Buchdruck, Glühbirne, Mobiltelefon – ein Hoch auf die technische Entwicklung. Ausnahmsweise, denn wer kein Facebook hat oder nicht zufällig dort wohnt oder einen kennt, der wiederum einen kennt, dem blieb die Veranstaltung „70 Jahre KS Mieszko Mieszkowice“ verborgen. Mieszkowice – eine Kleinstadt am Rande des unteren Oder-Tals mit mittelalterlicher Stadtmauer und viel Grün ringsherum. Von Zeit zu Zeit schaue ich immer wieder mal vorbei. Viel geht hier sportlich allerdings nicht mehr. KS Mieszko ist schon ein paar Jahre in der Bedeutungslosigkeit der Süd-Staffel der Landesliga versunken. Im Juni drohte sogar der Absturz auf die Kreisebene. Nun stand die Saisoneröffnung gegen Sokół Pyrzyce mit der 70-Jahr-Feier des Klubs an, zu welcher geladen wurde. Man war so ziemlich unter sich. Zwar ist das städtische Stadion relativ groß und da kann eine Zuschauermasse schon etwas geringer wirken, dennoch sah es nur nach knapp 150 Zuschauern aus.
KS Mieszko Mieszkowice: Grizzly Fans nach 7 langen Jahren zurück
Der Eintritt war heute frei. Die Fans bereiteten bereits fleißig die Spielbegleitung vor und dabei wurde Rauchpulver in einem großen Aufwischeimer selbst gebaut und dann auf Becher verteilt. Das war in den unteren Spielklassen damals üblich – eben kleine Gruppen Jugendlicher, bei denen die finanziellen Möglichkeiten nicht so groß waren. In der ersten Halbzeit brannten dann auch sieben dieser gefüllten Becher. Jeder stand für ein Jahr der Abwesenheit der aktiven Szene der Grizzly Fans, die sich heute für das Spiel noch einmal reaktivierten. Mieszkowice verlor in den letzten Jahren sehr viele Einwohner. Sie gingen nach Schweden, England und in die Niederlande. So verwunderte es nicht, dass einige Leute im Fansektor für dieses Spiel in der siebenten Liga eine ziemlich weite Anreise hatten.
Bereits nach dem ersten Lied begann das Grübeln, wie denn die Lieder von einst gingen. Die Köpfe wurden zusammen gesteckt. Zusammen schafften sie es doch, die alten Kurven-Hits wieder zu entstauben. „Unseren Klub LKS kennt ganz Polen – die grüne Armee das sind die Fans von Mieszko!“ oder „Wir treuen und ergebenen Fans aus Mieszkowice gehen für Mieszko, für den LKS, bis in den Tod!“ - Zeitreise pur und irgendwie geil. Alles war so normal wie vor 10 Jahren, als ob es die verflixte EM 2012 nie gegeben hätte. Ganz ohne Vermummung und Blockfahne wurde gezündet, die Zuschauer freuten sich, zückten die Handys, nirgends Ordner oder Polizei und der Schiedsrichter sah die drei Rauchwolken auch locker. Mit einem Wort – idyllisch.
Die sportliche Situation war ihnen schon bewusst und schon im ersten Lied schworen sie darauf, auch im Falle einer Niederlage zu Mieszko zu stehen. Erwartungsgemäß ging Pyrzyce auch in Führung. Die Sonne brannte ohne Gnade, dennoch wuselten die Spieler emsig, schier unermüdlich über den verbrannten Rasen. Derweil hatte die Trommel schon den Geist aufgegeben. Irre, wie die Spieler bis zur letzten Sekunde rannten. Pyrzyce führte bis zur letzten Sekunde mit 0:1 und war ziemlich bedient, als Mieszko beim letzten Angriff den Ball mit aller Macht und Kraft irgendwie über die Linie drückte. 1:1 Endstand und Freude pur. Der Tag klang später bei den Feierlichkeiten mit Gesprächen, Kielbasa, Bier und Schaschlik aus.
Fotos: Michael
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