Als der DFB-Vizepräsident am 01. Juni 2024 die Kugel des FC Sankt Pauli aus dem Lostopf zog, begannen die sozialen Medien direkt zu brennen. Während man sich auf Seiten des HFC durchaus zufrieden geben konnte, machte sich bei den Hamburgern doch ein wenig schlechte Stimmung breit. Zu unterschiedlich sind die Denkweisen beider Fanlager. Zusätzlich zur politischen Einstellung gab es trotz der großen sportlichen Unterschiede bereits im vergangenen Jahr ein Aufeinandertreffen beider Vereine.
Hallescher FC vs. FC St. Pauli: Zum Pokalwunder fehlten nur Sekunden!
Dieses wurde allerdings nicht auf dem grünen Rasen, sondern auf grauem Raststättenboden ausgetragen. Ein Fanbus der Hamburger hatte sich nach der Auswärtspartie bei Hertha BSC das Ziel Leipzig gesetzt und offenbar nicht damit gerechnet, dass sich eben jenem Rasthof auch ein Fanbus der Hallenser näherte.
Diese hatten bereits eine sehr lange Reise hinter sich und griffen nach kurzem Geplänkel just diesen Fanbus samt Insassen an. Laut Angaben des FC Sankt Pauli wurden drei Personen dabei verletzt. Die HFC-Fankurve bekannte sich in ihrem Spieltagsheft zu diesem Vorfall und wählte folgende Worte: „Als ob es nicht schon genug zu erzählen gab, erblickte man beim Einfahren auf einem weiteren Rastplatz tatsächlich einen anderen Reisebus, der diesmal augenscheinlich nicht unserer Mannschaft und anderen HFC-Fans gehörte. Also fix raus und nachgefragt. Seitens unseres Gegenübers wurde man daraufhin herzlichst mit Getränken der Sorte ‚Flugbier‘ empfangen, was von unserer Seite natürlich mit ein paar dicken Drückern wertgeschätzt wurde. Nachdem man sich anständig gute Nacht gesagt hatte, sollten die letzten Kilometer hoffentlich ereignislos bleiben.“
Auch wenn es sich bei den Insassen des Hamburger Busses offensichtlich nicht um Personen aus der aktiven Fanszene handelte, so sorgte auch dieser Vorfall für einigen Wirbel, der wohl für weiteren Zunder bei der Austragung des Pokalspieles sorgen könnte.
Sportlich gesehen könnten die Vorzeichen allerdings nicht krasser auseinandergehen. Zwar haben die Händelstädter bereits drei Pflichtspiele auf dem Buckel und treten mit einem Erfolgserlebnis aus Erfurt gegen die Braun-Weißen an, allerdings trennen beide Vereine mittlerweile ganze drei Ligen.
Erstmals in der Geschichte der neu gegründeten dritten Liga musste der HFC den Abstieg in die vierte Liga verdauen, während der Kiezklub erstmals seit 2013 wieder erstklassig an den Start gehen wird. So ist es auch wenig verwunderlich, dass beide Mannschaften noch nie in einem Pflichtspiel aufeinandertrafen.
Einzig und allein die Zweitvertretung des FCSP durfte schon vier Punktspiele gegen den Club auf Sachsen-Anhalt bestreiten. Zu Buche stehen zwei Remis, sowie zwei Siege für den HFC. Am 6. Mai 2012 sorgten Marco Hartmann, Dennis Mast, Angelo Hauk (2x) und Telmo Teixero-Rebelo für einen ungefährdeten 5:0-Kantersieg im Kurt-Wabbel-Stadion und ließen die knapp 13.000 Zuschauer weiterhin in Aufstiegseuphorie verfallen.
Der Club aus Halle stieg als Meister in die dritte Liga auf, ließ Holstein Kiel und RB Leipzig direkt hinter sich und platzierte sich gar siebzehn Plätze vor dem großen Konkurrenten aus Magdeburg, die relativ abgeschlagen den letzten Platz der alten Regionalliga Nord belegten.
Schon im Laufe der Woche vermeldete der Gastgeber in den sozialen Medien "Ausverkauftes Haus". Wenig überraschend. Genauer gesagt bedeutet das eine runde Zahl von 14.000 Zuschauern, davon exakt 1.411 aus Hamburg. Ebenso wenig überraschend forderte die Hallenser Fanszene das Tragen roter Shirts. Die "Pokalfighter"-Shirts sind mittlerweile schon Tradition und gehen gefühlt schon in die 27. Auflage.
Die Fankurve des HFC läutete das Spiel mit einer feurigen Choreographie ein. Startschuss war wie so oft eine Rakete, in den Eckblöcken wurde mit rotem Rauch das Stadion eingenebelt und in der Mitte des Sektors wurde ein Retro-Trikot der Händelstädter präsentiert. "Anpfiff, Angriff" lautete das Motto.
Das Motto nahm sich die Mannschaft in rot und weiß sehr zu Herzen und startete ebenso feurig in die Partie. Dank eines krassen Torwartfehlers und starken Nachsetzen des viel kritisierten Akono ging der Gastgeber nach wenigen Minuten bereits in Führung und ließ das Stadion beben.
Die Gästekurve aus Pauli verzichtete zu Beginn auf choreographische Elemente und präsentierte ein "Free Lina"-Banner. Ohne Politik geht’s beim Kiezverein halt nicht. Umrandet wurde das Ganze von "Nazischweine“-Sprechchören und einigen Vermummungen. Halle reagierte gelassen und erwachsen, ließ sich von den Provokationen nicht beeindrucken und zog seinen eigenen Stiefel munter durch.
Ebenso erwachsen auch das Auftreten der eigenen Elf. Bis zum Halbzeitpfiff fand Sankt Pauli kaum Möglichkeiten mal bis in den Strafraum durchzudringen und hatte nur einzelne Halbchancen, die allesamt von Keeper Müller pariert werden konnten. Die beste Möglichkeit hatte gar der Gastgeber durch einen Schlenzer von der Strafraumgrenze, abgegeben von "US-Boy" Richardson.
Pünktlich zu Beginn der zweiten Halbzeit folgte ein Intro im Gästeblock. Braun und weiße Fahnen schwenkten empor, in der Mitte der berüchtigte Totenkopf. Es ist davon auszugehen, dass der Großteil der anwesenden Hamburger den Ausgleichstreffer durch Johannes Eggestein nicht gesehen haben dürfte.
In der ersten kleineren Verschnaufpause nutzte erneut Akono eine Unachtsamkeit in der Hamburger Defensive, machte ein paar Meter und spielte den perfekten Steilpass auf Niklas Hauptmann, der am langen Pfosten hineinrauschte und den Ball zur erneuten Führung ins braun-weiße Herz schob. Zum zweiten Mal ertönte die neue(?) Torhymne des HFC.
Das eventuell erwartete Verbrennen von Vereinsmaterialien der Gäste blieb am heutigen Tage allerdings aus. In der heimischen Fankurven wurden lediglich eine Fahne und mehrere Schals, darunter auch etliche von Werder Bremen, präsentiert.
In einer ziemlich ereignisarmen Verlängerung entpuppte sich der Gast allerdings erneut als "Partycrasher" und versetzte den Hallenser den nächsten Nackenschlag. Ein Nackenschlag von dem sich der HFC, zumindest ergebnistechnisch, nicht mehr erholen sollte. Das Pokalwunder blieb somit aus. Der FC Sankt Pauli quält sich in die zweite Pokalrunde und darf somit weiter von Berlin träumen.
Bericht & Fotos: Max W.
- Leuna-Chemie-Stadion