche, in der Laptop und Datenträger lagen, auch die gestern präsentierte Jokers-Fahne. Die „Jokers Radeberg“ treten im Stadion nicht als Gruppierung auf, sondern verrichten dort ihre Arbeit mit Video- und Fotokameras. Dabei war das gute Stück für eine geplantes Gruppenfoto. Sei wie es, schmerzlich war der Moment für die Dresdner Fanszene ganz gewiss. Allerdings wurde der Stoff nicht angezündet, sondern im zerrissenen Zustand in den Innenraum geworfen. Dort wurde sie von einem Dynamo-Fan aufgehoben und anschließend in Sicherheit gebracht.
Fast zeitgleich fiel das 1:0 für Dortmund. Die Uhr zeigte die 50. Spielminute an, als Immobile einen Abspielfehler der SG Dynamo nutzte, sich den Ball schnappte und ins Tor schoss. Erstaunlich euphorisch war der anschließende Jubel der Spieler, die bis zum Gästeblock liefen. Ein klares Zeichen dafür, dass man den Gegner wahrlich ernst nahm und die Führung eine echte Befreiung bedeutete. Präsentiert wurde von den Fans eine Fahne mit der Aufschrift „Je suis Boyz Köln“, bereits beim Auswärtsspiel in Stuttgart und beim Heim-Revierderby gegen Schalke 04 wurde diese Botschaft gezeigt. Während nun auch die Heimseite am Zaun reichlich „feindliches Material“ zur Schau stellte, blieb es auf dem Rasen spannend. Und das bis zur 90. Spielminute. Dynamo versuchte alles, konnte jedoch keinen Treffer erzielen. Als die Sportgemeinschaft in der Schlussphase hinten völlig öffnete, ergab sich für Immobile nach Vorarbeit von Blaszczykowski die Möglichkeit in Form des Tores zum 2:0 den Sack endgültig zuzumachen. Aus dem Sitzplatzbereich hinter dem Tor flog ein Böller in den Strafraum des eigenen Keepers. Fans hielten den Täter fest, Ordner konnten ihn wenig später abführen. Nach Abpfiff brannte unten am Zaun des K-Blocks ein paar Utensilien, doch auch dort waren Ordner fix zur Stelle und brachten Feuerlöscher zum Einsatz. Damit endete jedoch nicht der Abend, denn den goldenen Abschluss bildete das minutenlange eingangs erwähnte „Dyyyynaaaamo“ von beiden Seiten des Stadions. Auch wenn das Wunder nicht glücken wollte, so war es für den Drittligisten aus Elbflorenz ein überaus erfolgreicher Pokalabend.
Fotos: Marco Bertram
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