Das passte doch. Die Diablos Leutzsch (Ultras der BSG Chemie Leipzig) feierten ihren 15. Geburtstag und Spielplan und Wetter passten hervorragend. Auswärtsspiel im südlich von Leipzig gelegenen Markkleeberg. Nicht auf einem Sportplatz mit notdürftig aufgestellten Bauzäunen, sondern in einem Stadion mit einem echten Gästeblock. Genauer gesagt im Sportpark Camillo Ugi, benannt nach dem einstigen großen Fußballer, der von 1884 bis 1970 in Leipzig und Markkleeberg lebte und große Erfolge feierte. Der Gästeblock des nach ihm benannten Stadions: Geräumig. Betonstufen und Wellenbrecher. Nicht in einem away-Winkel, sondern parallel zum Spielfeld hin. Perfekt für eine Geburtstags-Choreo. Und dazu das Wetter. Affenhitze wie es im Buche steht. Aus dem Nichts suchte eine tropische Warmfront die Messestadt auf. Der Schweiß stand auf der Stirn. Manch einem lief er in Strömen den Rücken hinunter. Gut, dass der Gastgeber die Zapfanlagen recht gut im Griff hatte. Mit wenig Personal konnte recht flott bedient und somit erhitzte Kehlen mit regionalem Hopfensaft gekühlt werden. Dass einem danach logischerweise noch mehr die Schweißperlen herunter rannen - was soll´s!
BSG Chemie Leipzig siegt in Markkleeberg: Diablos feiern farbenfroh ihren 15. Geburtstag
HotMit dabei waren am heutigen Tag rund 80 befreundete Fans / Ultras von Eintracht Frankfurt. Da bereits in der Nacht zuvor ausgiebig gefeiert wurde, lümmelten anderthalb Stunden vor Spielbeginn vor dem Stadion etliche Sportsfreunde im Schatten der Bäume. Manch einer legte sein Haupt auf seinen Rucksack und schloss die Augen. Drinnen liefen die ersten Vorbereitungen. Sorgsam wurden die Banner und Zaunfahnen befestigt. Das Gesamtbild sollte stimmen. Was man um 15 Uhr erwarten durfte, war klar. Kein Geburtstag ohne Party. Die Diablos würden sich wohl kaum lumpen lassen. Kein Wunder also, dass vorher eine gewisse Angespanntheit zu spüren war. Während der Ordner am Eingang mit A4-Kopien der Presseausweise (vorherige Mailanfragen) hantierte, legte sich jedoch ein Chemiker erst einmal seelenruhig auf die Trainerbank und machte ein kurzes Nickerchen.
Eine Viertelstunde vor Spielbeginn füllte sich der Gästeblock zunehmend. Zirka 800 Chemie-Fans (inklusive der Frankfurter) waren vor Ort, insgesamt wollten 1.017 zahlende Zuschauer diese Landesliga-Partie sehen. Keine schlechte Hausnummer für ein Sechstligaspiel, zumal die Kickers 94 Markkleeberg nicht wirklich eine nennenswerte Anhängerschaft haben. Kurz vor 15 Uhr liefen die letzten Vorbereitungen. Ein paar Beamte der BFE bezogen Stellung hinter dem Anzeigetafelhäuschen, im Gästeblock wurde die große Blockfahne bereitgelegt. Beim Einlaufen der Mannschaften konnte es los gehen. In astreiner Manier wurde die Blockfahne mit der geschwungenen Aufschrift „Ultras Chemie“ hochgezogen, und als diese wieder zusammengerollt wurde, rauchte und brannte es. Zu sehen gab es einige Bengalen, dazu reichlich wabernden Rauch in den Farben weiß, rot, gelb und grün. Über dem Ganzen schwenkte die extra angefertigte Fahne „15 Jahre Diablos Leutzsch“.
Was aus Sicht der BSG Chemie nun noch fehlte? Ein Sieg auf dem grünen Rasen! Nach dem knapp verpassten Aufstieg in die Oberliga wird in der laufenden Saison der nächste Versuch gestartet. Allerdings startete auch Markkleeberg - zu DDR Zeiten als TSG (Chemie) Markkleeberg von 1982 bis 1990 in der zweithöchsten Spielklasse beheimatet - gut in die Spielzeit und erwies sich zu Beginn der Partie als recht unbequemer Gegner, welcher den Chemikern nichts schenkte. So hatte auch der Gastgeber die erste nennenswerte Chance, bereits nach wenigen Minuten ging ein Schuss knapp über das Gehäuse der BSG Chemie. Als nach zehn Minuten die Gäste aus Leutzsch langsam ins Spiel kamen, gingen die Kickers sogleich ruppig zu Werke. Die Folge: Ein paar Freistöße und Ecken, die jedoch nicht zum gewünschten Ziel führten. „Eintracht Frankfurt!“, ertönte es plötzlich aus dem Gästeblock. Anschließend folgte das Lied „SG Eintracht Frankfurt und die BSG Chemie …“, welches die feste Freundschaft unterstreichen soll.
Von 800 Gästefans ließ sich Markkleeberg jedoch nicht kirre machen. Ganz im Gegenteil. Vor solch großer Kulisse zu spielen, gab mächtig Auftrieb. Nachdem ein Treffer aufgrund einer Abseitsstellung nicht gegeben wurde, klingelte es wenig später in der 21. Minute. Aus extrem spitzem Winkel haute Julian Adam den Ball in die Maschen. Dies ließ wiederum ließ die Mannschaft der BSG Chemie nicht aus der Ruhe bringen. Langsam aber sicher bekam man die Angelegenheit in den Griff. In der 28. Minute war es schließlich fast so weit. Es fehlten Zentimeter, um den Ausgleich zum 1:1 zu erzielen. Der Torschrei lag den Gästen bereits auf den Lippen. Zehn Minuten später war es dann allerdings wirklich soweit. Nach hübscher Flanke von links köpfte Tommy Kind sehenswert ein. Die Wende des Spiels? Noch nicht! Nur eine Minute später traf Markkleebergs Nummer zehn nach einem straffen Schuss das linke Außennetz. „Pflastersteine für die Kickers-Schweine“, ertönte es währenddessen unüberhörbar aus dem Gästeblock. Klingt nach einer gehörigen Portion Rivalität. Doch halt! Eher dürfte das Lied auf die anderen Kickers aus Offenbach gemünzt worden sein, zumal in Markkleeberg etliche Frankfurter vor Ort waren.
Unmittelbar kurz vor der Pause fast das 2:1 für die Leutzscher. Benjamin Schmidt knallte den Ball an den linken Außenpfosten. Mit dem Spielstand von 1:1 ging es zur wohl verdienten Erfrischung. Und ja, völlig klar, 800 anreisende Fans in der sechsten Liga sind eine Hausnummer, vor der man den Hut ziehen darf. Allerdings standen die wahren Helden auf der gegenüberliegenden Seite. Hinter selbst gemalten, am Zaun mit Wäscheklammer befestigten Bannern standen fünf Kids (schätzungsweise im Alter von sechs bis 12 Jahren) mit Schal, Trommel und zwei kleinen Megafonen und unterstützten unermüdlich ganz im Stil der großen Vorbilder ihre Mannschaft. Die Brauseflaschen wurden am Zaun abgestellt, eine Naschtüte lag auf einer Sitzbank. Als einer der Jungs einem anderen im Rollstuhl sitzenden Kind überaus liebevoll zwei Küsschen auf die Wange drückte, konnte man das ganze Drumherum kurzzeitig vergessen.
Auf dem Rasen bekam in der zweiten Halbzeit - sehr zum Leidwesen des Markkleeberger Nachwuchses - die BSG Chemie langsam aber sicher Oberwasser. Das 1:2 war nur noch eine Frage der Zeit - und nach gut einer Stunde war es soweit. Tommy Kind trug sich zum zweiten Mal an diesem heißen Nachmittag in die Torschützenliste ein und sorgte somit für eine gelungene Geburtstagsparty der Diablos Leutzsch. In der 90. Minute konnte Louis Engelbrecht zum 3:1 aus Sicht der Gäste nachlegen. Am nächsten Spieltag empfangen die Chemiker daheim im AKS die SG Taucha 99. Kurios: Zuvor treffen die beiden Vereine in der dritten Runde des Sachsen-Pokals aufeinander, in diesem Rahmen bereits am 02. September in Taucha.
Fotos: Marco Bertram