Osinów Dolny. Vorrangig nutzen Berliner diesen Grenzübergang und erledigen neben der Tankfüllung noch ihre Einkäufe. Der wöchentliche Tanktourismus. Die nur einen Katzensprung vom Grenzmarkt entfernte Kleinstadt Cedynia und die Umgebung mit seiner Heide bleibt einem Großteil dieser Leute unbekannt. Auf dem Weg dorthin passiert der Reisende ein Adler-Denkmal und ein riesiges Mosaik mit einer mittelalterlichen Darstellung, welche die Schlacht von Zehden zeigt. Ottos Heer scheiterte 972 vermutlich hier an Mieszkos Truppen. Mieszko I. würde bestimmt noch heute stolz wie Bolle sein, wenn er bei youtube Aufruf-Videos zu Spielen der Polen gegen die DFB-Auswahl mit dem Zeigefinger auf seinen Sieg sehen würde. Tannenberg 1410 löst da ebenfalls noch Freudensprünge aus. 2008 wurde eines dieser Videos dort hochgeladen und auch ein Deutscher wird über diese kleine Provokation grinsen.
Auf nach Cedynia! Stimmungs-Check vor dem Länderspiel Deutschland vs. Polen
Na mal schauen, ob man sich zwei Tage vor dem Länderspiel noch nach Polen trauen kann. Nicht nur einmal hörte man als Polen-Fahrer schon Sätze wie: „Was, du fährst nach Polen, als Deutscher?“ Und schon wieder ging es ins Nachbarland. Um bei der Wahrheit zu bleiben, die Benzinpreise mit 1,10 für einen Liter Super verlocken sehr. Der Landespokal bot außerdem noch eine Vielzahl an Spielen und so wurde eins davon ausgewählt, wo vielleicht eine Fahne zu sehen sein könnte und der Platz auch über eine gewisse Ästhetik verfügen möge. Und einmal wieder zieht mahnend das große Mittelalter-Mosaik mit den unbefleckten weißen polnischen Rittern und den bösen schwarzen Deutschen an mir vorbei. Reumütig senke ich als Deutscher den Kopf und überlege derweil, weshalb es keine so belehrenden Dokumentationen über Otto I. gibt. Ottos Weiber, Ottos Kleider, Ottos Mops. Der Österreicher ist ja dagegen jeden Abend der Star im Programm bei diversen Sendern.
Pünktlichkeit braucht man bei diesen Pokalspielen nicht erwarten. Daher plante ich fünf Minuten nach dem offiziellen Anstoß dort zu sein. Und sogar das war noch viel zu früh. Auch die Zuschauer moserten schon rum, ob es nicht langsam mal angepfiffen werden könne. Der Landespokal in Polen ist eigentlich eine lustige Sache. Keiner will ihn so recht. So gibt es häufig kuriose Ergebnisse. Später in der ersten Runde sind die Großen sowieso noch nicht dabei, wenn man als Gewinner des Landespokals dort antritt. Wenn man Pech hat, zieht man noch eine Hauertruppe, sodass noch zusätzliche Sicherheitskosten winken. Bleibt nur die Hoffnung, so schnell wie möglich diesem Strudel zu entfliehen und dann noch das Glück dabei zu besitzen, ein Heimspiel zu bekommen.
Czcibor Cedynia hatte das Glück. Der Gegner aus Mostkowo hatte einen gar nicht so kurzen Weg, sodass auch noch aus Arbeitsgründen nicht mit der vollen Kapelle angetreten werden konnte. Cedynia ist der Tabellenführer der 8. Liga und Mostkowo der der 7. Schnell steht es auch 2:0. Da waren noch keine zehn Minuten gespielt. Koral Mostkowo kommt durch einen sehenswerten Lupfer noch einmal kurzzeitig heran, ehe sie in der ersten Hälfte noch einen Treffer kassieren und in der zweiten noch zwei weitere. 5:1 am Ende für den Außenseiter. Die wenigen noch verbliebenen Zuschauer bedanken sich bei den Spielern und die Spieler bedanken sich fürs Zuschauen. So muss das sein! So war es in Polen schon immer.
Bei meinem letzten Besuch vor vielen Jahren war hier logischerweise etwas mehr los als bei dieser heutigen Nummer unter der Woche. Dennoch hing heute die Fahne. Die Zuschauerzahl war mit 30 Nasen doch etwas dürftig. Neben dem Sportplatz gibt es einen Hügel, auf welchem sogar eine Bank steht. Damals sammelte sich dort eine Gruppe von Fans mit der besagten Fahne, unterstützte, zündelte und warf Kassenrollen. Kultige Truppe. „Ole, ole, ole, ola i tylko (nur) Czcibor, Czcibor Cedynia“ nach der Melodie vom Lauterer Stadionlied war der Ohrwurm bei diesem Spiel. Czcibor ist übrigens der Name von Mieszkos Bruder.
Und schon wieder geht es am Denkmal vorbei. Gleich dahinter gibt’s Kraftstoff, ehe ich schon wieder deutschen Boden unter den Füßen habe. Nun glänzt auf der anderen Seite der Oder die alte Zellulose-Fabrik in der Abendsonne. Heute dient sie als Räumlichkeit für einen der letzten Polenmärkte. In großen Lettern prangert dort „Oder-Center Berlin“. Interessante Einrichtung und jedes Wochenende durch ein deutsches Tanktouristen-Heer aufs Neue belagert. Sogar einen Shuttle-Service gibt es – nach Berlin! Was würde wohl Mieszko I. darüber denken?
So, nun soll mal Jogis Truppe, am Freitag die Schmach von 972 wieder ausmerzen. Und wenn nicht, dann nicht. Eigentlich ist’s mir auch Wurscht.
Fotos: Michael