Die Friedhöfe bzw. Gräber leben. Klare Ansage der Anhänger des FK Partizan beim 145. Derby im Stadion des Erzfeindes FK Crvena Zvezda (Roter Stern). Wer denkt, nach all den hitzigen Duellen der vergangenen Jahre müsste doch langsam die Angelegenheit ein wenig abkühlen, wurde am vergangenen Wochenende eines besseren belehrt. Das „Ewige Derby“ (Veciti Derbi) ist ein Dauerbrenner! Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Letztendlich dermaßen intensiv, dass sogar dem serbischen Fußballverband die Sache zu arg wird. Über Pyrotechnik wird bekanntlich beim serbischen Fußball nicht großartig diskutiert, doch die Auseinandersetzungen vor dem Spiel und die gelegten Feuer in der Gästekurve zu Beginn der zweiten Halbzeit und die damit verbundene Spielunterbrechung ließen von Seiten des Fudbalski Savez Srbije (FSS) eine deutliche Reaktion folgen: Vorerst leere Ränge für beide Vereine.
Totengräber in Aktion: Feuer und Konflikte in Partizan-Kurve beim Belgrader Derby
Vladimir Bulatovic, Direktor der serbischen Jelen Super Liga, ließ gemäß Artikel 64 der Disziplinarordnung vermelden, dass bis zur endgültigen Entscheidung der Disziplinarkommission des FSS die Stadien der beiden Hauptstadtrivalen vorerst für Zuschauer geschlossen bleiben. Eine Erklärung der Vereinsverantwortlichen des FK Partizan ging am 05. November 2013 auf der offiziellen Webseite online. In dieser wird das Bedauern geäußert, dass die Welt vom serbischen Fußball wieder ein hässliches Bild zu sehen bekam. So bedauert der Verein, dass wieder einmal nicht über das sportliche Geschehen auf dem Rasen, sondern über die Vorfälle auf den Rängen gesprochen wird. Zwar wolle man keine Polemik und mit dem Finger auf die Fans der beiden Rivalen zeigen und erklären, dass jene und diese Fans besser oder schlechter seien, doch auf einige Zwischenfälle in der jüngeren Geschichte des ewigen Derbys wolle der Verein hinweisen. So wurden allein beim Derby am 08. April 2009 im Partizan-Stadion auf der Nordseite 1.125 Sitze zerstört bzw. verbrannt. Und die schwarze Liste der Vorfälle sei lang. Spieler, die wegen gezielt geworfener Pyrotechnik nicht in die Kabinen gehen konnten, waren nur ein Beispiel.
Gewalt beim Belgrader Derby. Die größten Opfer dieser Situation seien die beiden Fußballvereine selbst, erklärte der FK Partizan. Um diese Situation zu verbessern, müssen beide Rivalen zusammenarbeiten, und man hoffe, dass die Verantwortlichen des FK Crvena Zvezda dies genauso sehen. Des weiteren appelliert der FK Partizan an staatliche Behörden, Sportorganisationen und Vereine, gemeinsam die Hooligans aus dem Sport zu entfernen. Ob dies in naher Zukunft gelingen wird, darf indes stark bezweifelt werden. Vor allem: Wo liegen beim serbischen Fußball die Grenzen zwischen heißblütigen, fanatischen Anhängern und Hooligans?
Und noch wichtiger: Wie soll die interne Feindschaft zwischen den beiden großen Fangruppen des FK Partizan behoben werden? Seit geraumer Zeit sind bei wichtigen Spielen zwei schwarz-weiße Fanblöcke zu bestaunen. Die „Grobari“ (Totengräber) sind gespalten. Direkt hinter dem Tor die große Masse, geleitet von der einflussreichen Gruppierung „Alcatraz“. Etwas abseits, mit beachtlicher Pufferzone dazwischen, ein weiterer Fanblock des FK Partizan. Über die genaue Zusammensetzung dieses Blockes gibt es meist widersprüchliche Angaben. Fakt ist: Dass zwischen beiden Blöcken kein gemeinsamer Kindergeburtstag gefeiert wird, war auch beim vergangenen Derby am 02. November im „Marakana“ deutlich zu sehen. So detonierten bereits beim Warmmachen der Spieler die ersten Knallkörper im Pufferbereich. Reichlich Pyrotechnik wechselte die Seiten – immer mitten hinein in die jeweiligen Menschenmassen. Weitere Ordnungskräfte rückten nach, um ein Durchbruch zu verhindern. Ein Anblick, der völlig surreal wirkt und bei Außenstehenden nur ein Kopfschütteln verursacht. Ein Derby mit zwei kraftvollen Kurven – und anstatt gemeinsam als Auswärtsblock gegenzuhalten, wird sich gegenseitig mit Böllern, Fackeln und Leuchtkugeln bombardiert? In der Tat, beim serbischen Fußball ticken die Uhren mitunter völlig anders.
Beim Einlaufen der beiden Teams schließlich ein Anblick, der auch dem serbischen Verband (nach Balkan-Maßstäben) durchaus besser gefallen haben dürfte. Tausende Fähnchen, lange Spruchbänder und Bengalos in der rot-weißen Heimkurve. Südländische Atmosphäre vom feinsten in der Kurve von Roter Stern. Aufgrund der Vorkommnisse kurz vor Spielbeginn war nun die Stimmung in den Gästebereichen verhaltener. Ein Spruchband im Hauptbereich. Eine Blockfahne und Pyrotechnik im separaten Partizan-Block. Die zweite Zündstufe des Heimbereichs folgte in der 19. Minute, als Roter Stern Dank eines Eigentores von Milan Obradovic mit 1:0 in Führung ging. Dem Jubelorkan folgte ein weiteres Meer aus zahllosen Bengalos, akkustisch untermalt von in den Innenraum geworfenen Böllern.
Doch auch die Partizan-Anhänger hatten noch etwas in der Tasche. Eine Pyroshow nach der Halbzeitpause, die in die besagten Feuerstellen mündete. Tanzende „Totengräber“ um hohe Flammen. Einsatzkräfte der Feuerwehr versuchten mit Schläuchen aus der Distanz die Brandherde zu löschen. Fans versuchten dies zu verhindern, indem sie sich dazwischen postierten und Jacken und Shirts hochhielten. Nach der Unterbrechung ging die Partie schließlich weiter. Ein weiterer Treffer sollte an diesem hitzigen Abend nicht mehr fallen. Der FK Crvena Zvezda brachte den 60. Sieg im 145. Derby in trockene Tücher. Nur ein einziges Mal konnte der FK Partizan bei den sechs zurückliegenden Aufeinandertreffen (inklusive Pokal) ein Spiel für sich entscheiden. Unentschieden? Zuletzt eine klare Fehlanzeige!
Fotos: Ricardo Lichtenfeld