So eine spektakuläre Fußball-Saison hat die Hafenstraße 97A in Essen seit über einen Jahrzehnt nicht mehr gesehen: Bis zum Ende mit überragenden Spielen die Fans begeistert und auch im DFB Pokal die rot-weissen Herzen höher schlagen lassen. In 40 Spielen der Regionalliga West insgesamt 90 Punkte geholt, zwölf Punkte Vorsprung vor dem Nächstplatzierten dazu seit über einem Jahr zu Hause ungeschlagen. Dafür gibt es, als subjektive Meinung des Autors, nur ein Wort: Wahnsinn!
Rot-Weiss Essen: Starkes Saisonfinale von Fans und Klub
Aufgrund der Corona Pandemie hatten nur wenige Fans das Glück mal ein Spiel der Mannschaft live im Stadion zu verfolgen. Meist blieb nur das über Fernsehen oder Computer gestreamte Match auf dem heimischen Sofa inklusive Hopfenkaltschale zu genießen. Aber die Fans wollten die starke Saisonleistung noch einmal persönlich würdigen und zwar vor dem letzten Saisonspiel beim FC Wegberg Beek: Obwohl die Ordnungskräfte in den Tagen zuvor darauf hinwiesen nicht zum Stadion Essen zu kommen, folgten mehr als 2.000 Fans den Aufruf der aktiven Fanszene zur Verabschiedung der Mannschaft. Mehr als mancher Regionalligist in der Vor-Pandemie Zeit im Schnitt an Zuschauern hat. Auch das Corona-Testzentrum der Johanniter direkt am Stadion sagte rein vorsorglich alle Termine „aufgrund von Feierlichkeiten“ ab und so wurde es eine lautstarke feurige minutenlange Würdigung für das Team im RWE-Mannschaftsbus.
Auf zum FC Wegberg-Beeck: Zu normalen Zeiten hätte das offiziell 2.500 Plätze fassende Waldstadion im niederrheinischen Beeck aus allen Nähten geplatzt, aber was ist schon normal. Trotz sinkender Inzidenz machte der Aufsteiger aus der Mittelrheinliga, der den Klassenerhalt schon frühzeitig fix hatte, klar, dass das Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden werde. Auch wenn die 422 Plätze fassende Sitzplatztribüne gut gefüllt daher kam, durch die Straßensperren der (nicht freundlichen) Polizei weit vor dem Stadion, kamen mit dem Auto nur die Personen mit entsprechender Berechtigung. Aber ein paar Essener Fans hielt das nicht ab, auch nicht die fehlende Sicht auf das Spielfeld durch den extra montierten Sichtschutz: Auto außerhalb der Sperrzone abgestellt und zu Fuß in Richtung Stadion gepilgert.
So waren es zum Anpfiff etwa 20 Fans, die sich vor dem Haupteingang tummelten und die der Essener Daniel Heber gleich in der ersten Spielminute mit einem Tor beglückte. Die sportliche Ausgangslage war klar: Essen musste mindestens mit zwei Toren Abstand gewinnen, während der Konkurrent* verlieren musste. Jubel und Bewegung vor dem Haupteingang. Die Polizei schickte die Fans weg und man schaute etwas ratlos, aber es klärte sich. Auf der anderen Seite des Waldstadions wurde von Ordnern der Sichtschutz entfernt und hinter der Anzeigentafel außerhalb des Stadions sammelten sich die Fans. Auch wenn nicht viel zu sehen war: Respekt, eine tolle Aktion von den Verantwortlichen. Aber damit nicht genug. Plötzlich hörte man nicht mehr nur die Anweisungen der Spieler auf dem Platz, sondern in der Ferne auch Getrommel und Gesang.
Die aktive Fanszene hatte sich auch auf ins beschauliche Beeck gemacht und wurde von der Polizei ebenfalls hinter die Anzeigentafel auf den gesperrten Grenzlandring gebracht. Insgesamt waren es über 250 Fans, die fortan die Mannschaft von draußen (zu Beginn) lautstark unterstützten. Kurz nach dem Eintreffen der Fans am Stadion ging RWE mit 2:0 durch Simon Engelmann (29. Saisontreffer) in Führung, bevor Oğuzhan Kefkir durch ein Revanche-Frustfoul glatt rot sah. Bis dahin hatte Rot-Weiss Essen den FC Wegberg-Beeck total im Griff und nicht wenige rechneten mit einem hohen Sieg. Aber nach der roten Karte, wurde es aber spannender. Die Beecker steckten nicht auf und kamen zu größeren Chancen. RWE dagegen verteidigte sauber und erzielte durch Simon Engelmann eigentlich das 3:0 kurz vor der Pause. Wegen angeblichen Abseits wurde das Tor aber nicht gegeben. Gejubelt wurde hinter der Anzeigentafel trotzdem, denn der Konkurrent* lag zur Halbzeit zurück.
Mit dem Pausentee stand RWE mit einem Bein in der 3. Liga und musste nur sein Spiel nach Hause schaukeln. Auch wenn es zu einem kleinen Kraftakt wurde, schaffte Essen es. Aber trotz der zwischenzeitlichen Hoffnung konnte der Konkurrent* sein Spiel gewinnen und die Saison auch unter großzügige Dehnung der Regeln direkt unter den Augen des Westdeutschen Fußballverbandes (WDFV) für sich entscheiden. Die Enttäuschung bei Team und Fans war und ist groß. Aber keine Zeit für Trauer, sondern einfach #immeRWEiter und im kommenden Jahr neu angreifen, getreu den Liedzeilen „Erfolg ist kein Glück / Das Leben zahlt alles einmal zurück / Es kommt nur ganz darauf an, was du bist / Schatten oder Licht“ von Kontra K. Der Song wird seit einiger Zeit im Stadion Essen vor jedem Spiel gespielt.
Bessere, vor allem filmreifere Worte, lieferte aber gestern der RWE-Trainer Christian Neidhart vor den Fans draußen vor dem Stadion auf der Landstraße. Wie vor einer Schlacht heizte er die Anhänger an: „Auch wir wollen Danke sagen. Es war ein hartes Jahr für uns, ohne Eure Unterstützung, ohne Euch. Aber wir haben Euch gespürt. Wir haben ein geiles Fundament beim Verein und eine sehr gute Saison gespielt. Auf dieses Fundament werden wir aufbauen und gemeinsam unseren Weg gehen.“ Ein Gänsehautmoment, der einen Jubelsturm unter den Anhängern folgen ließ. Die Fans feierten die Mannschaft minutenlang und auch später noch warteten einige hundert Fans auf die Rückkehr der Mannschaft am Stadion Essen, um die sportliche Leistung zu würdigen.
Das war es noch lange nicht, jetzt erst recht.
In diesem Sinne: Adiole!
*Hinweis: Da der Artikel sich ausschließlich im die Würdigung und das Saisonfinale von Rot-Weiss Essen dreht, hat der Name des Konkurrenten in diesem nichts verloren. Das Team des Konkurrenten, das zuletzt auch durch respektlose Auftreten auf sich aufmerksam machte, hat aus subjektiver Sicht des Autors nichts in einer Profiliga zu suchen, sondern gehört mit anderen seiner Art in eine eigene Liga.
Fotos: K. Hoeft, Marco Bertram (letztes)
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Video vom "feurigen" Saisonfinale von Rot-Weiss Essen am gestrigen Samstag (05.06.2021). Mit Bewegtbildern aus Essen und Wegberg-Beeck:
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