„Ihr fahrt nach Wuppertal, Ihr fahrt nach Wuppertal, Ihr fahrt, Ihr fahrt, Ihr fahrt nach Wuppertal“, schallte es aus über 5.000 Kehlen von der Südtribüne des Duisburger Stadions. Sekunden zuvor pure Ekstase beim rot-weissen Anhang. Siegtreffer in der dritten Spielminute der Nachspielzeit, obwohl kurz zuvor der MSV Duisburg noch den Ausgleichtreffer erzielte. Was für ein Stich für die Fans der Zebrafans, was für eine Genugtuung für die RWE-Fans. Der erste Derbysieg nach 40 Jahren an der Wedau und alle lagen sich in den Armen. Was ein riesiges Paket an Emotionen inklusive Freudentränen und Gänsehaut.
Duisburg gegen Essen: RWE-Ekstase nach krassem Finish im Derby
Dabei waren die sportlichen Vorzeichen auch schon vor dem Spiel klar. Der MSV Duisburg aktuell Tabellenletzter der 3. Liga von den meisten eigenen Fans schon in die Regionalliga abgeschrieben. Dagegen Rot-Weiss Essen mit zwei Siegen in Folge (Borussia Dortmund II, 1. FC Saarbrücken) im Gepäck immer noch etwas vorsichtig optimistisch. Wie im Vorjahr gab es von Duisburg großzügig 5.000 Gästekarten, die innerhalb weniger Tage dann auch in Essen ausverkauft wurden. Auf der anderen Seite wogen die teilweise katastrophalen Auftritte schon schwer, so dass einige MSV-Fans dem Derby fern bleiben.
Trotzdem: 25.845 Zuschauer sind eine Top-Kulisse, die mit einem Choreo-Intro (vierter Teil einer über mehrere Spiele verteilten Choreographie) „Mein Herz schlägt für dich Spielverein“ der MSV-Ultras startete. Kurz zuvor hatte bereits die Essener Fanszene ein Spruchband mit dem Titel „Euer Herz wird heut‘ gebrochen sein, wir scheißen auf den Spielverein“ gezeigt, womit der Inhalt der Choreo schon vorweggenommen wurde. Auch sonst war recht viel Wandtapete auf Essener Seite zu sehen bzw. zu lesen („Ober-, Unter-, Abstiegsrang - In Duisburg ziehen Fans und Mannschaft stets an einem Strang!“).
Apropos Ober- und Unterrang: Die Essener Fans reisten unter dem Motto „Alle in schwarz“ an die Wedau und ließen es gesanglich knallen. Bengalos, Blinker und Rauch blieben zu Hause. Mit Fahnen, Trommeln und der eigenen Stimme wurde der Gästeblock gerockt. Antrieb gab auch das Spiel der Essener. Schon in der dritten Spielminute lief der Essener Isaiah Young alleine auf das Duisburger Tor zu und versuchte sich alleine gegen den gut reagierenden MSV-Schlussmann Vincent Müller. Das 1:0 hätte den Zebras schon früh den sprichwörtlichen „Stecker“ gezogen, aber Müller rettete in aller höchster Not wie auch eine halbe Stunde später gegen Lucas Brumme, der versuchte den Keeper zu tunneln.
In der ersten Hälfte war RWE das agilere Team, während der MSV sich etwas schüchtern auf dem Feld versteckte. Aber auf beiden Seiten war die Nervosität groß, einen früh entscheidenden Fehler zu machen. Mit einem 0:0 ging es in die Pause, und aus dieser kam der MSV wie verwandelt. Das merkte auch das Publikum, das vorher kaum zu hören war. Auf einmal rollte der Zebraexpress durch das Stadion und die Zuschauer honorierten es mit Anfeuerungsrufen. Um die 50. Spielminute herum kamen die Duisburger zu fünf guten Chancen auf die Führung, die RWE-Schlussmann Jakob Golz teilweise spektakulär vereitelte. Die Führung fiel dann aber auf der anderen Seite mit einem sehenswerten Treffer durch Marvin Obuz mit einem Schlenzer ins Duisburger Herz. Ekstase Stufe 1 im Gästeblock.
Frust beim Heimpublikum und die Duisburger Spieler antworteten mit wütenden aber harmlosen Angriffen. Essen ließ den Ball gut zirkulieren, kam aber kaum bis in die Endzone. Die Minuten rannten davon. Sechs Minuten Nachspielzeit waren angezeigt, da lag der Ball auf einmal im Essener Tor. Nach einer Hereingabe des vom Duisburger Robin Müller wollte Vinko Sapina kläre, fälschte den Ball aber unhaltbar ins eigene Tor ab. Ekstase Stufe 1 im Heimbereich.
Angetrieben von den eigenen Fans spielte der MSV auf den Sieg und fast wäre der Doppelschlag geglückt: Benjamin Girth prüfte Jakob Golz aus nächster Nähe, der aber mit einem starken Reflex den Führungstreffer verhinderte. Vorbei? Nein. Das Derby hatte noch den finalen Höhepunkt. Nur eine Minute nach verpassten Duisburger Führung flankte Felix Götze in den Strafraum. Dort stand Mustafa Kourouma goldrichtig und köpfte wie schon in Dortmund den Ball in die Maschen. Ekstase Stufe 3 im Gästeblock.
Was für ein Finish, was für ein emotionales Derby am Ende. Für Essen der dritte Sieg in Folge und aktuell Platz 4 in der Liga (21 Punkte). Während 14 Punkte dahinter der MSV mit gerade einmal sieben Zählen auf dem letzten Tabellenplatz den Klassenerhalt weiter aus den Augen verliert. Auch wenn die MSV Fans in den Foren ihren Klub abschreiben, noch sind 25 Spieltage zu spielen und Fahrten nach „Wuppertal“ noch weit entfernt. Alles noch drin und auch wenn viele RWE Fans, auch aufgrund der schmerzhaften Vergangenheit, dem MSV gerne einmal ein paar Jahre das über die „Dörfer“ tingeln' in der Regionalliga gönnen würden: So ein Derby ist immer noch tausend Mal „geiler“ als Spiele gegen Freiburg II.
Fotos: Jawattdenn / frontalvision.com
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