Computer heute früh an, mal kurz bei Facebook gekiekt und direkt die Werbung ins Gesicht geklatscht gekriegt: "Deutschland gegen die Niederlande heute um 20:45 Uhr live auf RTL". Ich sach mal so: Anfang der 1990er Jahre hätte ich mich darauf Tage vorher gefreut. Freitagabend: Erst ein schönes Match gegen die „Vla-Produzenten“ vor der Azubi-Wohnheim-Glotze und danach TuttiFrutti mit Herrn Balder. Man hatte ja sonst nix zwischen Fußball-Hoppingreisen in engen viel zu kurzen Jeans quer durch Europa und der täglichen Maloche. Aber nach über zwei Jahrzehnten ehrlichen Live-Fußball und unzähligen Spielen ist das Interesse an einem Match zwischen den Kickern der deutschen Nationalelf und der niederländischen Elftal auf ein Minimum gesunken, weil es viel bessere und emotionalere Möglichkeiten gibt echten und nicht von Marketing durchsetzten hochgestylten Fußball zu erleben, beispielsweise an der Hafenstraße in Essen und besonders heute:
Starke Revanche: RWE schießt Uerdingen locker aus dem Pokal
2. Runde im Niederrheinpokal und direkt ein Knallerspiel. 10.935 Zuschauer wollten sich das ebenso nicht entgehen lassen. Der Titelverteidiger, der KFC Uerdingen aus Liga 3 gab sich die Ehre im Stadion begleitet von gut 1.200 Fans. Hätte man nun auch nicht mit gerechnet, dass direkt in der zweiten Runde ein (vermeintlich) starker Gegner auf Rot-Weiss Essen trifft. Konnte RWE in der ersten Runde noch den SV Genc Osman aus Duisburg locker mit 5:0 heimschicken, warteten nun direkt die ambitionierten Uerdinger. Erst im April trafen sich die Klubs an der gleichen Stelle im gleichen Wettbewerb. Der KFC konnte (wenn auch knapp) mit 2:0 ins Finale des Niederrheinpokals einziehen, welchen der Klub am Ende dann gegen den Wuppertaler SV auch gewann. Lohn der Mühe ein Heimspiel in der ersten DFB Pokalrunde gegen Borussia Dortmund.
Nun also die zweite Runde und es waren nur wenige Minuten gespielt da rieb man sich fragend die Augen: Äh wer war noch mal Drittligist und wer spielt in Liga vier? Der Top-besetzte KFC Uerdingen sah keine Schnitte gegen stark und trickreich aufspielende Essener. Was den Essenern aber fehlte war ein Tor. Die Erlösung für die Heimfans besorgte Oguzhan Kefkir in der 32. Spielminute mit einem wuchtigen Tor. Längst schon Publikumsliebling an der Hafenstraße, fiel sein Jubel verhalten aus. Kein Wunder spielte Kefkir noch vor wenigen Monaten im Dress des Gastes. Insgesamt bestritt er für den KFC Uerdingen 79 Spiele in der Oberliga, Regionalliga und der dritten Liga, schoss 16 Tore und wurde dann aber nicht mehr gebraucht.
Dafür blüht er in Essen derzeit aber richtig auf und lässt die RWE-Fans durchdrehen: Sieben Tore in sieben Spielen ist eine starke Ansage. Wie auch das gesamte Team von Trainer Titz. So ein attraktives Spiel hat die Hafenstraße viele Jahre nicht gesehen. Tricks zur Ballweitergabe, die man nicht mal in der Bundesliga sieht (und sicherlich auch nicht bei der Nationalelf) und starkes Pressing zum Zunge schnalzen. Heute mal wieder eine großartige Mannschaftsleistung und man merkt von Spiel zu Spiel wie eingespielter die Mannschaft wird. Das gibt Hoffnung für den Traum auf Liga 3. Nur an der Verwertung hapert es noch. Das erlösende 2:0 wollte einfach nicht fallen. Zittern und bibbern gehören aber der Vergangenheit an. Konnte vor 1,5 Jahren der KFC nach einer Essener 2:0 Führung noch in der Nachspielzeit ausgleichen, spielt das aktuelle Team ihr Spiel hochprofessionell herunter.
Rot-Weiss Essen agierte heute wie ein Top-Drittligist und ließ Uerdingen (fast) kein Chance. Folgerichtig folgte in der 72. Spielminute das 2:0 durch den stark aufspielenden Joshua Endres, der übrigens auch eine Uerdinger Vergangenheit hat, aber vor allem als Auswechselspieler in der Regionalliga West Saison 2017/2018. Pech für Uerdingen, gut für Essen. Joshua Endres war heute einer der Besten auf dem Feld.
Das 3:0 hing in der Luft, aber dann kam der KFC doch noch zum „Ehrentreffer“ durch Boere, aber auch dieser änderte nichts mehr am Ausgang der Partie. Während die Krefelder Fans völlig bedient ihr Team beschimpften so dass kurz die Polizei zusammenzog, zieht Rot-Weiss Essen ins Achtelfinale des Niederrheinpokals ein (nur noch neun Spiele bis Berlin) und in dieser Form, ist wirklich großes möglich in dieser Saison und die Hafenstraße wird beben, so wie bei jedem Heimspiel in dieser Saison.
Nächste Möglichkeit die Hafenstraße an einem Freitagabend zu erleben ist am 20. September gegen den Bonner SC: Kommt rum!
- Stadion an der Hafenstraße