Djurgardens IF (DIF) gegen AIK Solna gilt als eines der größten Derbys im skandinavischen Raum. Sowohl der gastgebende Verein Djurgardens IF als auch AIK Solna wurden 1891 gegründet und zählen zu den ältesten Clubs Schwedens. Über die Jahre gepflegte Rivalität speist sich vor allem daraus, dass DIF als Verein der Bessergestellten gilt und sich AIK als Arbeiterverein konstituierte.
Erstes Heimderby nach 21 Jahren: Djugardens IF gegen AIK Solna
Dieses Spiel sollte ein ganz besonderes werden, was weniger an der sportlichen Situation beider Teams lag, sondern an den historischen Rahmenbedingungen. Es war das erste Heimspiel von Djurgardens IF gegen den verhassten Rivalen AIK Solna seit 21 Jahren! In den Jahren davor mussten Spiele der beiden Vereine aus Kapazitätsgründen immer im Heimstadion von AIK – dem altehrwürdigen Råsunda (u.a. Finalstadion des WM-Finals 1958) ausgetragen werden.
Viel hat sich in den vergangenen Monaten bezüglich Stadionneubau in Schwedens Hauptstadt getan. Die Friends Arena ersetzte im Stadtteil Solna das Råsunda, welches abgerissen werden musste. Fortan trägt neben der schwedischen Nationalmannschaft auch AIK seine Heimspiele im ca. 51000 Zuschauer fassenden Stadion aus. Die deutsche Nationalmannschaft gibt sich in der EM-Qualifikation am 15. Oktober die Ehre.
Djurgårdens hingegen zog Anfang Juli gemeinsam mit einem weiteren Stadtrivalen – Hammarby IF – in die ca. 30000 Zuschauer fassende Tele2 Arena. Das angestammte und denkmalgeschützte Olympiastadion reichte vor allem aus Kapazitätsgründen nicht mehr aus. Konsequenzen dieses umstrittenen Umzugs zweier Vereine, die eine tiefgreifende Antipathie pflegen und nun gemeinsam in einem Stadion spielen müssen, ließen nicht lange auf sich warten. Die aus dem Arbeiterviertel Södermalm stammenden Hammarby Anhänger sorgen Ende Juni für einen Eklat. Drei Tage vor einem Benefizspiel mit Djurgården Legenden wurde vor der Tele2 Arena ein Paket mit der Aufschrift ,,Bomb“ gefunden – laut Polizeiangaben tatsächlich scharf! Das Spiel wurde abgesagt, stattdessen verlor Hamarby eine Woche später das Einweihungsspiel gegen Orgryte.
Trotzdessen der Anstoß auf 19:05 Uhr an einem Donnerstagabend gelegt wurde, waren schon am frühen Nachittag erste Fans beider Vereine im Stockholmer Stadtbild anzutreffen. Die aktive Fanszene von AIK rief einen gemeinsamen Treffpunkt auf dem ca. drei Kilometer entfernten und zuweilen sehr belebten Medborgarplatsen aus. Nach reichlich Einstimmung machte sich zwei Stunden vor dem Spiel ein ungefähr 2000 Mann starker und recht beeindruckender AIK-Mob unter der pyrotechnischen Begleitung auf zum Gästeblock. Auch der Anzug tragende und mitlaufende AIK-Clubvorsitzende Johan Strömberg beruhigte den Chorteo zeitweise in vorderster Front. Die Polizei agierte zunächst defensiv, dennoch kam es schlussendlich in der Nähe des Stadions zu zeitweise größeren Auseinandersetzungen. Einige Verletzte und Festnahmen waren die Folge. Vergleichsweise ruhig ging es auf der Djurgårdens Seite zu. Versammelt wurde sich vor der neuen Heimstätte, einzig erwähnt werden müssen kleine Gerangel am Einlass, was wiederum Pfeffer und Schlagstock nach sich zog.
Die von außen der Verkleidung geschuldet, einige Ähnlichkeit mit der Allianz Arena besitzende Multifunktionsarena, machte von innen einen sehr sterilen Eindruck. Neben Fußball finden hier unter anderem auch Motorsportevents und Konzerte statt. Assoziationen mit Charme und Tradition sind bei der von einigen Einheimischen betitelten ,,Plastik-Arena“ fehl am Platz. Insgesamt 10 Pubs, ein verschließbares Dach und WIFI im gesamten Rund sind deutliche Indikatoren des so gern bezeichneten modernen Fußballs. DIF's Marketingchef Daniel Malmgren ließ Anfang September verlauten, dass es die Prtie angesichts des frühzeitigen Ausverkaufs mit mehr als 3 Wochen vor dem eigentlichen Kick-Off mit allen hitzigen Partien in der ganzen Welt aufnehmen kann. Dies nahmen sich beide Kurven vor Anpfiff doch sehr zu Herzen, sehr beeindruckende Pyroaktionen mit den unterschiedlichsten Stilmitteln ließen einige geniale Bilder entstehen!
Doch nicht nur die beiden aktiven Fanszenen ließes es krachen, auf dem Kunstrasen entwickelte sich von Beginn an eine packende Begegnung. Mit einem Kopfball in der 6. Minute eröffnete Djurgårdens Andreas Johansson den Torreigen. Das Stadion stand Kopf. AIK Solna, das sich vor dem Spieltag noch Hoffnungen auf das Erreichen der ersten 3 Plätze machte, welche zur Teilnahme an den internationalen Wettbewerben berechtigen, glich bereits in der 11. Minute durch Bahooi aus.
Die knapp 6000 Gästefans unter den insgesamt 27000 Zuschauern nun kollektiv am Ausrasten, weiterer Rauch stieg neben Bengalen im Stockholmer Nachthimmel empor. Die 27. Minute ist aus Sicht der AIK-Fans eine ganz Besondere: Symbolfigur, Keeper und Kapitän Ivan Turina verstarb plötzlich und unerwartet im Frühling dieses Jahres und versetze die Fans des Solnaer Vereins in einen Schockzustand. Aber nicht nur AIK-Fans, sogar Djurgårdens und Hammarby Fans nahmen bewegend Abschied von der einstweiligen Ikone und Leitfigur. Seit dem ist die 27. Minute in Gedenken an Turina gewidmet. Fast schon symbolträchtig, dass Henok Goitom in genau dieser den Führungstreffer für die Gelb-Schwarzen aus Solna erzielte. Gänsehautatmosphäre, als die Gästefans Turinas Namen nach dem Tor emotional Lobpreisten.
Jedoch ließen sich auf die Djurgårdens Anhänger nicht lumpen und drückten ihr Team ungeachtet des Rückstandes weiter lautstark nach vorne, zeitweise zog der gesamte Heimanhang hüpfend mit. Kurz vor der Halbzeit erhielten sie den Lohn für die Unterstützung. Jawo erzielte mit einem Lupfer gekonnt das 2:2. Wiederum kollektive Jubelarien. Halbzeit zwei begann erneut mit Bengalos und massivem schwarzen Rauch auf AIK Seite. Den Spieler versetzte dies jedoch keine brennenden Sohlen. Der rassige und hitzige Spielverlauf aus der ersten Halbzeit konnte sich in den zweiten 45 Minuten nicht fortsetzen. Mittelfeldaktionen zwischen dem Zehntplatzierten DIF und dem Viertplatzierten AIK bestimmten den Spielverlauf.
So konnte Djurgårdens einzig mit einem Pfostentreffer in der 58. Minute und einem Distanzschuss in der 83. Minute für Gefahr sorgen. AIK hatte ihre größte Chance nur eine Minute später, doch DIF's Keeper Höie konnte in höchster Not klären. Am Ende beherrschten Nickligkeiten und einige gelbe Karten die ereignisarme zweite Spielhälfte.
So kam es, wie es kommen musste: Das Spiel endete mit einem 2:2-Unentschieden. Schon das Hinspiel dieser Saison am 22. Mai endete in der Heimstätte AIK's, der Friends Arena, mit einem 1:1-Unentschieden. Und als wenn der Fußballgott seine Finger im Spiel hätte: Auch das letzte Heimspiel Djurgårdens vor 21 Jahren ging mit einem Unentschieden in die Vereinsanalen ein! Somit bestehen für AIK als Viertplatzierter in den restichen fünf Spielen der Saison weiterhin Chancen auf das Erreichen der Europa League, Djurgårdens IF verbleibt im Niemandsland der Tabelle auf dem 10. Platz.
Nach dem Spiel zeugten Polizeisirenen, den Weg säumende abgebrochenen Zaunlatten und zerstörte Schaufensterscheiben von Randalegelüsten der Stockholmer Jugend. Festzuhalten bleibt, dass es das Stockholmer Derby durchaus mit großen Spielen auf dem gesamten Kontinent aufnehmen kann – einen Besuch ist es aufgrund der großen Historie und der damit verbundenen leidenschaftlichen Unterstützung der jeweiligen Fans auf jeden Fall wert.
Text & Fotos: Eric K