Ein Sonntag am westlichen Posener Stadtrand: Visite beim Springreiten und bei GKS Golęczewo

Ein Sonntag am westlichen Posener Stadtrand: Visite beim Springreiten und bei GKS Golęczewo

Das ist das Gute an der Daten-Sammelmaschine, die mit F beginnt: Die Vereine kümmern sich intensiver um diese Accounts als um ihre richtigen Internetauftritte. Neue Infos können auch schnell über die Kommentare verbreitet werden. So klappte mir der Unterkiefer herunter, als mein anvisiertes Testspiel kurzfristig verlegt wurde. Daher stellte ich ganz schnell meine Planung um, da mit GKS Golęczewo ein anderer Verein den Umgang mit dem Datenkraken ebenso gut beherrscht. Somit änderte sich auch der Ablaufplan des heutigen Sonntags – erst Springreiten, dann Fußball.

Aus meiner Brandenburger Heimat war mir schon bekannt, dass so manch Dorf einen attraktiven Reitplatz zu bieten hat, viel attraktiver als der lokale Sportplatz. Klar, Poznań ist kein Dorf, nur ist es auch für solch einen Ort keine Selbstverständlichkeit, ein attraktives Reitstadion zu besitzen. Aber in Poznań haben wir eins.



Am Saisonende kamen viele Groundhopper nach Polen. Aber anstatt den 1000. Ground zu kreuzen, der nur aus ein paar Stufen besteht könnte man doch auch mal solch ein Stadion in den Plan einbauen. Aber ihr wisst ja, wie die meisten dieser Kandidaten ticken. Nur mal so eine Anmerkung am Rande: Neulich konnte ich beobachten, wie ein deutscher Hopper während des Aufwärmprogramms in den 16er des Platzes lief, um eine Aufnahme der Tribüne zu bekommen, welche er auch locker aus anderer Position hätte ablichten können. Nun gut. Zum Glück spielen die anderen europäischen Ligen wieder, weshalb solche Erscheinungen hoffentlich wieder rarer werden.

Jedenfalls wollte ich mal ein Turnier in diesem Objekt sehen. Viele andere Spiele wären möglich gewesen, aber die Wahl fiel auf diesen Ort, da hier nur begrenzt im Jahr geritten wird. Und wenn dann einem der Duft vom alten Holz der Tribüne in die Nase kriecht, weiß man, dass man alles richtig gemacht hat. Das Hipodrom Wola wurde zwischen 1908 und 1910 angelegt. Sogar Marschall Piłsudski war einst hier Stammgast. Von drei Tribünen stehen nur noch die große Haupttribüne und noch ein Stumpf auf dem Trainingsplatz.



Seit morgens um 9:30 Uhr wurde über Hindernisse gesprungen, ich wählte die zwei letzten Wettbewerbe in den höheren Klassen. Mit 30 Zuschauern war die Kulisse ziemlich mau. Gelegentlich finden hier aber auch Turniere mit fünfstelliger Siegersumme statt, weshalb ich vermute, dass dort der Zuspruch schon höher sein wird. Für die kleine Zahl hat sich auch kein großes Imbissangebot gelohnt, weshalb nur Eis und Gofry (belegte Waffeln) angeboten wurden, was viele veranlasste, sich Pizza liefern zu lassen. Was dann doch etwas verstörend war, war die Tatsache, dass keine offene Toilette gefunden werden konnte.



Und weiter ging es nach Golęczewo, wo die Toilette auch für Gäste zur Verfügung stand. Der Ort war mir nur durch die preußischen Musterbauten bekannt. Ziemlich erstaunt war ich, als mir dort mal plötzlich ein Fußballplatz über den Weg lief. GKS wurde erst 1997 gegründet und hielt sich bisher in den untersten Niederungen auf. Spannend ist die Ähnlichkeit des GKS-Wappens mit dem des VfL Bochum. Vielleicht hatte der UEFA-Cup-Auftritt des VfL die Inspiration dafür gegeben. Trabzonspor und Brügge – die zwei Gegner weiß ich noch aus dem Stegreif. Mit Ajax Amsterdam hatten die Bochumer dann damals ihren Meister gefunden. Ich kenne viele Vereinswappen, die auf diese Weise entstanden sind. Ich würde fast meine Hand dafür ins Feuer legen, dass es bei GKS auch einst so war. Gut, ich hätte auch gleich nachfragen können. Zu schüchtern…



GKS lud die Fußballschule aus Luboń ein. Ob von dieser auch schon Stars entsprangen, konnte mir die Internetseite nicht verraten. Jedenfalls verschliefen die Hoffnungsträger der Zukunft den Beginn gewaltig. Zuerst knallte GKS den Ball aus 30 m ins Netz, danach gab der Torwart nochmals eine schlechte Figur ab, sodass einer seiner Kollegen im Smalltalk mit mir ordentlich genervt lästerte.



Wer ist das? Plötzlich tauchen zwei Jugendliche auf. Deutsche Hopper? Rucksack, kein Wort, nur auf das Smartphone schauend. Könnte sein. Dann entwichen ihnen doch ein paar Worte, und ich konnte sie den Einheimischen zuordnen. Der eine verschwand, der andere starrte unentwegt auf sein Mobilgerät. Wozu dann zum Sportplatz kommen? Da war selbst die Dame im hellbraunen Mantel interessierter am Spiel, nach dem sie die etwas in die Jahre gekommenen Bänke getestet hatte. Die hatte Nerven! Allerdings ohne einen einzigen Sympathisanten glich die Schule noch vor der Pause aus. Erste Aktion in Hälfte 2 und schon stand es 3:2. Der Uhrzeiger zog auf 17:00, und das bedeutet am 1. August in Polen Stillstand für eine Minute als Gedenken an den Warschauer Aufstand. Im letzten Jahr erhoben sich bei meinem Spiel in Golina alle Zuschauer und die Spieler standen still. Die geputzte Feuerwehr ließ das Blaulicht leuchten und die Sirene klingen. Und heute? Nichts, absolut nichts. Das war dann eine größere Überraschung als das Drehen des Spiels – am Ende 3:5 für Luboń.

Fotos: Michael

Artikel wurde veröffentlicht am
03 August 2021

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