Kein anderes Duell fand in der Bundesliga seit der Gründung im Jahre 1963 häufiger statt. In den vergangenen 99 Begegnungen gab es so manch denkwürdige Partie. Aus Bremer Sicht ganz klar die Spiele in den letzten wirklich fetten Jahren 2004 bis 2009. Da waren die Duelle 2009 im DFB-Pokal und UEFA-Cup-Halbfinale mit dem Papierkugel-Desaster für Hamburg, und der 6:0-Heimerfolg 2004, welcher ein großer Schritt zum Doublegewinn war. Auch das Hinspiel in dieser Saison konnten die Bremer für sich entscheiden. Zwei Petersen-Tore sorgten für einen 2:0-Sieg in Hamburg. Am 23. Spieltag standen sich die beiden nun wieder gegenüber. Dank der Tabellensituation im Keller war es für beide ein so genanntes 6-Punkte-Spiel. Werder mit 22 und der HSV mit 19 Punkten. Die Hamburger Dank des Trainerwechsels wieder mit neuem Elan. So konnte man am letzten Spieltag gegen schwache Dortmunder mit 3:0 gewinnen. Bremen seit zwei Spielen ungeschlagen, jedoch seit vier Spielen ohne Sieg. Sportlich gesehen war also alles angerichtet für eine spannende Partie.
Rückblick auf das 100. Nordderby: SV Werder Bremen besiegt den Hamburger Sportverein
HotAuch auf den Rängen wurde dem Derby entgegen gefiebert. Schon beim Auswärtsspiel in Frankfurt stimmte sich der Bremer Anhang auf das Derby ein und präsentierte zum Spielende hin den Banner "Alles für den Derbysieg". Jener Banner wurde dann auch beim Warmmachen der Spieler vor dem Derby gezeigt. Zusätzlich brachte Werder einen Derbyschal heraus und stoppte so die Aktion der Ultras, die einen eigenen verkauft hatte. Die Aufschrift "Scheiß HSV!" inklusive zerstörter HSV-Raute war dem Klubverantwortlichen allerdings zu aggressiv. Ergebnis: Verbot des Schals im Stadion, was jedoch kaum beachtet wurde. Zudem wurde extra für das Jubiläumsderby eine aufwendige Choreo geplant. Auch die Aktion auf der Stephanie-Brücke, die über die Weser führt, wo Bremer Ultras unter der Woche ein extra für das Derby angefertigtes 50 Meter langes grün-weißes Banner mit der Aufschrift "Noch 5 Tage – Ganz Bremen hasst den HSV" befestigten, zeigte, wie heiß man auf Bremer Seite auf das Derby war. Die Hamburger natürlich auch und so wurden extra für das Derby schwarze Mützen mit der Aufschrift "Anti HB" angefertigt.
Auch die Vorfälle, als die sportliche Fraktion der Hamburger versuchte den Gästeblock zu stürmen, sorgte für extra Zündstoff. Dies wusste auch die Polizei und verwandelte das Gebiet rund ums Weserstadion vor und nach dem Spiel zu einem Hochsicherheitstrakt. Selten hatte man hier so viele Reiterstaffeln und Polizeikräfte gesehen. Nicht zu vergessen die vier Wasserwerfer, die Gott sei Dank nicht zum Einsatz kamen. Natürlich stellt die Lage des Stadions und der Zu- und Ablauf der Gäste- und Heimfans für die Polizei ein großes Problem dar, aber das Ganze wirkte schon extrem, was dort an diesem Tage aufgefahren wurde. Am Ende waren es knapp 1.000 Polizeikräfte, die das Spiel absicherten. Soweit man die Lage weitgehend einschätzen konnte, blieb es vor dem Spiel bis auf die üblichen Pöbeleien mit der Polizei am Osterdeich vorm Gästeeingang und am Busparkplatz und einigen Rangeleien verhältnismäßig ruhig. Unschön war die Aktion einiger Bremer Anhänger, die den Mannschaftsbus des vor dem Spiel mit Flaschen und Steinen bewarfen. Eine Scheibe ging dabei kaputt, verletzt wurde zum Glück niemand.
Im Stadion sollte es pünktlich um 15:20 Uhr mit der zehnminütigen Choreo losgehen, Die mehrteilige Choreographie im Unterrang der Ostkurve neigte in Form eines Buches folgendes "100 Spiele wie im Märchen: Wir kamen, sahen und siegten! Und die Moral von der Geschicht. Bremen ist geil, Hamburg nicht!". Umrandet wurde das Buch von Doppelhaltern mit den vier Stadtmusikanten und dem Schlüssel des Bremer Stadtwappens. Im Oberrang gab es eine Blockfahne in Form der Bremer Stadtflagge. Zusätzlich wurden auf der Nord- und Sudtribüne Pappen mit dem Motto "Die Nr. 1 im Norden sind wir" gezeigt.
Auf der anderen Seite positionierte sich der harte Kern der "Chosen Few" und "Poptown" hinter ihren Auswärtsbannern im Sitzplatz-Bereich vor dem Gästesteher. Natürlich hatten auch diese etwas zu bieten: Eine kleine Pyroeinlage. Zur Stimmung während des Spiel kann man sagen: Für ein Derby ganz ordentlich, aber nicht überwältigend. Die Hamburger waren ab und an auch in der Ostkurve hörbar. Am lautesten wurde es dort, wenn etwas gegen den Rivalen von der Weser gesungen wurde. Derbystimmung halt. Auf Bremer Seite gab es in der ersten Halbzeit richtig guten Support, der teilweise vom ganzen Stadion mitgetragen wurde. Gerade nach dem Führungstreffer durch Junuzovic wurde es richtig laut.
Ein Zwischenfall kurz nach der Pause sorgte für einen mächtigen Stimmungseinbruch und war fast spielentscheidend. Es war die 46. Minute, als im Bereich der Bremer Ultras (HB Crew und Wanderers) grün-weißer Rauch empor stieg und mehre rote sowie grüne Bengalos erleuchteten. Schön anzusehen für diejenigen, die es mögen, der Großteil des Stadions hingegen regierte erbost mit Pfiffen und "Ihr seid Scheiße wie der HSV"-Rufen. Jede Aktion der Capos im Bremer Block wurde nun von einem Pfeifkonzert begleitet.
Von der gereizten Stimmung ließen sich anscheinend auch die Werder-Spieler anstecken. Die Bremer Elf war auf einmal total irritiert, zum Glück aus Bremer Sicht konnten die Hamburger die sich daraus entwickelnden Feldüberlegenheit nicht nutzen. Nach und nach kam das Publikum wieder zurück und unterstützte ihre Mannschaft auf dem Weg zum 1:0-Sieg. Nach dem Spiel blieb es bis auf dein paar Auseinandersetzungen zwischen Bremer Anhänger und der Polizei im Steintorviertel ruhig. Von der Abreise der Hamburger hatte man wenig mitbekommen, da diese von der Polizei komplett abgesichert wurde.
Was das Sportliche angeht, hat der SV Werder nun sechs Punkte Vorsprung auf den HSV, der sich auf dem Relegationsplatz befindet. Für Werder geht es am nächsten Spieltag nach Nürnberg, der Hamburger SV empfängt die Eintracht aus Frankfurt. Also wieder zwei Abstiegsduelle.
Fotos: Frank Langkabel