Grau ist es dieser Tage in dem Land der mutmaßlich größten illegalen Waffenarsenale Europas, wo Lenin und zurzeit schneebedeckte, ausgediente Panzer, Hammer und Sichel noch immer das Stadtbild Tiraspols – mit 150,000 Einwohner größte Stadt Transnistriens - schmücken. Völkerrechtlich gesehen ist Transnistrien kein Staat. Seit den kriegerischen Auseinandersetzungen 1992 kapselte sich das De-facto-Regime jedoch vom Rest Moldawiens ab und festigte durch eigene Währung und Regierung seine Unabhängigkeit.
Zu Gast bei Sheriff Tiraspol: Lenin wacht noch immer über den rollenden Ball
HotDer Ausflug mit Ziel Sheriff Tiraspol Komplex, wo das U15 Freundschaftsspiel gegen Rumänien stattfinden soll, startet in der Hauptstadt Moldawiens (offiziell Republik Moldau). Für umgerechnet zwei Euro geht es im bis zum Rand gefüllten Autobus 70 Kilometer von Chisinau nach Tiraspol. Entgegen früherer Berichte verläuft der Grenzübergang zügig und problemlos. Die Emigrationskarte (Aufenthaltserlaubnis) wird ausgefüllt, von Bestechungsgeldern ist weit und breit nichts zu sehen. Ein Stempel eines Staates, der nicht anerkannt ist, gibt es in den Pass natürlich nicht.
Seit den Parlamentswahlen 2011 scheint frischer Wind in die grauen Sowjetbauten gekommen zu sein. Der im Westen als Reformer angesehene Präsident Jewgeni Schewtschuk scheint die Demokratisierung voranzutreiben in einem Erdteil, wo Korruption blühender ist als mancher örtlicher Weinberg zur Lesezeit im Herbst. Ein Verantwortlicher für die bildliche Übertragung des U15 Ländervergleichs wird es Stunden später als ,,Big Cooperations“ bezeichnen. Was es damit auf sich hat, wird spätestens nach einem Rundgang durch das von verfallenen, dennoch Charme sprießenden, Plattenbauten gesäumte Tiraspol bewusst.
Am Rande der Stadt hat der Rekordmeister Moldawiens – FC Sheriff Tiraspol - für mehr als 200 Millionen Dollar einen Sportkomplex errichtet, der auch in Deutschland seinesgleichen suchen würde. Paradox, dass der auch schon europäische Fußballluft schnuppernde Verein Sheriff Rekordmeister Moldawiens ist, obwohl Transnistrien Moldawien-ablehnend den Aufbau eines eigenen Staates vorantreibt. Noch paradoxer erscheint dieser Komplex, bestehend aus Hotel, Akademie, mehreren Kunstrasenplätzen, Schwimmbad, 2 Stadien (8000 Plätze und 13000 Plätze) und Fußballhalle mit 3500 Plätzen, wenn einem die ärmlichsten Verhältnisse Europas direkt hinter diesem Projekt begegnen. Die "Big Cooperations" scheinen hier große Früchte zu tragen.
1996 gegründet, übernahmen Unternehmensgründer des Sheriff Konzerns sowie frühere KGB Agenten nur ein Jahr später den Verein, benannten ihn FC Sheriff Tiraspol um und führten ihn zum erfolgreichsten Verein Moldawiens. Alles durch teils ominöse Gelder des gleichnamigen Konzerns Sheriff, der in Transnistrien vom einzigen Telekommunikationsunternehmen bis hin zur Supermarktkette seine Monopolstellung bis in die Politik ausweiten konnte. Dabei wurde der Club lange Zeit vom Präsidenten Igor Smirnow, bis 2011 in Transnistrien an der Macht, unterstützt. Ein Geben und Nehmen, Geldwäsche nicht ausgeschlossen. Notiz am Rande: 2006 muss der Ex-Präsident Smirnow so beliebt gewesen sein, dass er in einem Bezirk mutmaßlich gar 103 Prozent der Wählerstimmen bekam.
Die neue Regierung jedoch besitzt eine andere Einstellung. Machtkämpfe zwischen Sheriff Konzern und Landesführung führten laut Aussagen des Direktors des Portals Moldfootball.com sogar schon zu eingefrorenen Konten.
Um die Paradoxität komplett zu machen, fand am Freitag nun in geschlossener Halle (Tribünen mit bis zu 3500 Plätzen für Zuschauer inklusive) auf dem Kunstrasen der Ländervergleich der U15 Frauen zwischen Moldawien und Rumänien statt. Diesen konnte Rumänien mit 5:0 klar für sich entscheiden. Auch die Nationalmannschaft Moldawiens spielte schon hier in Tiraspol, vor allem wohl auf Druck von UEFA. Jedoch wurde ihnen einmal mehr die ablehnende Haltung des transnistrischen Publikums vor Augen geführt, sodass die Heimspiele der ersten Elf seither im Stadion von Zimbru Chisinau ausgetragen werden. Momentan gibt es Bestreben, in Chisinau ein neues Nationalstadion bauen zu lassen.
Fotos: Eric K.