Wenn man als Berliner das Stadion An der Alten Försterei bereits seit gefühlter Ewigkeit kennt, schleicht sich sicherlich beim Gang zum Heimspiel Routine ein und man achtet nicht mehr auf kleine Details. Logisch, das Spiel auf dem Rasen befindet sich im Fokus, dazu sicherlich das Fangeschehen auf den Rängen. Doch wie fühlt es sich an, wenn man als weit angereister Gast das Stadion betritt und das Zweitligaduell vom Gästeblock aus betrachtet? Wie sind der Einlass, die Gastronomie, die Sicht und die Gesamtsituation im durchaus geräumigen Gästebereich der Alten Försterei? Eines jedoch vorneweg. Am Freitagabend waren nicht die Dynamo Dresden oder Energie Cottbus, sondern die Kleeblätter der SpVgg Greuther Fürth zu Gast. Somit verlief sicherlich alles um einiges entspannter als bei einem der brisanten Nordost-Duelle.
1. FC Union Berlin vs. SpVgg Greuther Fürth: Spannendes Torfestival aus Gästesicht
Wer nicht mit dem Reisebus oder dem eigenen PKW anreiste, musste etwas mehr Zeit einplanen. Der Grund: Aufgrund von Baumaßnahmen in Schöneweide fuhren keine Straßenbahnen, sondern nur Schienensatzverkehr-Busse. Da diese an der Ecke Edisonstraße in die andere – sprich ungewohnte Richtung – fuhren, konnte man als Auswärtiger durchaus ein wenig ins Trudeln kommen. Hatte man jedoch erst einmal die Haltestelle An der Alten Försterei erreicht, konnte der gemütliche Abend beginnen. Da in Fürth direkt rund 300 Tickets im Vorverkauf weggingen und aus Berlin und Umgebung rund 200 bis 300 Exil-Franken, Groundhopper und Allesgucker zu erwarten waren, war die Einlasssituation am separaten Gästezugang überaus problemlos. Somit konnte sich an der nahen Tankstelle noch ein Bierchen gekauft und auf der Wuhle-Brücke geschlürft werden. Manch ein Gästefan aus Aue, Hamburg oder Bochum kam während der letzten Monate ins Staunen beim Anblick des Preisschildes „49 Cent“. Das Fabrikat, das angeblich mit Windenergie gebraut wird, stammt aus dem Westfälischen, gilt nicht wirklich als große Marke, ist jedoch im Rahmen eines Fußballausfluges durchaus genießbar.
Weiter geht´s! Ab in den Köpenicker Fußballtempel! 11 Euro für ein Gästeticket. Auch hierbei dürfte kaum ein fränkischer Fußballfreund gemeckert haben. Fairer Preis – und zudem eine freundliche Einlasskontrolle, mit der man leben kann. Pipi im Container und dann die Treppe hoch zum großen Gästeblock, in dem sich eine eher kleine Reisegruppe wie die aus Fürth fast verliert. Der harte Kern von rund 60 Fans hatte sich zentral postiert und sich bereits lange vor Anpfiff eingerichtet. Mit Klebeband wurden Banner und Fahnen befestigt. Weiter unten ein echter Blickfang. Grün auf weiß auf altem Stoff: SPVGG FÜRTH. Ein gutes Stück aus alten Tagen. So hübsch anzusehen, dass sogleich die kleine mitgebrachte Kamera gezückt wurde. Schräg im Anschnitt, im Hintergrund die sich einstimmende Fürther Truppe. Ehe man sich versah, sprangen zwei Jungs herbei. Bitte keine Fotos! Kann man albern finden, sollte man jedoch akzeptieren. Ihr Terrain, ihr Gästeblock, ihre Regeln. Zu Zeiten der Komplettüberwachung durch Kameras und Zivilpolizisten ist der Argwohn von Seiten der Ultras durchaus verständlich.
Von Beginn an legten 40 bis 50 Fürther mächtig los und verbreiteten überraschend gute Stimmung. Begleitet von einigen Fahnen und fast nonstop erklingenden Trommelwirbeln, die an den musikalischen Umzug beim Karneval der Kulturen der Welt erinnerten. „Allez, allez... Forza Kleeblatt, olé...“ Die meisten Gesänge und Anfeuerungsrufe drehten sich meist um das „Kleeblatt“. Eher selten ertönte ein „Fürth“. Von „Greuth“ war erwartungsgemäß schon mal gar nix zu vernehmen. Zu Beginn des Spiels konnte die Choreographie der Waldseite bestaunt werden. Oben am Dach und unten am Zaun zwei riesige Spruchbänder: „Für Köpenick und den Verein...“, „... Die Fahnen weh´n in unseren Reihen!“ Dazu das Köpenicker Wappen und das Vereinsemblem. In der Mitte zahlreiche kleine weiße und rote Fahnen sowie ein überdimensionaler Union-Fan, der kraftvoll eine Fahne schwenkt. Nett anzusehen, doch aus Sicht zahlreicher Anhänger von Hertha BSC ein Stück weit abgekupfert.
Und auf dem Rasen? Fürth zeigte sich – wie so häufig bei den Auftritten bei den Eisernen – in überaus guter Verfassung. Der Tabellenzweite, der in der zurückliegenden Saison das Abenteuer 1. Bundesliga erleben durfte, spielte flott mit und brachte die Hausherren immer wieder in Schwierigkeiten. Doch dieses Mal hätte es durchaus anders werden können. Mal kein 0:4 gegen den Angstgegner aus dem Frankenland. Nach etwas über einer Viertelstunde konnte Köhler den Tabellenführer mit 1:0 in Front bringen. Jubel, Trubel, Heiterkeit bei den Eisernen. Sogar die Haupttribüne stand Kopf. Fürth ließ sich indes nicht beeindrucken. Bereits neun Minuten später fast der Ausgleich. Allein die Latte verhinderte, dass es nun 1:1 stand. „Oh Scheiße, Cruzifix!“, rief ein Fürther Fans und zerrte enttäuscht am Wellenbrecher.
Die Berliner hätten indes nach dem Pausentee den Sack so gut wie zumachen können. In der 52. Spielminute hatte Torsten Mattuschka das 2:0 auf den Fuß, machte das Ding jedoch nicht klar. Gut möglich, dass dies der Knackpunkt der Partie war. Fürth kam immer besser ins Spiel, Union hatte nicht das richtige Rezept parat. Unfassbar, wie abgeklärt die Fürther auf fremden Platz Konter fuhren und Goran Sukalo zum Ausgleich bzw. Tom Weilandt abschließen konnten. Nur kurze Zeit später konnte Zoltan Stieber auf 3:1 aus Sicht der Kleeblätter erhöhen. Das gegrillte Steak für gastfreundliche 2,50 Euro schmeckte den Franken nun noch besser. Nur zu klar, dass die Euphorie beim grün-weißen Anhang außerordentlich groß war. Wer jedoch dachte, im Zuge der Partystimmung mal rasch mit dem Smartphone ein Erinnerungsfoto vom hüpfenden Mob zu knipsen, wurde von achtsamen Aktiven ermahnt. Der hofeigene Fotograf der Fürther Ultras hatte alles im Blick, alles im Griff und meckerte sogar mit einem Mädel, welches kaum die Welt verstand.
Nicht ganz im Griff hatten sich einige Heimzuschauer, die auf gut Deutsch gesagt auf den Becherpfand pfiffen und die Plastik-Trinkbehälter lieber auf das Spielfeld schleuderten. So geschehen beim 1:3. Eine erste Ermahnung des Stadionsprechers, die allerdings wenig Wirkung zeigte. Etwas überraschend der 2:3-Anschlusstreffer in der 86. Minute, erzielt von Simon Terodde. Als Union nun noch einmal Morgenluft witterte, machte Fürth gekonnt die Sache dingfest. 4:2 und ausgelassener Jubel vor der Gegengerade nahe der Eckfahne. Was nun folgte, war ein regelrechter Bierbecher-Regen. Lange nicht mehr gesehen in solch einer Intensität! Das erinnerte doch glatt an die 90er Jahre, als man seinen Becher schon mal schmerzfrei auf den Rasen pfefferte. Damals interessierte dies jedoch kaum jemanden. Kein Wunder, bestanden diese aus dünnem Plastik. Die harten Pfandbecher der Gegenwart sind da schon eine andere Nummer. „Meine Fresse!“, entfuhr es Stadionsprecher Christian Arbeit. „Das gehört nicht auf den Fußballplatz!“
Während die Heimzuschauer sich maßlos über die erneute Niederlage gegen die SpVgg Greuther Fürth ärgerten, wussten die Gästefans den Sieg und den daraus resultierenden Sprung an die Tabellenspitze zu feiern. Nach der Party wurde eingepackt. Die aktive Szene verließ geschlossen den Gästeblock und marschierte mit Polizeibegleitung zu den Bussen auf dem nahen Parkplatz. Einzelne Fürther und Exil-Franken schauten indes noch einmal an der besagten Tankstelle vorbei. Noch ein Bier und dann zu Fuß zum S-Bahnhof Köpenick. Doch Vorsicht war geboten! Der eine oder andere Unioner hatte wirklich Wut im Bauch und suchte Stress mit verirrten Franken oder neutral aussehenden Fußballfreunden. Bauchgefühl und Fingerspitzengefühl waren gefragt. Abstecher durch die dunklen Köpenicker Nebenstraßen waren an diesem Abend eher nicht ratsam. Hinein in den Schienenersatzverkehr-Bus und auf direktem Wege ab nach Hause!
Fotos: Felix Natschinski, Marco Bertram