Die Amsterdam ArenA ist mit 53.052 Sitzplätzen das größte Stadion der Niederlande und war Austragungsort des Europa League Finales 2013. Der Koloss ist unterkellert mit Parkhäusern und sogar einer Autobahn. Wo am Freitag noch 51.445 Zuschauer den 3:0 Ajax-Auftaktsieg gegen Roda Kerkrade bejubelten, kommt die Lautstärke heute vorrangig aus den Lautsprechern. Fußball wird aber auch gespielt: die zweite Liga beginnt ebenfalls an diesem Wochenende und in dieser Saison mit einem Novum: die zweiten Mannschaften von Ajax Amsterdam, Twente Enschede und des PSV Eindhoven spielen erstmalig mit.
Jong Ajax Amsterdam vs. SC Telstar: Eerste Divisie nun auch mit Reserveteams
Für manchen in Deutschland sind die Reserven schon in Liga drei bzw. überhaupt im regulären Spielbetrieb zu viel, umso schlimmer wäre also die Vorstellung, auch noch in Liga 2 Reserveteams zu sehen. Doch unsere 2. Bundesliga ist im europäischen Vergleich bekanntlich wirtschaftlich sehr stark und erfreut sich zudem eines hohen Zuschauerzuspruchs. In der letzten Saison sahen hierzulande im Schnitt 17.239 Personen ein Zweitligaspiel, das ist nur knapp hinter England (17.493) aber weit vor Frankreich (7.012), Spanien (6.756) oder Italien (4.443).
In der niederländischen zweiten Liga (Eerste Divisie) waren es sogar nur 3.603 Zuschauer. Die Liga ist auch insgesamt recht strukturschwach: in der letzten Saison meldeten zwei Teams im Frühjahr Insolvenz an, zudem verzichtete der VV Katwijk, Tabellenerster der Topklasse Zaterdag (3. Liga), auf den Aufstieg. Daher ist die Ergänzung um die drei Reservemannschaften eher als Aufwertung zu verstehen. Zudem stieg der Erste der Topklasse Zondag auf, damit erreicht die Eerste Divisie wieder ihre frühere Stärke von 20 Teams.
Die Reserveteams spielten bisher ausschließlich in einer eigenen Reserveliga (Beloften Eredivisie), jetzt können sich die Nachwuchskicker auf dem Weg ins Profigeschäft unter ganz anderen Bedingungen messen. Von Aufstieg und Pokalteilnahme sind sie jedoch ausgeschlossen, zudem müssen die Spieler (drei Feldspieler und ein Torwart ausgenommen) unter 23 Jahre alt sein und dürfen noch keine 15 Spiele im Profiteam absolviert haben.
Und so blicken wir also gespannt in die Amsterdam ArenA, in der die „Jong Ajax“ heute ihren Zweitligastart feiern. Normalerweise ist die Heimstätte der Nachwuchskicker der benachbarte Sportpark de Toekomst, doch der wird noch für die zweite Liga umgebaut und wird dann nur für 2.000 Zuschauer zugelassen sein (trotz Kapazität von 5.000). In Liga 2 sind nämlich wie auch in der Eredivisie nur Sitzplätze gestattet. Daher spielen die Jungs heute sowie zukünftig bei Spielen mit erhöhter Sicherheitsstufe schon mal dort, wo sie hoffen bald auch in Liga 1 vor vollen Rängen aufzulaufen.
Apropos Sicherheit: der Spielplan in dieser bisher recht beschaulichen Liga musste auch aus dieser Perspektive erstellt werden und verzögerte sich dadurch ein wenig. Schließlich treten da plötzlich mit den Fan-Gruppen von Ajax und Co. mögliche Konflikte auf, die in Anbetracht von personalisierten Tickets (Club Card) in Liga eins mittlerweile eingedämmt wurden. Daher (allerdings auch aus organisatorischen Gründen) wohl auch der Anpfiff bei Jong Twente und Jong Ajax am heutigen Montag um 20 Uhr, ein Termin den sich die Fans der Reserveteams schon einmal vormerken können, denn auch in Zukunft werden diese Spiele vor allem zu diesem Zeitpunkt stattfinden. Der heutige Gegner Telstar ist in Velsen ansässig, und damit nur 32 Kilometer nördlich von der Amsterdam Arena. Telstar ist aber weder für eine aktive Szene, noch für einen großen Anhang bekannt.
Heute verloren sich immerhin etwa 100 Fans der Kategorie Family & Friends hinter einem der Tore der Arena. Für den Heimanhang war der Unterrang der Gegengerade geöffnet und füllte sich beachtlich – 7.064 Zuschauer wurden am Ende gezählt, darunter viele Kinder, die für einen symbolischen Euro Einlass erhielten. Angesichts der Sommerferien also eine ideale Gelegenheit für einen Familienausflug, was sich auch an der Stimmung zeigte. Das Spiel wurde hauptsächlich von viel Gemurmel begleitet, ab und an gab es kurze zarte Sprechchöre von kleinen Gruppen beider Seiten. Lauter wurde es stets, wenn der Telstar-Torwart zum Abstoß antrat: dann baute sich langsam eine Geräuschkulisse auf und explodierte schließlich, als aus 7.000 Kehlen das Wort… "Pizza!" erschallte. Niederländischer Humor – der Keeper war etwas kräftiger gebaut. Dieser spontane Spottruf wurde von den Telstar-Fans dann auch prompt kopiert, aber das Plagiat aus 100-Kehlen kam offensichtlich nicht an das Original heran.
Laut wurde es zudem noch einmal kurz vor und kurz nach der Pause, als Lucas Andersen für Ajax traf (39. und 49. Minute). Dabei blieb es dann auch und das nicht unverdient: Die jungen Amsterdamer gingen von Beginn an forsch, technisch beschlagen aber taktisch diszipliniert zur Sache und prüften "Pizza" mehrere Male. Am Ende verwalteten sie geschickt und vergaben sogar noch fahrlässig mehrere gute Möglichkeiten. Telstar kam zwar auch zu einigen Gelegenheiten, konnte das Spiel aber nicht an sich reißen. Am Ende also eine kleine Machtdemonstration der Jugend. Zeitgleich gewann auch Jong Twente sein erstes Spiel mit 3:0 gegen den FC Oss (1.419 Zuschauer) und der PSV holte zuvor immerhin ein 2:2 beim Vorjahres-Dritten Sparta Rotterdam (6.624 Zuschauer). Die zweiten Mannschaften konnten am ersten Spieltag also bereits sportlich überzeugen, Ajax auch zuschauertechnisch.
Diese Besucherzahl wird sich vermutlich noch nach unten einpendeln, in der letzten Saison kamen nur einige hundert Zuschauer zu den Heimspielen der Jong Ajax; und in der Schulzeit wird es mit dem entspannten Familienausflug am Montagabend auch nicht klappen, zudem soll ja vorrangig das erste Team unterstützt werden. Es sind noch weitere acht Spiele in der ArenA fest geplant, die anderen beiden Reserveteams spielen standardmäßig in den Stadien der ersten Mannschaften. Wer also gerade ein Spiel erwischt, kann sich von Stadion und erfrischendem Fußball begeistern lassen – sollte jedoch auch keine hohen Erwartungen an die Stimmung stellen. Aber das trifft ja auch auf manches niederländische erste bzw. Erstligateam zu.
Fotos: Marco Bertram (Venlo), Felix Natschinski