Ärger in Erfurt: NOFV sperrt Trainer Marco Zelle

DN Updated

Marco ZelleDie derzeitige Situation beim 1. FFV Erfurt ist alles andere als rosig. Die Fußballerinnen aus der Thüringer Landeshauptstadt holten in der aktuellen Saison nur zwei Punkte aus vier Spielen. Unmittelbar vor dem 5. Spieltag gegen den Halleschen FC liegen die Erfurterinnen auf dem 10. Tabellenplatz der Regionalliga Nordost und damit unmittelbar vor den Abstiegsrängen. „Wir hätten uns alle einen anderen Saisonauftakt gewünscht. Die Mannschaft kommt nun zunehmend unter Druck und das macht es nicht einfacher“, erklärt Präsident Silvio Anders. Als wäre die sportliche Situation nicht schon genug Herausforderung für den 1. FFV Erfurt, hat nunmehr der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) Trainer Marco Zelle für sechs Wochen gesperrt.

Stoß oder Berührung?
Was war passiert? Das erste Spiel der Erfurterinnen gegen den BSC Marzahn endete in der 90. Minute für Marco Zelle mit einem Verweis aus dem Innenraum durch die Schiedsrichterin Alice Philipp. Vorausgegangen war eine für das Spiel symptomatische Szene. Das Foul einer Berliner Spielerin blieb durch die Schiedsrichterin ungeahndet. Über die Dinge, die unmittelbar im Anschluss an das Foul in der 90 Minute passierten, gibt es unterschiedliche Darstellungen. Nach den Aussagen der Schiedsrichter verließ Teamleiter Zelle den Coachingbereich. Als er vom 1. Schiedsrichterassistenten Roland Hillig dann aufgefordert wurde, in die Coachingzone zurückzukehren, „stieß er den SRA Hillig leicht mit beiden Händen an den Oberarm zur Seite, ohne dass dieser hinfiel oder Verletzungen davon trug.“ So zumindest ist es im Urteil des Sportgerichts festgehalten.

Diese Darstellung trifft allerdings weder bei den Trainern und Verantwortlichen des 1. FFV Erfurt noch bei den Zuschauern des Saisonauftaktspiels auf Verständnis. „Zunächst war es der Co-Trainer der die Zone verlies und sich über ein erneutes Foul an einer Erfurter Spielerin aufregte. Als dann der Linienrichter lautstark in Richtung Ronny Wenzel rief und wie wild mit seinen Armen gestikulierte, wollte der Trainer die Situation beruhigen. Wie man von einem Stoß reden kann, ist mir völlig unklar. Kann schon sein, dass der Trainer den Assistenten an der Schulter berührte, um zu beruhigen, aber gestoßen wurde niemand“, berichtet Viola Berndt, eine Zuschauern des Auftaktspiels.

Ähnlich beschreibt auch der Trainer die Situation in seiner Stellungnahme an den Fußballverband. Er habe den besagten Linienrichter nicht gestoßen, sondern lediglich berührt, als dieser mit wilden Gesten und lauten Rufen den Co-Trainer vom Spielfeld zurückbeordern wollte. Dabei sagte Zelle zum Linienrichter: „Jetzt beruhigen wir uns, du gehst wieder an deine Linie und winkst ordentlich weiter.“ Dabei legte der Trainer die rechte Hand auf die linke Schulter des Linienrichters.

NOFV: Tätlichkeit und Beleidigung
Marco ZelleDas Sportgericht sah darin eine Tätlichkeit und verbot Marco Zelle für die Dauer von sechs Wochen, vom 30.09.2013 bis zum 11.11.2013, ein Amt im NOFV, seinen Mitgliedsverbänden, deren Vereinen und Kapitalgesellschaften zu übernehmen. Damit steht der Trainer sowohl für den Trainings- und Spielbetrieb, als auch für die organisatorische Unterstützung des Vereins nicht zur Verfügung. „Gerade wenn man selbst bei dem Spiel dabei war, ist das Urteil nichtnachzuvollziehen. Ich kann weder meinen Trainer noch meinen Co-Trainer kritisieren. Wenn eine Gegenspielerin vor den Augen des Assistenten auf eine Spielerin nachtritt und der Linienrichter nicht reagiert, dann kann keiner ruhig auf der Bank sitzen bleiben. Das Missverhältnis zwischen der Härte der Spielerinnen aus Marzahn und der Reaktionen des Schiedsrichterkollektivs ist aber nicht nur den Offiziellen des Vereins aufgefallen. Auch das sonst außerordentlich ruhige Publikum im Sportforum habe ich noch nie so verärgert erlebt“, beschreibt Präsident Silvio Anders die Stimmung während des Spiels.

Weiterhin soll der Trainer beim Verlassen des Innenraumes den Schiedsrichter-Assistenten Hillig mit den Worten: „Du Kasperkopf!“ betitelt haben. Entsprechend wurde der Trainer zusätzlich zu einer Geldstrafe in Höhe von 250 Euro verurteilt. „Diesen Ausspruch habe ich nicht getätigt! Diese Rufe kamen auch während des Spiels mehrfach aus den Reihen der Zuschauer, so auch zu diesem Zeitpunkt“, erklärt Präsident Anders.

Anders: Vertrauensverlust
Dies bestätigen in der Zwischenzeit auch mehrere Zeugen, genauso wie die Tatsache, dass sich der Linienrichter bereits in der ersten Halbzeit ein lautstarkes Wortgefecht mit dem Trainer lieferte. „Wir können dieses Urteil nicht nachvollziehen, weil die gemachten Aussagen einfach nicht der Wahrheit entsprechen. Natürlich hat unser Trainerteam Fehler gemacht und diese müssen auch geahndet werden. Aber es ist im Sportforum niemand von den Trainern des 1. FFV gestoßen und/oder als Kasperkopf bezeichnet worden. Ich verstehe, dass man beim NOFV die Schiedsrichter schützen will und daher ihren Darstellungen mehr Glauben schenkt. Aber der Preis ist sehr hoch, wenn diejenigen die sich im Fußball ehrenamtlich engagieren, das Vertrauen in die Schiedsrichter verlieren. Ich war beim Spiel dabei und weiß was ich gesehen habe. Dies passt einfach nicht zu den Aussagen des Assistenten“, erklärt ein verärgerter Präsident. Der Verein hat auf eine Berufung verzichtet und damit das Urteil anerkannt. „Das hat zum einen finanzielle Gründe und zum anderen können wir in der aktuellen Situation nicht auf zu vielen Hochzeiten tanzen. Wir haben im Frauenfußball nicht so viele Schultern, um immer neue Aufgaben zu verteilen bzw. zu meistern. Unser Augenmerk liegt derzeit auf der 1. Mannschaft und die braucht unser aller Unterstützung“, so Anders.

Zelle: Schwierigste Situation in meiner Laufbahn
1. FFV ErfurtGerade in der aktuellen Situation ist für den leidenschaftlichen Trainer Zelle die Sperre für den Spiel- und Trainingsbetrieb kaum zu ertragen. „Ich will der Mannschaft helfen und darf es nicht – es gibt kaum etwas Schlimmeres“, so Zelle. Der 44-Jährige war bisher noch nie beim Sportgericht in Erscheinung getreten. Dies wurde laut Urteil auch in der Strafbemessung berücksichtigt. Die minimale Strafe für eine Tätlichkeit sind drei Monate. „Vor dem Hintergrund, dass die Berührung nicht von besonderer Stärke war und der SR-Assistent keine Verletzungen davon getragen hatte, konnte noch von einem leichteren Fall ausgegangen werden, so dass die Mindeststrafe unterschritten werden konnte“, heißt es im Urteil. Doch versöhnlich stimmt dies im Sportforum niemand. Viel zu groß ist die Enttäuschung bei den Verantwortlichen über die Darstellungen des Linienrichters. „Die aktuelle sportliche Situation verhindert aber, dass wir uns länger damit beschäftigen. Das ist das einzig Positive an der aktuellen Lage. Unser Fokus liegt allein auf dem Spiel der 1. Mannschaft am kommenden Sonntag gegen den HFC. Dort werden sich alle Spielerinnen für den Verein zerreißen, das verspreche ich schon heute“, erklärt Co-Trainer Ronny Wenzel abschließend.

Fotos: Danny N.

> zur turus-Fotostrecke: Frauenfußball / 1. FFV Erfurt

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