In der dritten Qualifikationsrunde der Champions League bekam es der österreichische Rekordmeister mit Ajax Amsterdam zu tun. Welchen Stellenwert der Europapokal für die meisten Wiener hat lässt sich schon an den Zuschauerzahlen erkennen. Werden normale Ligaspiele im Schnitt von zirka 15.000 Zuschauern besucht, so fanden am Mittwochabend mehr als 43.000 Zuschauer den Weg ins Ernst-Happel-Stadion (Praterstadion). Ungefähr 800 von ihnen dürften aus den Niederlanden angereist sein. An der U-Bahn-Station Schlachthausgasse wurden die Ajax-Fans von der Polizei mit einem vollkommen überzogenen Großaufgebot eingekesselt und mit deutlich reduzierter Bewegungsfreiheit zum Stadion „begleitet“.
Rapid Wien vs. Ajax Amsterdam: Kainz und Berič halten Österreichs Vizemeister im Rennen
Am Eingang zum Gästeblock wurden zehn Ajax Fans verhaftet, welche eine Sperrkette durchbrochen und Polizisten attackiert haben sollen. Ob das Verhalten der Exekutive sonderlich deeskalierend war, lasse sei an dieser Stelle mal dahingestellt. Die Fanszene der Hütteldorfer startete mit einer sehenswerten Fahnenchoreo in den Vereinsfarben in das Spiel, während die Amsterdamer Doppelhalter, Fahnen sowie etwas Pyro zeigten.
Rapid agierte zu Beginn sehr defensiv, zog sich sehr weit in die eigene Hälfte zurück und hatte insgesamt zu viel Respekt, als dass man den Niederländern in der Anfangsphase ernsthaft gefährlich werden konnte. Die erste Chance der Gäste führte in der 25. Minute auch gleich zum 0:1. Verteidiger Riedewald passte in die Tiefe, Sinkgraven überspielte Stephan Auer, legte auf für Kapitän Davy Klaassen, der den Ball gekonnt ins Tor beförderte. In der Folgezeit zahlte Rapid viel Lehrgeld und so war es nur logisch, dass Klaassen in der 43. Minute per Kopf auf 0:2 stellte. Die Sache schien bereits zur Pause aus Sicht des AFC Ajax geritzt.
Nach der Pause präsentierten sich die Hütteldorfer wesentlich selbstbewusster und wurden dafür in der 48. Minute mit dem Anschlusstreffer durch Florian Kainz belohnt. Angetrieben von einem entfesselten Block West, der es immer wieder schaffte mit gekonnter Liederauswahl große Teile des Stadions mitzureißen, kämpfte sich Rapid mit allen Eigenschaften, welche mit einem Arbeiterverein assoziiert werden, zurück in die Partie. Ajax wirkte in dieser Phase überrumpelt.
Als Stefan Schwab in der 58. Minute völlig übermotiviert mit gestrecktem Bein seinen Gegenspieler umsenste, blieb dem Schiedsrichter keine andere Möglichkeit als diesen vom Platz zu stellen. Ajax fühlte sich in der Folge zu sicher und wollte das Spiel wohl locker runterspielen. Trotz des Platzverweises verschwand der noch in der ersten Halbzeit erkennbare Klassenunterschied nahezu vollkommen und Rapid stemmte sich aufopferungsvoll gegen die drohende Niederlage.
Die grüne-weiße Fanszene überzeugte an diesem Tag auf ganzer Linie, wobei wohl auch der Spielverlauf dazu beigetragen haben mag. Viel Bewegung in der Kurve, mehrere größere Schwenkfahnen und Doppelhalter erzeugten ein sehr gelungenes Bild. Immer wieder peitschte das gesamte Stadion ihre Mannschaft vor das gegnerische Tor. Just als die Rapid-Viertelstunde in der 75. Minute eingeklatscht wurde, war es dann soweit. Grün-Weiß schoss den insgesamt verdienten Ausgleich zum 2:2 durch Robert Beric.
Kollektiver Freudentaumel im ganzen Prater-Oval. In Mitten der Jubelstimmung wurde von den Ultras Rapid ein ungefähr 70 Meter langes Transparent mit der Aufschrift WESTSTADION gespannt. Damit positionierte sich der Grün-Weiße Anhang gegen eine große deutsche Versicherung, welche sich die Namensrechte für den Neubau des ehemaligen „Gerhard-Hanappi-Stadions“ gesichert hat. Gefolgt von einem Aufruf „ALLE IN GRÜN NACH AMSTERDAM“. Nächste Woche werden zirka 2.500 Rapid-Fans in Amsterdam erwartet.
Fotos: Tim Seidenberg (zur Flickr-Seite)
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