Der gestrige denkwürdige Abend begann mit der Überprüfung der Buchsen. „Bitte Hosen einmal hoch!“, befahl der Schiedsrichter des nachzuholenden Berliner Pokalspiels FC Polonia vs. Spandauer FC Veritas. Beim ersten Versuch musste die Partie nach starkem Regenfall abgebrochen werden, da sich in der Mitte des Kunstrasenplatzes eine sich nach oben wölbende Blase gebildet hatte. Das Nachholspiel hatte sein Gutes, denn somit zog es den einen oder anderen neugierigen Neuling auf den Sportplatz an der Ollenhauerstraße. Knapp 100 Schaulustige (unter ihnen einige Jugendspieler des FC Polonia) werden es gewesen sein, die dem mit Spannung erwarteten Pokalspiel beigewohnt haben - und sie alle werden das Kommen nicht bereut haben. Ganz egal, ob das Herz für den FC Polonia schlägt oder ob einfach nur neutral vorbeigeschnuppert wurde.
FC Polonia vs. Spandauer FC Veritas: Das Elfmeterschießen entschieden quasi die Fans
Fußballherz - wat willste mehr?! Flaschenbier aus dem Rucksack, Quatschen mit Kumpels auf den Traversen, leidenschaftlicher Support inkl. wildem Hämmern gegen die alten Plexiglasscheiben der Unterstände, sowie ein ebenso leidenschaftlich geführtes Spiel auf dem Kunstrasen. Für den Aufsteiger in die Kreisliga A war (wie bereits das Nordpokalspiel gegen den Landesligisten Nordberliner SC) das gestrige Pokalspiel gegen den Bezirksligisten ein echter Härtetest für die kommende Kreisliga-Saison, in welcher der FC Polonia Berlin wieder zum Favoritenkreis gehört. Und klar, nicht zuletzt ging es schlichtweg ums Weiterkommen im Berliner Landespokal. Was möglich ist, durfte in der vergangenen Saison bestaunt werden. Der FC Polonia schaffte es bis ins Sechzehntelfinale (3. Hauptrunde) und konnte sich dann über ein Heimspiel gegen Tennis Borussia Berlin freuen.
Wie eingangs erwähnt machte der Schiedsrichter, der bereits öfters in der Berlinliga gepfiffen hatte, gleich zu Beginn eine erste Ansage und überprüfte, was die Spieler unter der Sporthose trugen. Es blieb nicht die letzte Ansage an diesem Abend - und man konnte wirklich heilfroh sein, dass für dieses überaus intensiv geführte Pokalspiel solch ein erfahrener Haudegen hingeschickt wurde. Ein Schiedsrichter, der stets die Ruhe weg hatte und inmitten des Trubels immer den Überblick behielt. Sagen wir es so, vor allem in der zweiten Hälfte der regulären Spielzeit hätte das Ganze durchaus ausufern können. Insbesondere von Veritas-Seite aus wurde diskutiert auf Teufel komm raus, und vor allem die Veritas-Spieler mit den Rückennummern 17 und 20 „spielten sich in die Herzen“ der Polonia-Fans.
Bereits in Hälfte eins ging es sogleich zur Sache. Zunächst jedoch rein sportlich. In der siebten Spielminute konnte Mustafa Karamizrak die Spandauer mit 1:0 in Führung bringen. Polonia ließ sich jedoch nicht beeindrucken und schlug prompt zurück. Nur neun Minuten nach dem Rückstand konnte Lucjan Marek Konopka zum 1:1 ausgleichen. Kurz vor der Linie verstolperte er fast den Ball, konnte ihn dann jedoch noch ins verwaiste Gehäuse bugsieren. Drei Minuten später legte Konopka nach, indem er von schräg rechts einfach mal abzog. Der Ball flog über den Spandauer Keeper hinweg und senkte sich dann ins Tor. 2:1 für Polonia - die für Polonia sympathisierenden Zuschauer standen Kopf. Immer wieder hallte das „W Berlinie tylko Polonia!“ laut über den Platz, immer wieder wurde gegen die Wände des Unterstandes gehämmert.
In der Folgezeit drängte Polonia auf das 3:1 und kam zu guten Möglichkeiten. In der zweiten Hälfte konnte Polonia ebenfalls optische Vorteile verbuchen, doch wurde die Partie zunehmend ruppig und wurde von zahlreichen Diskussionen und Nicklichkeiten geprägt. Einmal platzte dem Schiri Christian Grande fast der Kragen und bat beide Mannschaftskapitäne zu sich heran. Manch ein Zuschauer war eh schon auf 180. Aber noch führte ja Polonia mit 2:1 und die 90. Minute näherte sich mehr und mehr. Als der Sieg bereits in trockenen Tüchern schien, brachte Tayfun Tanrikulu in der Nachspielzeit einen Freistoß links unten unter. Logisch, dass nun die Veritas-Spieler vor Freude außer Rand und Band waren und ausgiebig vor dem Polonia-Fanlager abfeierten.
In der Verlängerung schien bei Polonia ein wenig die Puste auszugehen und Veritas schien dem Siegtreffer näher. Nun wurde auch weitaus disziplinierter gespielt und es kam kaum noch zu Wortgefechten und Diskussionen. Tore wollten jedoch keine mehr fallen. In klarer Unterzahl - in der 86. Minute und in der 110. Minute mussten zwei Polonia-Spieler mit Gelb-Rot vom Platz - rettete sich der FC Polonia Berlin ins Elfmeterschießen. Fans, Betreuer und die Spieler waren zuversichtlich, schließlich stand Adam Szymczyk „Fußballgott“ im Gehäuse. Zudem machten die Fans auf den Traversen nun richtig Remmidemmi, in dem sie lauthals brüllten, pfiffen und versuchten die Veritas-Spieler zu verunsichern. Klar, ein Fußballprofi würde sich von Pfiffen und einem zugebrüllten „Du kannst doch nix!“ wohl kaum beeinflussen lassen, doch sprechen wir hier vom unteren Amateurfußball, bei dem solch ein intensiv geführter Support in der Regel eher die Ausnahme ist. Gut möglich, dass der Lärm den einen oder anderen Veritas-Schützen ein wenig aus dem Konzept brachte. Aber klar, den Hauptverdienst hat natürlich einer: Der Schlussmann des FC Polonia!
Gesagt, getan, gleich den ersten Schuss konnte Polonia-Torwart Adam Szymczyk halten. Marek Klimek machte es indes besser und brachte den Elfer rechts unten platziert unter. Als zweiter Schütze konnte Mert Karagöz für Veritas verwandeln, doch auch Polonia-Spieler Maksymilian Wysokinski traf souverän ins Schwarze. Nun wollte Veritas-Keeper Adnan Soysal Verantwortung übernehmen und trat zum Punkt. Seinen Schuss konnte Adam Szymczyk abwehren, doch da er zu früh die Linie verlassen hatte, musste noch einmal wiederholt werden. Ei der Daus, auch den zweiten Schuss konnte der Schlussmann des FC Polonia halten, lauter Jubel hallte über den Platz. Das dürfte es doch nun gewesen sein. Zwei Schüsse noch rein und fertig! In der Folge konnten beide jeweiligen Schützen treffen, und nun hatte es Steven Florczyk auf dem Fuß. Seinen Schuss konnte der Veritas-Torwart abwehren und es wurde doch noch einmal spannend.
Aber es gab ja den „Fußballgott“ Adam Szymczyk! Auch den Elfer von Tayfun Tanrikulu konnte er halten - der FC Polonia Berlin steht in der nächsten Pokalrunde. Nun gab es kein Halten mehr, und auf dem Rasen bildete sich eine weiß-rote Traube. Mittendrin noch zwei, drei Veritas-Spieler, die noch etwas loswerden wollten. Ganz kurz drohte es noch einmal hektisch zu werden, doch sehr rasch beruhigte sich das Ganze wieder. Später, als die Polonia-Spieler am Eingang noch gemeinsam ein Piwo tranken, gab es doch noch das eine oder andere Shakehands. Ein paar Veritas-Spieler wünschten Polonia sogar noch viel Glück in der nächsten Runde. Und die wird es in sich haben. Gegner am kommenden Sonntag ist der Landesligist SSC Teutonia 99. Man darf gespannt sein. Eines ist sicher, das „W Berlinie tylko Polonia!“ wird wieder unüberhörbar über den Platz hallen. Und nicht vergessen, der FC Polonia Berlin hat noch einen weiteren Fußballgott - und der heißt Michał Wosch...
Fotos: Marco Bertram