Was ein 3. Liga Spiel zwischen dem SV Waldhof Mannheim und Rot-Weiss Essen im altehrwürdigen Carl-Benz-Stadion in Mannheim. Keine Frage, die 8.910 Zuschauer, darunter 2.000 Gästefans, kamen voll auf ihre Kosten. Mit Anpfiff ging die wilde Achterbahnfahrt der beiden Traditionsvereine, angetrieben von ihren Fans, sofort los. Kein Abtasten, kein gemütlicher Spielaufbau. Nein, es ging direkt zur Sache.
Rot-Weiss Essen: RWE gewinnt hitziges Spiel bei Waldhof Mannheim
Die Mannheimer Fans hatten gerade ihr imposantes Intro aus Fahnenbahnen und Vereinsnahmen auf der „Otto Siffling Tribüne“ eingerollt, da lag der Ball schon im eigenen Tor. Schock und Pfiffe. Was zuerst wie ein Foul des Esseners Stürmers Ron Berlinski aussah, war keines, auch wenn die Waldhof-Spieler dies dem am Anfang leicht überforderten Schiedsrichter Assad Nouhoum weismachen wollten, indem sie massiv auf ihn einwirkten. Nach einem hohen Ball von RWE in Richtung Strafraum in der fünften Spielminute fing Mannheims Torwart Morten Behrens den Ball, rauschte aber direkt mit seinem Teamkollegen Gerrit Gohlke zusammen und ließ den Ball fallen. Der direkt daneben stehende Ron Berlinski tat das, was ein Stürmer tun muss und versenkte das Spielgerät in den Maschen.
Die Mannheimer waren aufgebracht, wobei wahrscheinlich ein Großteil auf den Rängen dachte, Berlinski wäre am Zusammenstoß beteiligt. War er aber nicht. Das Tor war regelkonform. Sicherlich schlägt man in anderen Spielsituationen den Ball bei einem Zusammenprall mit Beteiligung des Torwarts ins Aus. Hier musste der Stürmer aber innerhalb von einer Sekunde auf die andere entscheiden, sah nur den freien Ball in Richtung Tor kullern und tat das Richtige. Großer Jubel über die schnelle Führung beim Essener Anhang und auch beim Torschützen. Dieser wurde aber dann unterbrochen, denn der Mannheim Kapitän Marcel Seegert schubste Berlinski von hinten rustikal um und das gleich zweimal direkt vor den Augen des Linienrichters. Berlinski aber ganz sportlich stand immer direkt wieder auf, nicht wie andere Spieler, die sich nach solch einer Attacke auf dem Boden gekrümmt hätten.
Aber alle erwarteten nun trotzdem aufgrund dieser doppelten eindeutigen Tätlichkeit die rote Karte für Marcel Seegert. Aber nix da. Assad Nouhoum beließ es bei der gelben Karte. Eine klare Fehlentscheidung und viel Unverständnis vor allem beim Essener Anhang. Sie erinnerten sich an die vergangene Woche, als RWE-Spieler Andreas Wiegel gegen Dynamo Dresden mit glatt Rot vom Platz musste, als er nach einem Foul im Fallen mit einem Arm vermeintlich einen Dresdener Spieler traf. Dagegen war die Aktion von Seegert noch eindeutiger und hätte eigentlich geahndet werden müssen. Aber bei seinem erst dritten Einsatz in der dritten Liga wollte Herr Assad Nouhoum anscheinend nicht über die Stränge schlagen, fand aber so auch nicht das richtige Mittelmaß: Denn während es für eine klare Tätlichkeit von Seegert nur die gelbe Karte gab, erhielt der Essener Isaiah Young in der zehnten Minute für einen harmlosen Einsatz bei einem Zweikampf dieselbe Karte was ihn natürlich im weiteren Spielverkauf (unter anderem beim Gegentor) etwas behinderte.
Keine Zeit sich aufzuregen: Essen machte das Spiel und Waldhof Mannheim rannte nur hinterher. In der zwölften Spielminute klingelte es nach einem katastrophalen Rückpass durch Gerrit Gohlke wieder im Kasten der Mannheimer und wieder war es Ron Berlinski. Diesmal ließen ihn die „Buwen“ vom Waldhof beim Jubeln auf den Beinen. Ungläubige Gesichter auf den Rängen. Mannheim hat in dieser Saison eigentlich noch nicht zu Hause verloren und alles andere als der Aufstieg in die 2. Bundesliga wird vom Ex-Essener Trainer Christian Neidhart nicht erwartet. Gestern wurden sie aber in den ersten 32 Spielminuten komplett von Essen überrascht und hätten sich nicht beschweren dürfen nach 18 Minuten nur noch zu neunt auf dem Platz zu stehen. Denn nach dem nicht gegebenen Platzverweis in der fünften Minute konnten sich die Mannheimer auch in der 18. Minute beim Schiedsrichter bedanken, dass er für eine weitere Tätlichkeit Dominik Martinovic nicht vom Platz stellte.
Essen drückte und die Mannheimer Fans zogen die Fahnenbahnen aus der Choreo wieder über den Block, unter denen dann kurz danach einige SVW-Anhänger vermummt zum Vorschein kamen. Eine Drohgebärde Richtung eigenes Team und man konnte sich fast denken was passiert wäre, wenn der dritte Treffer für RWE gefallen wäre. Essen war tatsächlich nah dran und hatte gleich zwei große Chancen, den Spielstand zu erhöhen. Übrigens der letzte Heimsieg von Waldhof Mannheim gegen Rot-Weiss Essen ist fast 40 Jahre her (wenn die Statistiken stimmen). Am 7. Mai 1983 gab es ein 3:1 vor 9.000 Zuschauern, damals in der 2. Bundesliga. Oft haben die beiden Klubs auch nicht gegeneinander gespielt. Das letzte Aufeinandertreffen ist nun auch schon zwölf Jahre her, da beide Klubs in die Niederungen des Amateurfußballs abstürzten.
Während RWE auf das dritte Tor ging, konnte der Waldhof in HZ1 kaum überzeugen. Erst eine verunglückte Essener Ecke in der 32. Spielminute machten die „Buwen“ stark. Mannheims Spieler Marten Winkler bekam den Ball uns setzte zu einem spektakulären Turbolauf über fast das ganze Spielfeld an und konnte auch den eigentlich pfeilschnellen (und mit einer gelben Karte vorbelasteten) Isaiah Young abschütteln. Am Ende legte er quer auf den mitgelaufenen Dominik Martinovic, der, obwohl er schon längst unter der Dusche mit einer roten Karte (Tätlichkeit) hätte sein müssen, locker zum 1:2 Anschluss einnetzte. Nun wurden die Mannheimer Fans wieder munter und auch der Capo heizte die blau-schwarzen Anhänger über die Stadionlautsprecher wieder ein. Kurz vor der Pause wiederholtes Kartenglück für Mannheim. Bei einer Einwurf-Situation wurde Ron Berlinski dermaßen hart von Mannheimern provoziert und attackiert, so dass auch hier eigentlich ein Platzverweis für blau-schwarz fällig gewesen wäre.
In der zweiten Hälfte konzentrierte sich der Waldhof zunächst erstmal auf das Fußball spielen, entriss sich der spielerischen Lethargie der ersten Hälfte und übernahm die Spielkontrolle, während Rot-Weiss Essen sich aufs Verteidigen mit wenigen Kontern beschränkte. RWE wartete auf Fehler der Mannheimer, die nun aber seltener auftraten. Es wurde ein knackiges und vor allem hochspannendes Spiel, indem vor allem am Ende der Essener Torhüter Jakob Golz (unter den Augen seines Vaters Richard Golz auf der Tribüne) RWE mit zahlreichen Glanzparaden im Spiel hielt.
Zu Recht wurde er nach Spielende von den Gästefans gefeiert. Essen wehrte die wütenden Angriffe der Mannheimer erfolgreich ab und wäre fast noch zum sicherlich vorentscheidenden 1:3 gekommen, aber erst vergab Aurel Loubongo nachdem er Julian Riedel den Ball abluchste, dann Felix Bastians, der daraufhin noch eine gelbe Karte kassierte weil er eine Ecke vom Schiedsrichter forderte.
Eine kleinliche Entscheidung im Gegensatz zu den vorherigen des Unparteiischen. Es sollte nicht die letzte Karte des Spiels bleiben. Zwei gab es dann noch. Darunter eine aus der Kategorie „Karma“: In der Nachspielzeit mitten in den Angriffsversuchen der Mannheimer provozierte der Essener Björn Rother den Mannheimer Kapitän Marcel Seegert, der den RWE-Spieler leicht mit der Schulter touchierte. Rother ging theatralisch zu Boden. Klar eine etwas unsportliche Show vom Essener Spieler, aber auch gut gepokert. Denn Schiedsrichter Assad Nouhoum gab beiden Kontrahenten die gelbe Karte. Für Rother war es die Fünfte und er fehlt im nächsten Spiel. Seegert dagegen musste direkt mit gelb-rot vom Platz. Ein Platzverweis der ganz klar 85. Spielminuten zu spät kam. Kurz danach war Schluss. Rot-Weiss Essen gewinnt beim SV Waldhof Mannheim mit 2:1. Ein aufregendes und vor allem hitziges Spiel über das Ende hinaus: So ging es kurz nach Abpfiff auf dem Rasen nochmal etwas zur Sache. Hauptakteure des Zwists: „Pokerspieler“ Björn Rother der sich ausgelassen über den Sieg freute und der schon ausgewechselte und an beiden Gegentreffer beteiligte frustrierte Mannheimer Spieler Gerrit Gohlke.
Der Aufruhr und die Rudelbildung auf dem Rasen übertrugen sich auf die Ränge und so öffnete sich kurz das Tor zum Innenraum auf der „Otto Siffling Tribüne“ dem Heimbereich der aktiven Mannheimer Fanszene. Geschwind waren aber Polizeikräfte in Vollmontur auf dem Rasen, so dass sich der Mannheimer Anhang zurückzog. Etwas später versuchte die sportliche Fraktion draußen vor dem Stadion auf Höhe des Gästeparkplatzes und des Rhein-Neckar Stadions (VfR Mannheim) zwischen Reiterstaffel und Sixpacks die Essener Fans zu "verabschieden". Die RWE-Anhänger hatten zuvor ausgiebig das eigene Team für die ausgezeichnete Leistung gefeiert.
Auch Allesfahrer und RWE-Kultfan „Glockenhorst“ rollte mit seinem Rollstuhl von der Haupttribünenseite an den Gästeblock heran. Da es keine andere Möglichkeit gab nutzte er den direkten Weg über das Spielfeld und ließ sich vom Anhang feiern. Auf dem Rückweg stellte sich ihm und seinem Betreuer ein Mannheimer Chef-Ordner in den Weg und kündigte in einem sehr unfreundlichen und bestimmten Ton „Konsequenzen“ für diese Aktion an. Die Reaktion des Ordners war eindeutig übertrieben, zumal nichts beschädigt wurde und auf dem Rasen ansonsten sicherlich auch andere Gerätschaften fahren.
Fazit: Nach dem Liga-Fehlstart rangiert Rot-Weiss Essen nun auf einem Mittelfeldplatz mit einem schon guten Abstand zu den Abstiegsplätzen. Unter der Woche wartet im Niederrheinpokal ein Lokalderby gegen ETB Schwarz Weiß Essen im Uhlenkrugstadion, bevor es in der Liga am 29. Oktober gegen den FSV Zwickau geht …
Fotos: Alle Fotos Bildagentur frontalvision.com
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