Am 19. Oktober fand in Jeonju, etwa 300 Kilometer südlich von Seoul, das südkoreanische Pokalfinale statt. Es standen sich die derzeit beiden besten Teams des Landes gegenüber, die Jeonbuk Motors und die Pohang Steelers. Als einziger ausländischer Journalist war Jörg Pochert für turus.net vor Ort. Warum im Finale einer der beiden Finalisten das Recht erhielt, im eigenen Stadion zu spielen, war nicht herauszufinden. Möglicherweise wollte man so einfach nur die berühmte Hütte voll bekommen, denn selbst die Topspiele der K League, einer der sportlich attraktivsten Ligen Asiens, finden für gewöhnlich vor vierstelligen Kulissen statt. Doch die Kulisse blieb dennoch unter den Erwartungen, denn das mehr als 42.000 Besucher fassende Jeonju World Cup Stadium war nicht mal zur Hälfte gefüllt, selbst wenn später 23.811 Zuschauer angegeben wurden. Nur gut 1.000 davon drückten den „Gästen“, den Pohang Steelers, die Daumen.
Südkoreanischer Pokalsieger 2013: Pohang Steelers besiegt Jeonbuk Motors
Jeonju als Stadt ist nicht besonders attraktiv. Etwa 600.000 Menschen leben hier, ein Großteil davon in hässlichen Platten-Hochhäusern. Westliche Touristen verirren sich nur selten in die Industriestadt, und wenn, dann werden sie vor einige Hürden gestellt, die ihnen den Aufenthalt nicht leicht machen. Die Touristeninformation am Hauptbahnhof ist zwar vorhanden, aber längst verschlossen, nur noch wenige Prospekte und immerhin Stadtpläne zum Mitnehmen liegen aus. Im Gegensatz zur Weltmetropole Seoul sind englische Ausschilderungen fast nicht vorhanden, selbst auf Fahrplänen nicht, und so bleibt oftmals nur der Gang zum Taxistand, will man sich ohne Ortskenntnisse von A nach B orientieren. Doch selbst dann ist der Erfolg noch nicht garantiert, denn nicht jeder Taxifahrer nimmt westliche Touristen auch mit. Sei es, weil man das Ziel angeblich nicht kennt – oder auch nur, weil die Strecke zu kurz ist und man nicht genug Geld verdienen könnte, denn Taxifahren ist hier spottbillig.
Allerdings gibt es für einen Nichtkoreaner auch nur genau zwei Sachen, die eine Reise hierher lohnend machen würden. Zum einen steht in Jeonju das berühmte Hanok Village, das größte des Landes, denn noch mehr als 800 traditionell koreanische Gebäude stehen hier in einem Viertel aneinander. Die zweite Sehenswürdigkeit ist das Stadion. Zur Fußball-WM 2002 errichtet, wurde hier dem Weltfußball für wenige Wochen die große Bühne geboten, während bald schon wieder das Provinztum einkehrte und in der Infrastruktur des Stadions heute schon, nur elf Jahre nach der WM, der Zahn der Zeit nagt. Die Treppen weisen etliche Löcher und Risse auf, und am Metall ist der Rost zum Teil unübersehbar. Von innen ist die Arena allerdings nach wie vor hochmodern.
Nach der für ein Pokalfinale angenehm kurzen Eröffnungszeremonie begann auch schon das Spiel. Dieses zeigte die Jeonbuk Motors – einen Art Hyundai-Betriebsmannschaft – sehr schnell im Vorteil. Sogar ein Lattentreffer stand zu Buche. Aktivster Spieler auf dem Platz war in dieser Phase der Belgier Kevin Oris (spielte u.a. für Antwerpen und Mons), der aber insgesamt glücklos agierte. Überhaupt standen in der Jeonbul-Mannschaft einige Legionäre. Es liefen der Australier Alex Wilkinson sowie die Brasilianer Thiago Potiguar und Leonardo auf, die das Spiel der Grünen durchaus prägten. In den ersten zwanzig Minuten bestimmten die Gastgeber die Partie auch eindeutig, unterstützt von einem etwa 3.000 Mann starken Fanblock, innerhalb dessen sich ein Kern von 500 -1.000 Leuten stets um akustischen Support bemühte. Jener war zum Teil argentinisch geprägt, oftmals wurden Lieder minutenlang getragen. Von den Pohang Steelers, deren Publikum sich aus ein paar jugendlichen Ultras und ansonsten Normalfans und Familien zusammensetze, kam dagegen nicht viel, bis zur 24. Minute, als ihr Team durch Seung-Dae Kim vollkommen überraschend in Führung ging. Den tapfer kämpfenden Motors gelang aber noch vor der Pause der verdiente Ausgleich (33., Ki-Hee Kim).
Nach der Pause drehten die Pohang Steelers das Spiel und waren nun die bessere Mannschaft. Zwar wurde nicht die Überlegenheit des Gegners in der ersten Hälfte erreicht, jedoch hatten die Schwarz-Roten die Partie eine halbe Stunde lang gut im Griff, versäumten allerdings das Toreschießen. In den letzten zehn Minuten dann versuchten die nach wie vor von ihren Fans fantastisch angetriebenen Motors noch einmal alles, ließen aber einige „Hundertprozentige“ liegen, so dass es in die Verlängerung ging, in welcher ebenfalls keine Entscheidung fiel. Das über 120 Minuten gezeigte Gesamtniveau war übrigens sehr gut, beide Mannschaften könnten durchaus auch in der Bundesliga mithalten, wenn auch nicht in der oberen Tabellenhälfte. Und es ging durchaus auch sehr emotional her, Pohangs Trainer wurde nach etlichen Meckereien sogar auf die Tribüne geschickt, und eine Nachspielzeit von fünf Minuten ist in einer Verlängerung von nur 2x 15 Minuten sicherlich auch nicht alltäglich. Angesichts der großen Ausgeglichenheit war es folgerichtig, dass über Sieger und Besiegte im Elfmeterschießen entschieden werden musste.
Dieses begann mit dem Kuriosum, dass die ersten drei Versuche allesamt neben das Tor gingen. Zweimal verschossen die Jeonbuk Motors, einmal die Pohang Steelers. Alle weiteren Schüsse gingen ins Ziel, so dass gegen 16:20 Uhr – das Spiel hatte um 13:30 Uhr begonnen – endlich der Sieger feststand, nämlich die Pohang Steelers. Plötzlich waren auch ihre Fans sehr lautstark zu vernehmen, und nach dem gemeinsamen Feiern mit der Mannschaft stand die elendig lange Siegerehrung bevor. Nachdem diverse Verbandsoffizielle, die Schiedsrichter und die unterlegene Mannschaft ihre Erinnerungsmedaillen erhalten hatten, konnte die siegreiche Mannschaft um 16:50 Uhr endlich der Pokal in Empfang genommen werden und das berühmte Siegerfoto mit goldenem Konfetti geschossen werden. Das Stadion war zu diesem Zeitpunkt übrigens schon fast komplett leer. Bis auf die 1.000 Gästefans war niemand mehr hier – eine der Siegerehrung unwürdige Kulisse.
Nach dem Ende des offiziellen Teils ging es übrigens auch für den Autoren dieses Berichtes schnell aus dem Stadion. Der Zeitpuffer bis zur Abfahrt des Zuges nach Seoul war auf knapp 40 Minuten geschmolzen und noch etwa 15 Kilometer bis zum Bahnhof zurückzulegen, aber letztlich klappte alles. In Seoul wurde am nächsten Tag des K-League-Spiel zwischen der derzeit dritt- und viertstärksten Mannschaft des Landes, dem FC Seoul und Ulsan Hyundai Horang besucht. Ulsan siegte 2:0. Das Niveau war erschreckend schwach. Etwa 6.000 Zuschauer waren hier zugegen, darunter nur knapp 300 Gäste. Die offizielle Besucherzahl lag übrigens bei 15.388.
Fotos: Jörg Pochert