„Woran ich immer denke: Fortuna und Getränke!“ Falls „De Schäng“ vom Himmel aus zuschaut, was sich im und am Kölner Südstadion tut, so dürfte ihm das durchaus gefallen. Die Jungs vom „SC Mülltonn“, einer Fangruppierung der Fortuna, treffen sich vor jedem Spiel an einem Mäuerchen Nahe der Ecke Am Vorgebirgstor / Höninger Weg und plauschen bei einem Fässchen Kölsch über die guten alten Zeiten und natürlich auch über die durchaus erbauliche Gegenwart. So auch am Sonntagnachmittag vor dem Regionalliga-Spiel gegen Rot-Weiss Essen. „Wir wollen trinken statt Essen“, so die Losung des Tages. Gesagt, getan. Die überaus entspannten und kommunikativen Kölner geben Auskunft über den Stand der Dinge, über den immer noch geliebten Jean Löring und vor allem über den abgrundtief gehassten Rivalen Viktoria Köln. Noch ein Kölsch? Nimm, muss eh weg!
SC Fortuna Köln vs. Rot-Weiss Essen: Lörings Erben weiterhin auf der Erfolgsspur
Hot500 Meter Luftlinie entfernt, auf der anderen Seite des Südstadions, geht es ebenfalls gesellig und gemütlich zu. Vor dem Vereinsheim der Fortuna sitzen die Fans auf Bierbänken und lassen sich Bratwürste mit Thunfischpaste schmecken. An einem Stand werden alte Klamotten verkauft. Die Erlöse kommen dem Nachwuchs zugute. Alte Trikots, Shirts und Trainingsjacken, in denen noch die Zweitligaluft der 80er und 90er Jahre steckt. Der Mann mit Sonnenbrille gibt sein Bestes und bringt einiges an die Frau und den Mann. Na, komm, für fünf Euro. Schwups, ist das nächste gute Stück weg. Für einen gestressten Berliner ist dieses ganze Szenario eine Wohltat. Entspanntheit wie auf einer Bezirksportanlage. Herrlich. Kaum zu glauben, dass es kurze Zeit später auf dem grünen Rasen wieder um die Wurst geht. Genauer gesagt, um überaus wichtige Punkte, welche den Verfolger Sportfreunde Lotte auf Abstand halten sollen. Der Rheinländer, und scheinbar ganz besonders die aus der Kölner Südstadt, gehen an solche Dinge ein stückweit gelassener ran. Et kütt wie et kütt. Und die Punkte bleiben sowieso in Kölle.
Um so größer das Erstaunen - zumindest aus Sicht eines Außenstehenden -, als eine halbe Stunde vor Anpfiff im forschen Schritt ein beachtlicher Mob am eingangs erwähnten Treffpunkt der „Mülltonn-Jungs“ vorbeilief. Gute Freunde von Fortuna Sittard und aus dem belgischen Genk, die beim Spiel gegen RWE gemeinsam mit den Eagles (die älteste deutsche Ultrà-Gruppierung), dem SC Mülltonn und der Schäng Gäng die Fortuna von der Gegengerade aus unterstützen wollten. Und so ergab die vom Spielfeld aus rechts gelegene Seite der Stehgerade bei Anpfiff durchaus ein recht schmuckes Bild. Klein, aber fein, so darf die Fanszene des SC Fortuna bezeichnet werden. Etliche Zaun- und Schwenkfahne, kleine handbemalte Hochalter mit der Aufschrift SCFK – dazu ein ordentlicher Support.
Dass jedoch im sportlichen Normalfall eine gut gefüllte Gästekurve mit RWE-Fans den Heimbereich locker übertönen würde, ist ebenso klar. Doch von einem Normalfall kann derzeit in Essen nicht gesprochen werden. Gerade mal neun Siege konnte die Mannschaft von der Hafenstraße in 28 Saisonspielen einfahren. So der Stand vor dem Auswärtsspiel im Südstadion. Zuletzt gab es ein 0:1 bei der SG Wattenscheid 09 und ein 0:2 gegen die Bubis des FC Schalke 04. Für die RWE-Fans ein echter Schlag ins Gesicht, zumal gegen den S04 II am Dienstagabend knapp 6.300 Zuschauer ins Stadion Essen strömten. 6.300! Das muss man sich mal vorstellen! Mit Anstand soll nun die – ja sagen wir es mal deutlich – total verkackte Saison über die Runden gebracht werden. Und vor allem soll sich warm gemacht werden – und zwar für den Pokalkracher gegen den MSV Duisburg. Das Stadion ist bereits seit Wochen ausverkauft und die dortige Region fiebert dem Hass-Duell der Rivalen entgegen.
Das Spiel beim Tabellenführer SC Fortuna sollte ein Härtetest sein. Was vermag die Mannschaft unter dem neuen Trainer Marc Fascher noch verrichten? Nicht viel, so schien es zumindest in den ersten Minuten der Partie. Völlige Stille in der Gästekurve, die in der Tat als solche bezeichnet werden darf. Kein Käfig in der Ecke, sondern eine echte Kurve auf der Hintertorseite. Knapp 300 RWE-Fans hatten sich eingefunden, 30 von ihnen saßen im abgetrennten Sitzplatzbereich der Haupttribüne. Im späteren Verlauf waren es genau jene Fans, die an der Plexiglasscheibe und an den angebrachten Werbetafel für Stimmung und Furore sorgten. Die wenigen anwesenden Mitglieder Ultras Essen verfolgten das Spiel stumm, einsam hing das Banner am Zaun. Ein Stück weiter weckte ein anderes Banner die Aufmerksamkeit: „Unvergessen: 10.05.1994 Pokalfinale in Berlin – Bremen und Essen – Fanfreundschaft mit Tradition“.
Knapp 19 Jahre nach dem DFB-Pokalfinale im Südstadion. Bereits nach zehn Minuten ging die Fortuna mit 1:0 in Führung. Hamdi Dahmani hatte gekonnt mit dem Kopf eingelocht, keine Chance für RWE-Keeper Daniel Schwabke. Noch vor der Pause hätte es 2:0 heißen können, doch Schwabke zeigte sich in guter Form und wehrte unter anderen einen gut geschossenen Freistoß ab. Ein klare Ansage des RWE-Trainers beim Pausentee schien gefruchtet zu haben, denn im zweiten Spielabschnitt zeigten die Essener eine weitaus bessere Leistung. Umso überraschender die 2:0-Führung der Kölner in der 68. Minute, Thomas Kraus hatte nach einem Konter den Ball im Essener Gehäuse untergebracht. Nun erst recht! RWE drückte nun und wollte schnellstmöglich den Anschlusstreffer erzielen.
Die RWE-Fans auf der Sitzplatztribüne machten nun Alarm und hämmerten mit den Händen auf die Werbetafeln, bis diese sich verabschiedeten und auf der Rundlaufbahn lagen. Nur vier Minuten nach dem Kölner 2:0 schließlich ein Tor der Essener. Absolut sehenswert köpfte Marcel Platzek ein und ließ die Gästekurve wenigstens ein klitzekleines bisschen aufleben. Keine Frage, macht Platzek am 08. April so ein Ding gegen Duisburg, bebt das Stadion an der Hafenstraße! Während die Essener Jungs auf der Sitzplatztribüne ihre kleine SKE-Fahne (Sauf-Szene) an Stelle der angefallenen Reklametafeln hängten und einen Ordner um ein Gruppenfoto baten, gaben die RWE-Spieler noch einmal Stoff und drängten zum Ausgleich. Routiniert brachten die Hausherren jedoch vor den 1.712 Zuschauern die knappe Führung über die Zeit und hätten kurz vor Schluss noch fast das 3:1 gemacht, doch der Ball prallte gegen die Latte anstatt sich im Netz zur Ruhe zu legen.
Nach Abpfiff wurde die Kölner Mannschaft lautstark von ihren Fans gefeiert. Der 7-Punkte-Abstand zum Verfolger aus Lotte war wieder hergestellt. Gut so aus Sicht der Fortuna, denn am kommenden Samstag steht das Spitzenspiel in Lotte auf dem Programm. Sollte dort zumindest ein Remis erkämpft werden, darf sich langsam Gedanken gemacht werden, wer denn wohl der Gegner in der Aufstiegsrunde sein dürfte. Die möglichen Kandidaten: Die TSG Neustrelitz, die am Wochenende den 1. FC Magdeburg mit 2:1 bezwingen konnte. Die U23-Mannschaften des VfL Wolfsburg oder des SV Werder Bremen aus dem Norden, die U23 des FC Bayern aus der Regionalliga Bayern oder die SG Sonnenhof Großaspach oder der SC Freiburg II aus der Regionalliga Südwest. Es bleibt allerdings abzuwarten, wer von den U23-Mannschaften überhaupt an den Start geht. Eventuell werden einige komplett zurückgezogen. So könnte es rein theoretisch auch Eintracht Trier oder SV Waldhof Mannheim werden. Mannheim? Das wäre grandios! Wenn das nicht an die 90er Jahre erinnert, als die Fortuna an einem düsteren, regnerischen Freitagabend die Waldhöfer empfing. Mit De Schäng auf der Tribüne, wie bei jedem damaligen Spiel...
Fotos: Marco Bertram