Etwa ein Drittel der Fernseh-Einnahmen blätterte die BSG Chemie Leipzig hin, damit das Zweitrundenpokalspiel gegen den SC Paderborn überhaupt am Alfred-Kunze-Sportpark angepfiffen werden konnte. Für 100.000 Euro orderte der Club eine mobile Flutlichtanlage aus Bolton und sorgte damit für das erste Spiel unter künstlichem Licht im Leutzscher Holz. Den Test bestand die Anlage am Tag vor dem Spiel: etwa 1.000 Fans kamen zum öffentlichen Training und überzeugten sich von der Strahlkraft der 90.000 Watt. Der vorsichtige Fotograf war skeptisch und brachte lieber die lichtstarken Objektive - er sollte recht behalten: sonderlich hell strahlten die 15 Leuchten in jeder Ecke nicht.
Historisches Flutlichtspiel: Chemie Leipzig unterliegt Paderborn im Pokal mit 0:3
Da sorgten die Fans in beiden Lagern bei Anpfiff für mehr Helligkeit auf den Rängen - im gesamten Heimbereich wehten grüne und weiße Fahnen im Metallic-Look. Ihr Rauschen und erste Gesänge sorgten schon vor Anpfiff für Gänsehaut. Ergänzend blinkte und leuchtete es sowohl im Leipziger Block als auch im dunklen Himmel. Die Paderborner hatten einen Tag vor Halloween ein paar Bengalos hinter einem ausgeschnittenen Kürbis in Stellung gebracht.
Für die Akteure auf dem Rasen war das Flutlicht ausreichend, sie konnten ihre Laufwege und den Ball gut erkennen. Chemie ging mit dem ersten Angriff fast in Führung: Kai Druschky, Schütze des spektakulären Siegtores gegen Regensburg in Runde 1, war auf der linken Seite frei durch, sein Flachschuss ging nur knapp rechts vorbei.
Danach wurde es zäher, Paderborn bestimmte das Geschehen, Chemie verteidigte und kam nur selten in die gegnerische Hälfte. Und so erzielte Paderborn relativ trocken in Minute 18 und 28 Tore durch Babacar Gueye und Uwe Hünemeier. Sehr zur Freude der 400 mitgereisten Fans, darunter etwa 50 Aktive mit Trommel: "Allez, das ist unser SCP! Schwarz und blau allez, allez!" Aber auch die Heimseite war trotz Rückstands gut bei Stimme und peitschte die grün-weißen an: "Vorwärts Chemie!".
Der Schiedsrichter sollte heute keine Freunde unter den Leipzigern gewinnen. Nach der beruhigenden Führung entwickelten die Gäste eine interessante Beziehung zur Gravitation und Zeitwahrnehmung. Das Spiel wurde so sehr zerfahren. Ab Minute 55 musste Chemie zudem mit nur 10 Mann auskommen: Philipp Wendt wurde mit glatt rot zum Duschen geschickt. Trotz dieser Umstände ließ sich die BSG aber nicht vorführen, auch wenn es noch ein drittes Mal im eigenen Tor klingeln sollte (Babacar Gueye in Minute 60) und sich Keeper Julien Lattendresse noch ein par Mal auszeichnen konnte.
Es fehlte aber an der nötigen Präzision, um dem Favoriten heute ein Bein zu stellen. Paderborn ließ dank solidem Defensivverhalten und gutem Stellungsspiel nichts anbrennen und konnte die Uhr souverän herunterspielen. Nach dem 0:3 ertönte das "Grün und weiß ein Leben lang" umso lauter aus dem Block und die BSG-Anhänger stimmten zudem an: "Chemie Leipzig, oh Chemie Leipzig" zu der Melodie von "The lion sleeps tonight". Heute waren die Leipziger Löwen in der Tat nicht so aufgeweckt wie in der Oberliga Nordost Süd, die sie ungeschlagen und souverän brüllend anführen.
Nach dem Abpfiff feierten die Leipziger trotzdem ihre Helden gebührend. Es galt, den Tag zu genießen und würdig ausklingen zu lassen. Das ließen sich die Spieler am Ende auch nicht nehmen, sie hüpften vor dem abermals leuchtenden Heimblock und gingen in die große Runde zum Abklatschen.
Der Autor dieser Zeilen machte sich hingegen auf die große Runde zum Auto, das auf der anderen Seite des Bahntunnels geduldig wartete. Und sich noch ein wenig länger gedulden musste, denn eine doppelte Polizeikette blockierte den Tunnel, um die Abfahrt der Paderborner Fans zu schützen. Leipziger Familien, Kinder und Opis wunderten sich, warum sie denn eine so große Gefahr darstellen würden. Es gab zunächst nur Standard-Antworten, doch nach der 20. Nachfrage entrückte es einem Beamten, dass sie unweit des Stadions von Chemie-Anhängern mit Pyrotechnik beschossen worden seien (Spuren waren am Kragen sichtbar) und dass etwa 20 dieser Anhänger wohl auch versucht hätten, zu den Paderborn-Fans durchzudringen. Daher mussten die Beamten ihren Feierabend verschieben, die Leipziger Familien am Tunneleingang warten und klappte der Autor dieser Zeilen schon schon mal vor Ort den Laptop auf. Nach 15 Minuten war die Blockade jedoch schon vorbei und konnten alle ihrer Wege gehen.
Bericht: Felix
Fotos: Felix