35 Jahre Ultras Rapid - im Kalten Krieg ins Leben gerufen

Der Song „Always on my mind“ von den Pet Shop Boys war in den deutschen Single-Charts auf Rang eins zu finden, verbleites Normalbenzin war in der BRD ab sofort verboten, in der Volksrepublik Polen wurden die Lebensmittelpreise drastisch erhöht (was zu zahlreichen Protesten führte), die BILD kostete 50 Pfennige und der Autobahn-Mörder aus Ludwigshafen (die 5. Frau wurde in einer Plastiktüte gefunden) war das Titelthema, der FC 08 Homburg und der SV Waldhof Mannheim spielten in der 1. Bundesliga, der BFC Dynamo war auf dem Weg zu seinem zehnten Meistertitel in Folge, der SK Rapid (Wien) hatte die Hauptrunde mit Rang eins angeschlossen und wurde am Ende zum 29. Mal österreichischer Meister (insgesamt sind es jetzt 32 Meistertitel) und mein kleines Brüderchen feierte seinen 1. Geburtstag. Die Rede ist vom 01. Februar 1988. Der Tag, an dem die Ultras Rapid ins Leben gerufen worden.

Februar 1988. Noch war an den Mauerfall nicht zu denken - der kalte Krieg bestimmte Europa und auch das globale Geschehen. In den österreichischen Charts löste der Song „Wonderful Life“ von „Black“ den absoluten Renner „Küss’ die Hand, schöne Frau“ der österreichischen Band „Erste Allgemeine Verunsicherung“ (EAV) ab. „Dideldum didieldei, ist da noch ein Platzerl frei? So allein, schöne Frau? Mei san ihre Augen blau! Tirili, irgendwie, tirilo, kenn' ich Sie von irgendwo. …“, hieß es im Lied von EAV. Austropop vom Feinsten, und auch bei uns in der Zone wurde auf dem Pausenhof der Polytechnischen Oberschule dieses Liedchen geträllert. „Küss' die Hand schöne Frau! Ihre Augen sind so blau! …“

Und wenn wir schon bei Österreich sind, so sollte auch Falco erwähnt werden, dessen Album „Wiener Blut“ im Jahr 1988 auf den Markt kam. Apropos Blut. Sehr heißblütig ging es bereits damals in der Fankurve des SK Rapid zu. Als „Ultras Rapid Block West“ wurde am besagten 01. Februar 1988 eine der ältesten europäischen Ultra-Gruppierungen ins Leben gerufen, und fortan löste das südländische Fanmodell jenes der früheren deutschen und englischen Fankulturen als bestimmendes Vorbild ab. So setzten die Ultras Rapid bereits 1991 die ersten Choreographien um - weit vor der Zeit, in der Choreographien und Doppelhalter in deutschen Fankurven flächendeckend Einzug hielten. Aus einstigen „Plattenbuben“, „Vereinstiger“, „Schlurfs“ und „Halbstarken“ wurden nun Ultras, die seit nun mehr 35 Jahren von sich Reden machen. Dank der Freundschaften zu Venezia Mestre, Gate 13 Panathinaikos und den Ultras Nürnberg sind die Ultras Rapid in allen Belangen bestens aufgestellt, was am vergangenen Wochenende wieder einmal mit großen Augen bestaunt werden durfte.

Was die Choreographien und Aktionen der Anfangszeit betrifft, so lohnt ein Blick ins Bildarchiv der offiziellen Seite der Ultras Rapid. Zurück geht es bis ins Jahr 1995, so können unter anderen die Fotos vom Derby gegen den FK Austria am 28. Mai 1995 im Gerhard Hanappi Stadion betrachtet werden. Lange Folienbahnen in der nicht überdachten Kurve zu Fuße der monströsen Anzeigetafel - man könnte der Meinung sein, die Bilder seien irgendwann in den 80ern oder frühen 90er in Italien oder Argentinien entstanden.

Beim Auswärtsspiel beim FK Austria (Memphis) im Ernst-Happel-Stadion am 23. März 1995 wurden indes die Bomberjacken auf Orange gedreht und hunderte weiße und grüne Zettel hochgehalten. Beim Derby am 16. Oktober 1999 ließ man einen grün-weißen Pacman durch die Kurve wandern, der sich schließlich die Viola schnappte. „Game over“, hieß es dann in aufgemalter Digitalschrift.

„Under Construction“, hieß es am 13. Juli 2005 gegen den SK Sturm Graz. Das Motto der damaligen Choreo: „Österreichischer Rekordmeister“. Und in der Tat holte Rapid 2005 den vorerst vorletzten Meistertitel seiner Vereinsgeschichte. Nach 2005 gelang es dann nur noch 2008 den Meistertitel einzufahren. Immer meisterlicher wurden indes von Jahr zu Jahr die Choreographien, und der i-Punkt wurde beim vergangenen Heimspiel gegen Sturm Graz gesetzt. Sechs Choreographien und drei Pyro-Aktionen gab es zur Thematik „35 Jahre Ultras Rapid“ zu sehen.

Das Motto des Ganzen lautete: „35 Jahre Ultras Rapid – Ein Kunstwerk gezeichnet aus der Feder des Indianers“. Vorhang auf! „35 JAHRE“ war in fetten Lettern zu lesen. Ein geniales volles Programm gab es zu sehen. Choreos aus alten Zeiten in Schwarz-Weiß, die Sehenswürdigkeiten der Stadt Wien, Ein „UR“ aus Papptafeln, eine „35“ aus übergezogenen Ponchos, ein weiterer Vorhang im Stil von Clockwork Orange, und zum Einläuten der berühmten Rapid-Viertelstunde wurden auf der gesamten Tribüne zahlreiche Fackeln angezündet. Ein Feuerwerk hinter dem Block West untermalte das farbenfrohe Szenario. 

Kurzum: Das war wahrlich eine echte Hausnummer. Passend dazu gab es auch einen Doppelhalter zu lesen: „NUR WIR VERTRETEN WIEN!“. Zwei weitere Botschaften lauteten: „In Salzburg nur die Austria“ und „Auf Sturm wird gschissen!“. Das 1:1 auf dem Rasen gegen Sturm Graz wurde an diesem Tag ein wenig Beiwerk, in der Tabelle ist Rapid derzeit auf Rang sieben zu finden.

Fotos: Unterwegs in Sachen Fußball / UiSF, P. Schoedler, Claude Rapp

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