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Stadion Avanhard in Prypjat: Nagender Zahn der Zeit nach der Reaktorkatastrophe

Birken und Espen sprießen aus den klaffenden Fugen, das Holz der einstigen Sitzbänke vermodert immer mehr, bedrohlich erheben sich die dunklen schmalen Flutlichtmasten gen Himmel. Seit 32 Jahren rollt hier kein Ball mehr. Einst spielte hier der Mitte der 1970er ins Leben gerufene FC Stroitel Prypjat. „Stroitel“ steht für „Erbauer“. Neu gebaut wurde dort seit 1970 alles. Das Atomkraftwerk Tschernobyl und die nahe gelegene Stadt Prypjat (Прип’ять / Припять), die im Frühjahr 1986 knapp 50.000 Einwohner hatte. 1981 nahm der FC Stroitel Prypjat seinen Spielbetrieb auf. Gespielt wurde in der fünfthöchsten Spielklasse der Sowjetunion bzw. in der zweithöchsten Amateurklasse. 

Im Jahr 1985 wurde der zweite Platz erreicht und der Sprung eine Etage höher schien in greifbarer Nähe. Im Netz existiert eine kleine fünfminütige Doku über das „Припять Футбольная команда Строитель“. Jubelende Zuschauer auf den Rängen. Eine schwarz-weiß Aufnahme von einem Tor, im Hintergrund sind die Plattenbauten von Prypjat zu sehen. Gezeigt werden auch ein paar Luftaufnahmen in Farbe. Mit dem Auto geht es am großen Schild vorbei: „Tschernobylski Rajon“. 

Dann kam der Tag X. Der große Gau. Im Kernkraftwerk kam es am 26. April 1986 zur atomaren Katastrophe. Erst 36 Stunden nach der Reaktorkatastrophe wurde die Stadt Prypjat evakuiert. Mit Hilfe von 1.200 Bussen wurden innerhalb von zweieinhalb Stunden sämtliche Bewohner abtransportiert. Tausende von ihnen waren bereits kontaminiert und litten an den Folgen. Die Bewohner der Stadt wurden damals im Glauben gelassen, recht bald wieder in ihre Wohnungen zurückkehren zu können. In Kindergärten, im Krankenhaus und den Wohnungen ergeben sich überaus gruselige Anblicke. Geöffnete Hefte liegen auf den Tischen, das Spielzeug steht griffbereit auf dem Boden. 

Prypjat wurde zur Geisterstadt - und auch das Stadion Avanhard (Стадіон Авангард) wurde komplett sich selbst überlassen. Es modert, es bröckelt, es sprießt. Nach der Reaktorkatastrophe wurde 1986 die Stadt Slawutytsch errichtet. Zahlreiche Bewohner von Prypjat fanden dort ein neues Zuhause, und auch der FC Stroitel Prypjat zog nach Slawutytsch und erhielt demzufolge den neuen Namen FC Slawutytsch, der 1988 jedoch bereits Geschichte war. Später von 1995 bis 1998 spielte der Nachfolgeverein des FC Slawutytsch in der zweiten ukrainischen Liga. 

Und das Stadion Avanhard in Prypjat? Dieses kann im Rahmen geführter Touren besichtigt werden, genauso wie der berühmte verlassene Rummelplatz der Stadt.

Fotos: Fabian S. (www.inpivoveritas.de)

> Spurensuche in der Sperrzone - Bericht und Fotos

> zur turus-Fotostrecke: Impressionen vom Stadion Avanhard

> zur turus-Fotostrecke: Bilder aus der Sperrzone um Tschernobyl

Artikel wurde veröffentlicht am
11 September 2018

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