Okay viel los aus Sicht der Zuschauerzahl wie man es sieht. Da ist man in Essen ja was ganz anderes gewöhnt. 5.907 sollen es heute im Stadion Essen gegen den Tabellenletzten der Regionalliga West gewesen sein. Ein paar Dauerkartenbesitzer unter den nicht Anwesenden abgezogen, passt. Aber das ist MiMiMi auf hohem Niveau, denn bei der aktuellen Tabellensituation von RWE ist das eigentlich verständlich. Die Saison ist gelaufen und ohne den TV Herkenrath nahe zu treten, der Gegner aus sportlicher Sicht nicht sonderlich attraktiv. Da zog es den einen oder anderen bei frühlingshaften Temperaturen eher in den Biergarten als den Bier-Ausschank auf der West. Aber 5.907 Zuschauer hat auch mancher Drittligist in einer sportlichen Spitzenposition nicht (kleiner Seitenhieb).
Rot-Weiss Essen: Dreier zum Jahresauftakt und auch sonst war einiges los
Ich persönlich hatte tatsächlich heute die „neutrale“ Wahl: Zweite oder vierte Liga. Das spielerisch attraktivere Match (mit Aufstiegskandidat Union Berlin) habe ich sicherlich nicht gesehen, aber getreu dem Motto „support your local team“ wurde ich mit viel Drumherum und dann einen am Ende verdienten Heimdreier belohnt. Spiele an der Hafenstraße lohnen bekanntermaßen immer. Ob ein Derby oder gegen einen „Dorfklub“. Entweder sind sie spielerisch so grausig, dass man sich nur noch besaufen kann oder sie sind so erfrischend und spannend (selten), das man sogar als Fotograf am Rand versucht ist durchzudrehen. Dazu gibt es viele Geschichten drumherum die kaum zu fassen sind, so dass sogar die regionale Sportzeitung in ihrem Online-Auftritt sich manchmal mit gleich mehreren Artikeln zu einem Thema befasst, wie beispielsweise zum Rücktritt von Jürgen Lucas.
So verlässt der RWE-Sportdirektor zum Saisonende den Klub, zumindest in leitender Position (als Fan bleibt er dem Verein treu). Er hat viel für Rot-Weiss Essen geleistet und ging auch dahin wo es brannte, sportlich und wirklich (u.a. in Ahlen als Essener Fans vor drei Jahren ein Pyrofeuerwerk abbrannten). Heute saß er wie immer auf der Bank während sein Sohn auf dem Feld kickte. Von den Rängen gab es zu seiner Entscheidung keine Reaktion, die Essener Fans hatten andere Themen in Vorbereitung.
So gedachten sie zuerst mit einer Choreographie auf der Westtribüne dem vor zwei Jahren verstorbenen Fan Ruhrmichell: "Ohne Dich ist alles doof" stand in großen Buchstaben in der Mitte der Westtribüne und um die Letter herum reihten sich Themen und der Gruppenname zu denen er eine Verbindung hatte und die ohne ihn doof sind: „Wrecking Crew“, „Stauder“, „Cafe Nova“, „Stadion“, „Radio Hafenstraße“, „Schixxen“, Grillen“ und „RWE“.
Zu Spielbeginn zogen die Fans eine Zaunfahne vor die „West“ mit dem Schriftzug „Essen unVerkäuflich pro e.V.“ und zeigten in der ersten Halbzeit zahlreiche Spruchbänder ("100 Prozent RWE / 100 Prozent e.V.. Wir lassen uns nicht verkaufen. Zwischen Kohle und Staub und Bolzplatztoren ist kein Platz für Investoren"), die sich gegen die Ausgliederung des Vereins richteten. Eine entsprechende Initiative hatte sich vor ein paar Tagen gegründet (essen-unverkäuflich.de) und hofft auf eine breite Zustimmung aus der Fanszene. Ein schwieriges Thema vor allem aufgrund der aktuellen sportlichen Situation. Kann eine Ausgliederung Geld und den nötigen Erfolg bringen oder ist ein Investor der Sargnagel des Vereins? Wir bleiben an diesem Thema dran.
Zum Spiel: Beim Hinspiel in Bergisch Gladbach war ich auch vor Ort und titelte später „Essen kann dreckige Siege“. Heute war es fast nicht anders. Damals wie heute traf Enzo Wirtz. Damals dabei heute nicht mehr: Kai Pröger. Der ehemalige Essener Spieler kickt nun in der zweiten Liga für den SC Paderborn und glänzt dort durch Traumtore. Aber auch ohne ihn und Marcel Platzek (verletzt) sowie den verletzten Cedric Harenbrock (für den die RWE-Spieler beim Aufwärmen die Nummer 11 auf der Brust präsentierten) konnte RWE den Dreier einfahren, wenn auch mehr schlecht als recht. Die erste Hälfte wirkte zerfahren gegen eine Mannschaft, die nicht der vom Hinspiel glich. Gleich 17 Spieler wurden ausgetauscht und der Trainer gleich mit. Neu an der Seitenlinie beim TV Herkenrath 09 Giuseppe Brunetto, der scheinbar am liebsten gleich mitspielen wollte so wie er den zulässigen Bereich seiner Coachingzone interpretierte und ausweitete. Teilweise rannte er in der ersten Hälfte am Rand mit seinen Spielern mit, um Ihnen Anweisungen zu geben.
Sie schienen ihn zu verstehen. Wer ein Scheibenschießen erwartete wurde enttäuscht. Der Klub aus Bergisch Gladbach hielt ordentlich dagegen. Sehr zur Freude der mitgereisten 50 Fans. Obwohl von den 50 Anhängern, wahrscheinlich sich nur die Hälfte wirklich für den Klub interessierte, die andere Hälfte waren ein paar „sportlich motivierte“ Jungs mit reichlich per Megaphon verbreiteten Liedgut und Sympathien für einen Klub aus der Domstadt. Dazu hatten sie unnützerweise noch drei Böller im Gepäck die während der ersten Hälfte detonierten.
Mit Pfiffen ging es in die Pause, die neue Anzeigentafel im „alten“ (Retro) Stil stand bei 0:0, aber der Tafeldreher „Lothar Dohr“ („Schreck vom Niederrhein „) durfte dann doch die Anzeigentafel gebührend einweihen und auf der RWE Seite die „Zwei“ reinstecken. Zum 1:0 traf Enzo Wirtz in der 65. Spielminute bevor der Neuzugang (vom SV Meppen) Max Wegner zum 2:0 vollendete.
Aktuell steht Essen auf Platz sechs, Herkenrath bleibt das Schlusslicht und wird den Weg in die Oberliga angehen müssen.
Für RWE folgen zwei Auswärtsspiele bevor es am 15. März zu Hause gegen den SC Verl geht in einer Saison die eigentlich gelaufen ist, bis auf das Pokalhalbfinale gegen den KFC Uerdingen.