Mal sehen, was geht! - Pobiedziska lädt zum Derby gegen Mieszko Gniezno

Mal sehen, was geht! - Pobiedziska lädt zum Derby gegen Mieszko Gniezno

In Wielkopolskie wurde anno 2006 einmal eine Junioren-EM ausgetragen, wobei für mich damals Grodzisk Wielkopolskie heraussprang. Mittlerweile habe ich die Standorte von damals fast komplett. Als scheinbar unerreichbar erwies sich bei dieser Mission bisher der Platz in Pobieziska. Vier fantechnisch interessante Spiele waren in dieser Saison zu erwarten. Nielba spielte hier schon in der Hinrunde der Wielkopolskie-Liga, Górnik Konin stand erst vor ein paar Tagen im überdachten Gästeblock. Das Derby gegen Mieszko Gniezno und das Spiel gegen Obra Kościan blieben mir. Gegen Obra wird es wahrscheinlich sportlich eher irrelevant werden und somit nur Standard-Support geben, gut möglich unter zahlreicher Unterstützung von Start Gniezno. Also wählte ich die Wundertüte „Derby gegen Mieszko Gniezno“. 

Mieszko, als Spitzenreiter vor dem Spieltag, hat Ambitionen, in die 4. Liga aufzusteigen. Das wollen Unia Swarzędz, Kotwica Kórnik und Nielba Wągrowiec auch. Alles schön eng an der Spitze und alle Vereine sind professionell aufgestellt. Natürlich alle aus dem Umland von Poznań. Pobiedziska wollte im Derby Mieszko natürlich ordentlich die Suppe versalzen.

 

Das Wetter zwar nicht prickelnd, aber was soll's… Eine kleine Fahrt mit dem Zug stand an. Bei den Ticketpreisen muss man nicht groß überlegen. Der Bahnsteig voll, der Zug voll. Was denn hier los? Lech Sektion Wilda war übrigens sehr aktiv. Auf der kurzen Strecke gibt es am alten Lech-Stadion mittlerweile zwei nette Wandbilder zu sehen. Dann war der Hauptbahnhof erreicht. Unvorstellbar, wie sich hier alles verändert hat. Das glitzernde Einkaufszentrum lockt ideal zum Totschlagen der Wartezeit. Früher wurden hier Minuten zu Stunden.

 

Das heutige Bild des Bahnhofs bestimmen die Farben Blau und Gelb und unzählige Flüchtlinge aus der Ukraine. 1 % alte Männer, der Rest Frauen mit Kindern. In der Hand manchmal nur eine Tüte. Die Gesichter allesamt ziemlich stark von den Geschehnissen gezeichnet. Die Hilfe, zu großen Teilen aus dem privaten Bereich stammend, ist enorm. Ein paar polnische Organisationen waren erkennbar, und zu meiner Überraschung waren auch vier Leute der Zeugen Jehovas anwesend. Die genaue Funktion war für Außenstehende nicht ersichtlich. Sie trugen Erkennungs-Schilder in den Händen. Auf irgendeine Art werden sie sich wohl auch hier einbringen, sonst würden sie vermutlich hier nicht stehen. Die Feuerwehr hat Zelte aufgebaut, sonst gibt es Versorgungsstände mit den nötigsten Sachen.

Bisher hatte ich schon so ziemlich alle Bahnsteige von Poznań durch, so meinte ich. Aber wo ist 1a? Nur noch 5 Minuten auf der Uhr. Im Gewühl traf ich einen Schaffner, der mich aufklärte. Wie eine Kompassnadel zeigte sein Arm in Richtung „ehemaliger Kaiserbahnhof“ (zu Ehren Wilhelms II.), heute Sommerbahnhof genannt. Festveranstaltungen gibt es hier aber nur im Dezember. Klingt komisch, aber es ist so. Im Gedenken an den Großpolenaufstand startet das Bengalo-Spiel an dieser Stelle. Einmal hatte ich es mitgemacht. Ziemlich eindrucksvoll.

Voll war auch der Zug nach Toruń. „Ist hier noch frei?“ Mit knirschenden Zähnen räumte eine Frau ihren Klimbim von einem der Sitze. Ein Mann, offensichtlich von der Arbeit kommend und das Wort Feierabend sehr ernst nehmend, ging mit einer anderen Strategie ins Spiel, um sich eine Fahrt ohne Sitznachbarn zu ermöglichen. Scheinbar hatte er eine oder mehrere Flaschen Wodka getankt, weshalb das Abteil nun eher wie eine Brennerei duftete. Die Gesichter der Fahrgäste wechselten in nur einer Sekunde von angepisst auf angewidert. Na mal sehen, was hier noch geht! Wenige Meter waren erst getuckert, da stand der erste aus dem Viererabteil schon auf. Ihm gegenüber nun ein junger gestylter Typ aus Westpommern mit breitem Grinsegesicht und erstaunlicher Gesprächigkeit. Sie quatschten sogar ziemlich nett miteinander. Mein Vierer wurde nun auch komplettiert. Ein Familienvater mit einem Geschenk für seinen Sohn  setzte sich zu uns. 

Dann konnte die Show beginnen. 10 Minuten waren wir unterwegs, da rief ihn der Sprössling an. Auf der anderen Seite startete unser aller Freund ebenfalls ein Gespräch und warf mit Schimpfwörtern um sich wie die Jecken die Bonbons beim Kölner Karneval. Vaddern hatte nun genug und rief zur Mäßigung auf. Das missfiel dem Meister des klaren Wassers. Salven an Beleidigungen knallten nun an Vaters Kopf. Der mahnte nun mit dem Schaffner. Davon wurde sein Kontrahent nur noch mehr angestachelt und drohte mit Schlägen. Vater warnte ausdrücklich vor jeder Berührung. Am Ende bat er den stinkenden Herren um Ruhe, da er einen schweren Tag gehabt hätte und entschuldigte sich mit den Worten: „Fassen Sie es bitte nicht als Beleidigung auf, aber ich möchte jetzt schlafen.“ Die Sonnenbrille aufgesetzt und Ende im Gelände. Der Freund des Wodkas mampfte weiter seine Chips. So vergingen die Minuten bis nach Pobiedziska wie im Fluge.

 

Organisatorisch wäre aus Sicht der Sicherheitskräfte alles perfekt, um hier höherklassigen Fußball austragen zu können, denn zum Stadion läuft man ganze 5 Minuten. 10 zł mit Dach, 7 zł ohne. Fair. Sehr breit gefächert ist zudem das Fanartikelsortiment. Das schaffen nicht mal höherklassige Vereine! Als dann noch ein Vereinslied abgespielt wurde, was ich noch nicht kannte, war ich schon zufrieden. Dazu hat man hier noch eine perfekte Sicht auf den angrenzenden Badesee. Pobiedziska und Umgebung sind bei den Einheimischen im Sommer sehr beliebt. Da sieht es hier aus wie an der Ostsee. Die Mannschaften laufen auf, aber alles ist irgendwie zu ruhig. 

 

Mit etwas Verspätung trudeln dann 11 Gästefans mit zwei Fahnen ein und bieten mir eine Unterstützungsart wie in den 90ern an. So richtig Szalikowcy-Stimmung. Kurze Gesänge, mehr Schlachtrufe, viele mit Schals. Mieszko ist hinter Start die Nummer 2 der Stadt. Zwischen den Start-Fans vom Speedway und Mieszko rumpelte es sogar schon. „Eine Stadt, ein Verein“ heißt das Motto in vielen polnischen Städten. Die Heimseite mit 10 Picknick-Fans zeigt eine Blockfahne, ein Banner und etwas Glitzer-Konfetti. Hin und wieder konnte man sogar etwas hören. Was will man mehr? Auf dem Platz ging es ruppig zu, so wie es sich für ein Derby gehört. Viele Chancen auf beiden Seiten. Ein Konter führt dann zur überraschenden Führung und dem Tor des Monats vor ca. 200 Zuschauern. Ein schöner Lupfer war`s!

 

Bei der Halbzeittombola hatte ich leider kein Glück, und die Gutscheine wanderten in andere Hände. Hälfte II war ebenso kurzweilig. Als Mieszko sich nun in der Schlussphase doch noch mehr öffnen musste, nutzte Huragan eine Chance in der 82. Minute zur Entscheidung. In der Nachspielzeit wurde die Vertretung der ersten Hauptstadt Polens dann noch durch einen dritten Gegentreffer gedemütigt. Die Niederlage zu hoch, aber der Einsatz hat gepasst, weshalb der Anhang von Mieszko die Spieler auch abklatschte. Eine nette Wertschätzung! Mal sehen, wie die Saison verläuft. Im letzten Spiel müssen sie gegen Nielba ran. Das wird dann vielleicht ein packendes Finale, oder auch nur ein lahmer Sommerkick…

Fotos: Michael

Artikel wurde veröffentlicht am
29 März 2022

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