Alle Mann in die Busse und auf nach Magdeburg! Getränke gekauft, Buletten eingepackt und ab zu den Treffpunkten. Generell sind bei Auswärtsfahrten des BFC Dynamo die Busfahrten überaus beliebt, doch aufgrund des Bahnstreikes war der Anteil der Busfahrer dieses Mal noch größer. Einer Einladung folgend, gab es somit für mich eine Art Revival-Tour. Mit dem Bus zum Fußball - so wie Anfang und Mitte der 90er. Kaum verließ unser Bus - passend zur Fahrt vom Typ eher Old School -, wurden die Schrippen mit Hackepeter ausgepackt und die erste DVD eingelegt. Die DSF-Doku über die beiden legendären Relegationsspiele im Juni 2001 im Sportforum Hohenschönhausen und im alten Ernst-Grube-Stadion als warm-up. Danach noch einen Spielfilm. Da komplett auf eigene Faust gefahren wurde, gab es in der Nähe des Magdeburger Stadions eine kleine Überraschung. Statt hinten rum direkt den Gästeparkplatz anzusteuern, gab es noch eine extra Runde vorbei an den Kneipen am Gübser Weg. Erstaunte Gesichter. Es schien, als öffne sich der berühmte Gitarrenkoffer im Streifen „Desperado“. Noch eine Schleife am Block U vorbei und dann aber den Bus in der hintersten Ecke des für den BFC Dynamo vorgesehenen Parkplatz abgestellt. Außer ein paar vereinzelten Stinkefingern von Bier schlürfenden FCM-Fans hatte die überraschende Schnuppertour nichts zur Folge.
1. FC Magdeburg vs. BFC Dynamo: Old School Treffen und stimmungsvolle Punkteteilung
HotMan blieb entspannt, schließlich wissen beide Seiten, dass die älteren Semester der Dritten Halbzeit untereinander recht gute Kontakte pflegen. Und somit durften etliche sportliche elegant gekleidete Ü40-BFCer auf der Gegengerade ihre Plätze einnehmen. Als geschlossene Truppe marschierten sie beim Einlaufen der Mannschaften auf die Ränge, befestigten drei Banner an einem Geländer und legten auf freien Sitzen eine Aberdeen-Fahne aus. Parallel dazu präsentierte der gut gefüllte Block U eine große sehenswerte blau-weiße Choreo. „900 Jahre Coethen - 50 Jahre für den 1. FCM!“ Das ist doch mal eine Ansage. Schließlich gilt Köthen (früher Coethen / Cöthen) als heiß umkämpfte Grenzstadt zwischen den Einzugsgebieten des 1. FC Magdeburg und des Halleschen FC. So erhalten Köthen-Fahnen sowohl beim 1. FCM, als auch beim HFC bei den Heimspielen ihre jeweiligen angemessenen Plätze an den Zäunen.
12.268 Zuschauer (rund 2.000 Gästefans) hatten sich eingefunden und sorgten für eine angemessene Kulisse für diesen Klassiker. Der Europapokalsieger von 1974 gegen den einstigen Serienmeister der DDR. Letztmalig waren sich die beiden Vereine bei der besagten Aufstiegsrunde 2001 begegnet. Nach einem 0:0 beim Hinspiel in Berlin bezwangen die Magdeburger die Berliner mit 5:2 und stiegen in die Regionalliga Nord auf. Zwischenzeitlich hatte es 2:2 gestanden, mit diesem Ergebnis hätte der BFC Dynamo den Sprung nach oben gepackt. So aber folgten die Insolvenz und der Neustart in die Verbandsliga, aus der man nach zwei Jahren wieder in die NOFV-Oberliga aufsteigen konnte.
Nun also ein Stelldichein im Mai 2015. Und es war nicht nur ein Spiel, mit dem man fröhlich die Saison ausklingen lassen kann. Der 1. FC Magdeburg möchte aufsteigen und liefert sich mit dem FSV Zwickau ein erbittertes Fernduell. Vor dem Spieltag standen beide Klubs punktgleich an der Tabellenspitze. Nur das bessere Torverhältnis sorgte dafür, dass der 1. FCM auf dem Platz an der Sonne stand. Völlig überraschend verlor der FSV Zwickau daheim im Sojus gegen die Bubis des 1. FC Union Berlin mit 0:3. Diese Tatsache nahm ein wenig sportliche Brisanz und Dramatik aus dem gestrigen Spiel. Selbst bei einem Ausrutscher gegen die Weinroten würden die Bördestädter Rang eins behalten und hätten weiterhin alles selbst in der Hand, um Ende Mai / Anfang Juni gegen Kickers Offenbach um den Aufstieg in die 3. Liga zu spielen.
Während der Block U mit gewohnter geballter Kraft zu Werke ging, erfolgte im Gästeblock der Support anfangs noch auf eher niedrigem Level. Das sollte sich jedoch in Halbzeit zwei ändern. Und auch auf dem Rasen legte Magdeburg sogleich los wie die Feuerwehr. Bereits nach einer Minute haute Christian Beck den Ball an die Unterkante der Latte. Es folgten weitere gute Magdeburger Möglichkeiten, doch auch die Gäste kamen langsam aber sicher ins Spiel und zeigten, dass sie vor der Partie nicht ohne Grund zehn Partien in Folge ungeschlagen waren. Den ersten Treffer des Tages erzielten jedoch die Hausherren. Nach einem strammen Schuss von Marius Adrian Sowislo, den BFC-Keeper Stephan Flauder mit dem Fuß parieren konnte, stand Christian Beck bereit und köpfte zum vielumjubelten 1:0 ein. Drei Minuten später sogleich fast das 2:0 des 1. FCM. Die Stimmung war am Siedepunkt. Mit einem Sieg hätte man den Regionalliga-Meistertitel bereits fast sicher. Noch ein Sieg am letzten Spieltag gegen Kellerkind FC Viktoria 1889 und der Drops wäre gelutscht.
Allerdings spielte der BFC Dynamo sehr motiviert auf. Bereits im Vorfeld der Partie war zu vernehmen, dass die Mannschaft nicht nur gut mitspielen wolle. Nein, das Ziel sei es, in Magdeburg zu gewinnen. Allein dafür sei man in die Börde gefahren. Und in der Tat, beide Teams auf Augenhöhe. Mit dem BFC hatte das Magdeburger Team wahrlich eine verdammt harte Nuss zu knacken. Zur Pause blieb es beim Spielstand von 1:0. Zu Beginn der zweiten Halbzeit präsentierten beide Fanblöcke Botschaften bezüglich des jüngsten Vorfalls in Polen. „Chuligani zawsze razem (Hooligans immer zusammen). Dawid 2.5.2015.“ Noch deutlicher wurden die BFC-Fans, die mehrfach ein Banner mit der Aufschrift „Polska Policja Mordercy“ hochhielten. Im Wechselgesang ertönte nun auf beiden Seiten das A.C.A.B.“. Die Ordner und polizeilichen Einsatzkräfte hielten sich jedoch im Stadion überaus angenehm zurück und gossen kein unnötiges Öl ins Feuer.
Stichwort Feuer. Extrem laut wurde es in der 65. Minute. Zuerst erfolgte der brachiale Jubel unter den 2.000 BFC-Fans, nachdem Martin Zurawsky mit einem Heber den Ausgleich erzielte, dann detonierte in der Nähe der Eckfahne ein extrem lauter Pollen-Böller, der auf dem Rasen einen kleinen Krater hinterließ. Der Knall war dermaßen laut, dass BFC-Torwart Flauder einen Hörsturz erlitt und das Spiel kurz unterbrochen werden musste. Man stelle sich vor, solch ein Böller würde beim Werfen aus der Hand rutschen und inmitten von Personen fallen. Eine wahrlich beängstigende Vorstellung. Glücklicherweise konnte das Spiel mit Flauder im Gehäuse fortgesetzt werden. Bereits sechs Minuten vor dem Ausgleichstreffer musste Kapitän Björn Brunnemann mit einer Oberschenkelverletzung den Platz verlassen.
Nach dem Ausgleich hatte der BFC Dynamo die Partie erstaunlich gut im Griff. Magdeburg bemühte sich, konnte jedoch nicht an die gute Leistung der ersten Halbzeit anknüpfen. Am Ende blieb es beim gerechten Remis, das vor allen Dingen bei den Gästen äußerst euphorisch gefeiert wurde. Doch auch auf Heimseite ließ man nicht die Köpfe hängen. Warum auch? Am Ende war es schließlich ein Punktgewinn. Mit voller Konzentration muss es nun am kommenden Woche nach Berlin gehen, wo eine spielstarke U23 von Hertha BSC den 1. FCM empfangen wird. Auch nicht gerade leicht hat es der FSV Zwickau, der zu Germania Halberstadt reisen muss. Klingt auf dem Papier nach einer eher leichteren Aufgabe, allerdings drehte die Germania zuletzt in sportlicher Hinsicht kräftig am Rad. Nach einem 5:1-Sieg in Babelsberg folgte ein weiteres 5:1 in Meuselwitz.
Und der BFC Dynamo? Dieser reiste entspannt nach Hause. Eine weitere Extra-Runde an den Magdeburger Kneipen vorbei blieb jedoch aus, die Polizei war nach dem Spiel auf Zack und hatte sämtliche Nebenstraßen abgeriegelt. Im Schritttempo ging es nun den Hammelberg Weg entlang. Auf der gleichen Route erreichten die Zugfahrer den für Gästefans üblichen Bahnhof in Magdeburg-Herrenkrug. Am kommenden Sonntag empfängt der BFC Dynamo die TSG Neustrelitz, am letzten Spieltag wartet ein Ausflug nach Bautzen auf die weinrote Reisegesellschaft.
Fotos: Marco Bertram