“Ja, hmmm, dieses Spiel, nee, also und der Freistoß zum Schluss, nee du, also… Das war anstrengend.” Die Analyse eines Freundes direkt nach dem Spiel fällt zwar nicht sonderlich detailliert aus, aber sie bringt es auf den Punkt. Anstrengend war es. Und zwar von Anfang an.
F.C. Hansa Rostock vs. Karlsruher SC: Ein Spiel nichts für schwache Nerven!
HotBereits in der zweiten Minute landet ein Freistoß der Karlsruher auf der Latte und auch danach machen die Gäste ordentlich Dampf. Hansa schafft es in der Anfangsphase nicht, sein Spiel ruhig und geordnet aufzubauen. Zu unkonzentriert und unruhig ist die Mannschaft bei eigenem Ballbesitz, was zur Folge hat, dass die Karlsruher, die nach vier Siegen in Folge mit breiter Brust auf dem Feld stehen, sich immer wieder gefährlich in vor das Rostocker Tor spielen können.
Der Druck, der nach den drei sieglosen Spielen in Folgen und dem desolaten Auftritt gegen Münster auf den Hansaspielern lastet, ist in dieser Phase fast greifbar. Einen Fehler machen will niemand, stattdessen lieber schnell den Ball loswerden. Da ist es ein Segen für jeden Rostocker im Stadion, dass Oliver Hüsing wieder fit ist und bei seinem Saisondebüt eine sehr gute Leistung abliefert. Mit der Ruhe, die er ausstrahlt, und den Anweisungen, mit denen er seine Mitspieler lenkt, bereichert er jede Defensive und seine Füße, die immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein scheinen, verhindern einen frühen Rückstand für die Kogge.
Nachdem es Karlsruhe aus allen Lagen versucht hat, den Ball aber nicht im Hansator unterbringen konnte, wird es nach vielleicht 20 Minuten erstmal etwas ruhiger. Hansa hat sich mittlerweile eingespielt und agiert nicht mehr so überhastet und vor allem die Defensive lässt erstmal nicht mehr viel zu. Karlsruhe schaltet einen Gang zurück, Hansa kommt langsam ins Spiel, die Gäste behalten aber die Oberhand.
Zeit also, mal einen Blick auf die Ränge zu werfen. 13.000 Zuschauer finden sich an diesem Abend im Ostseestadion ein, was für ein Freitagabendspiel nach einer 1:4-Klatsche im letzten Heimspiel gar kein schlechter Schnitt ist. Unter ihnen sind vielleicht 300 Gäste, die im Gästeblock ein wenig verloren wirken. Ja, es Freitagabend. Ja, Karlsruhe liegt nicht um die Ecke. Aber dafür, dass sie sogar Unterstützung aus Berlin dabei haben, ist die Zahl der Gäste eher enttäuschend.
Lautstärketechnisch geht der Auftritt dafür allerdings in Ordnung, auch wenn ich persönlich es etwas befremdlich finde, dass der lauteste Gesang “Ha Ho He, Hertha BSC” ist. Aber was weiß ich schon? Mit Fanfreundschaften hat man als Hansafan ja nicht allzu viel am Hut. Was hier zählt, ist Hansa und sonst nichts.
Auf der Heimseite steht man weiterhin zu hundert Prozent hinter der Mannschaft und unterstützt sie lautstark von Beginn an. Das Ostseestadion glaubt an die Mannschaft, an den Trainer und an den Sieg, auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch ein hartes Stück Arbeit auf alle Anwesenden wartet und die Anfangsphase eher Angst als Zuversicht vermittelt.
Karlsruhe kommt nämlich weiterhin ganz gut in die Rostocker Hälfte und kann den Ball besorgniserregend lange in den eigenen Reihen halten. Aber auch wenn es in einer besonders brenzligen Situation mal geradezu still im Stadion wird, bricht es umso lauter wieder heraus, sobald der Ball geklärt ist.
Pavel Dotchev soll nach dem Spiel in einem Interview sagen, dass er in der Halbzeit die Mannschaft gelobt hat, um den Spielern Mut zu machen, obwohl ihm das Spiel bis dahin gar nicht gefallen hat. Und im Nachhinein fühlt es sich so an als hätte sich das Stadion stillschweigend mit dem Trainer verschworen. Der Spielverlauf gefällt nicht, aber es nützt gar nichts, die Mannschaft jetzt auszupfeifen, denn sie braucht die Unterstützung einfach. Also weiter machen, den Kopf nicht in den Sand stecken, irgendwann muss es einfach mal wieder klappen.
In der Halbzeit bricht dann auf den Rängen ein bisschen Unruhe aus. Sitzschalen klappen hoch, Rostocker verlassen die Süd, Karlsruher drängen sich an die Scheibe unter dem Dach, schauen auf den Vorplatz, wer im Block bleibt, schaut auf den Gästeblock. Die Situation entspannt sich allerdings schnell wieder und pünktlich zum Wiederanpfiff ist jeder an seinem Platz, denn auch in der zweiten Halbzeit ist nochmal eine geschlossene Leistung gefragt, damit es was wird mit dem Heimsieg.
Die Worte des Trainers scheinen ihre Wirkung zu haben, denn Hansa kommt nach der Pause motiviert zurück auf den Platz und macht direkt mal Druck, was sich bereits fünf Minuten später auszahlen soll. Biankadi spielt einen großartigen Pass durch die Abwehr auf Königs, der den Ball eigentlich querlegen will, dabei allerdings nur seinen Gegenspieler Roßbach trifft, der ihn unhaltbar ins eigene Tor lenkt.
Eigentor. Purer Wille. Das Glück erzwungen. Schwein gehabt. Nur von einem Fehler profitiert. Vollkommen egal, wie man es nennen will, es steht 1:0 und es ist genau das Erfolgserlebnis, das diese Mannschaft so dringend gebraucht hat. Marco Königs lässt sich von seinen Mannschaftskameraden feiern, salutiert vor der Süd und sprintet zu seinem Trainer an die Seitenlinie. Auf den Rängen werden Umarmung verteilt, Leute geschüttelt und Fäuste geballt. Geht doch! Jetzt weiter so!
Und genau das macht Hansa auch. Königs, Soukou, Biankadi, Ofosu-Ayeh, alle versuchen ihr Glück, scheitern aber an der Karlsruher Hintermannschaft. Biankadi macht ein überragendes Spiel, hat aber so viel Pech im Abschluss, dass man an den einen oder anderen Schweden denken muss, der mit viel Herz und ähnlich viel Pech vier Jahre lang die Kogge auf der Brust trug. Ofosu-Ayeh liefern ebenfalls ein großartiges Spiel ab und ersetzt Vladimir Rankovic auf der rechten Abwehrseite problemlos.
Im Stadion sind nun alle Dämme gebrochen und der Zweckoptimismus ist purer Begeisterung gewichen. Der Druck scheint von Spielern und Publikum abgefallen, jetzt ist kämpfen und siegen angesagt. Zusammen nach vorne.
Ein kurzer Herzinfarktmoment stellt sich fünf Minuten nach der Rostocker Führung ein, als Wanitzek auf Fink passt und dieser von der linken Seite den Ball nur hauchzart am langen Eck vorbei spielt. Bitte nicht schon wieder, von einem Unentschieden kann sich niemand was kaufen.
Stattdessen gibt es die Antwort auf der anderen Seite. Nico Rieble köpft den Ball nach einer Ecke von rechts bilderbuchmäßig ins Tor, aber Schiedsrichter Franz Bokop pfeift die Situation ab, weil sein Gegenspieler vor ihm zu Boden geht. Warum er das tut, ist allerdings nur schwer nachvollziehbar, denn von dem bisschen Kontakt, das da entsteht, fällt kein erwachsener Mann um.
Äußerst ärgerlich das Ganze, denn das 2:0 wäre mittlerweile nicht nur verdient gewesen, sondern hätte auch für etwas Ruhe gesorgt. So wird das Spiel nochmal hektisch, weil Karlsruhe wieder etwas stärker wird und der Schiedsrichter einige Entscheidungen trifft, die so nicht allzu viele Leute verstehen, vor allem nicht die Männer auf dem Platz, die sich in der einen oder anderen Situation zurecht benachteiligt fühlen.
Ich will mir einreden, dass der Schiedsrichter, der sich auch in der ersten Halbzeit schon nicht mit Ruhm bekleckert hatte, vielleicht einfach keinen guten Tag erwischt hat, aber 465 gelbe und 26 gelb-rote oder rote Karten in 162 Profispielen sprechen nicht unbedingt für Fingerspitzengefühl und die notwendige Autorität.
Die Gäste erhöhen in der Schlussphase also nochmal den Druck auf das Tor von Ioannis Gelios und sorgen damit immer wieder für einen erhöhten Puls. Aber obwohl sie vor dem Strafraum viel Ballbesitz verzeichnen können, entstehen keine zwingenden Chancen, weil Hansa die Räume gut zustellt und als Einheit verschiebt. Viel mehr als eine Menge Querbälle und einige Schüsse aus der zweiten Reihe lässt Hansa nicht zu.
In der 89. Minute gibt es dann nochmal Freistoß für Karlsruhe direkt von der Strafraumkante und die Zeit des großen Zitterns beginnt. Egal wie, bitte lass diesen verdammten Ball nicht ins Tor gehen. Soll der Schütze ausrutschen und auf den Hintern fallen, irgendwem in der Mauer in die Eier schießen oder einfach übers Dach auf den Nord-Vorplatz. Vollkommen egal, nur nicht ins Tor. Nicht heute, nicht jetzt.
Und dann nimmt Marc Lorenz das Tor ins Visier, läuft kurz an und … schießt drüber. Diese Erleichterung, dieser Jubel, fast so schön wie ein zweites Tor. Jetzt kann doch eigentlich nichts mehr schief gehen. Und doch wollen die Sekunden einfach nicht vergehen.
In der 90. Minute wird dann der bärenstarke Merveille Biankadi mit Applaus ausgewechselt und für ihn kommt nach einem halben Jahr Verletzungspause Marcel Hilßner auf den Platz. Die Freude ist groß, nicht nur bei Hilßner selbst. Auch auf den Rängen hat man ihn auf der Außenbahn schmerzlich vermisst.
In der Nachspielzeit hat Willi Evseev es sogar auf dem Fuß, den freistehenden Hilßner im Strafraum anzuspielen, um ihn mit seiner ersten Ballberührung das 2:0 erzielen zu lassen, aber Evseev zögert eine Sekunde zu lang und der Ball kommt nicht an.
Nachdem Schiedsrichter die für drei Minuten angezeigte Nachspielzeit spontan uf fünf Minuten ausgedehnt hat, ist dann aber Schluss. Hansa schlägt den Karlsruher SC mit 1:0 und nicht nur die Männer auf dem Platz sind nervlich und körperlich fertig. Auch auf den Tribünen muss man sich erstmal kurz sammeln, bevor man die Mannschaft feiern kann.
Die drei Punkte werden vielleicht später nochmal wichtig sein. Für den Moment ist aber das Erfolgserlebnis für die Mannschaft das, was zählt. Nach dem Landespokalwochenende wird es wichtig, die beiden Auswärtsspiele in Halle und Zwickau zu gewinnen und dann kann man vielleicht auch mal einen Blick auf die Tabelle werfen.
Bericht: Anika (Ein Zug nach Irgendwo)
Fotos: David Schmidt, Dennis Rosemund