Der achtmalige DDR-Meister gegen den dreimaligen DDR-Meister. Ganz besonders in den 1970er Jahren prägte das Duell SG Dynamo Dresden vs. 1. FC Magdeburg den Fußball im Osten unseres Landes. Nach dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung begegneten sich die Rivalen im Zeitraum 1997 bis 2008 nur noch in der Regionalliga Nordost bzw. Nord, in der Saison 2001/02 sogar nur in der NOFV-Oberliga Süd. Zum letzten Mal spielten die SGD und der 1. FCM am 23. Februar 2008 gegeneinander, damals gewann Dresden vor 8.567 Zuschauern im Rudolf-Harbig-Stadion mit 1:0. Es wurde höchste Zeit, dass es nach siebeneinhalb Jahren endlich wieder zum Gipfeltreffen kam. Nach dem Aufstieg der Magdeburger konnte dieses nun in der 3. Liga ausgetragen werden. Die Fans beider Seiten waren extrem heiß auf diese Partie, innerhalb kürzester Zeit gingen die Tickets weg wie einst die warmen Semmeln beim HO-Bäcker um die Ecke. Der 1. FC Magdeburg erhielt ein gekürztes Kontingent von 1.800 Karten. Allzu eng sollten die FCM-Fans somit nicht im in der Ecke befindlichen Gästeblock stehen. Karten für die anliegenden Sitzplätze wurden erst gar nicht angeboten.
SG Dynamo Dresden vs. 1. FC Magdeburg: Geglücktes Projekt X, gescheiterte Gäste-Choreo
HotEs pochte in den Adern, es wummerte in der Brust, es rumorte im Bauch. Die übliche Aufregung vor diesem Duell wuchs stündlich an. Über allen anderen Fragen im Raum stand jene: Was hatte die Fanszene der SG Dynamo Dresden geplant? Projekt X! 851 Tage lang geplant und vorbereitet. Was könnte das wohl sein? Die kursierende Summe für die geplante Choreo erschien nicht wirklich astronomisch. Vielmehr schien der Aufwand gigantisch gewesen zu sein. Rätselraten. Doch egal, wen man auch fragte, niemand konnte Auskunft geben. Aus dem engen Kreis der Ultras Dynamo war nichts durchgesickert. Die meisten Dynamo-Fans hatten keinen blassen Schimmer, was sie kurz vor 14 Uhr erwarten würde. Alle anderen Fußballfreunde schon mal gar nicht.
Hektisches Treiben gegen 13:15. Helfer in gelben Shirts eilten umher und schauten, ob alles gut ausgelegt war. Wie ein orangefarbener Lindwurm zog sich die bereitgelegte Choreo am unteren Rand der Ränge entlang. Man ahnte nun bereits, dass es auf eine gigantische Blockfahne hinauslaufen würde. Ein ganz leichtes Stirnrunzeln kam nun doch auf. Sollte es nicht etwas ganz, ganz neues sein? Etwas, das man noch nie gesehen hatte? Was hätte das auch sein können? Pyro Infernale wie in Saloniki oder Buenos Aires? Nein! Tausende geklaute Fanartikel? Ähnlich wie kürzlich bei Hansa Rostock auf der Südtribüne zusammengesetzt?! Hm, eher nicht. Der Verein wäre wohl kaum begeistert gewesen. Also was dann? Riesige Figuren aus Stoffen und Pappen, die eine Geschichte nachstellen? So etwas wäre meine persönliche Vermutung gewesen. Am Ende war es dann doch „nur“ eine gigantische Blockfahne.
Auch wenn eine Blockfahne nicht wirklich eine neue Idee ist, so haute die in Dresden gezeigte Version einen dann doch vom Hocker. Einmal ringsherum in einem Stück. Reibungslos wurde der Stoff gleichzeitig auf allen Seiten hochgezogen. Echte Maßarbeit. An sämtliche Neigungen und Winkel wurde gedacht. Die Blockfahne saß am Ende wie der Maßanzug eines russischen Ölbarons. 851 Tage wurde gemessen, geplant, genäht, bemalt und zusammengenäht. Am Ende muss jeder selbst entscheiden, ob das nun die ultimative Idee war. Beeindruckend sah es in jedem Fall aus. Zu lesen war: „Die Legende aus Elbflorenz, der Verein mit den besten Fans“.
Und die Magdeburger? Diese werden wohl kaum mit leeren Taschen angereist sein. Dass bei solch einem brisanten Spiel kaum Materialien erlaubt sind, dürfte bekannt sein. Deshalb wird in der Regel versucht, das Material auf andere Art und Weise in den Block zu schaffen. Dies gelang jedoch nicht an diesem Nachmittag. Die geplante Choreo musste im Gästeblock abgeblasen werden. Kurz vor Spielschluss sah man einige blaue Fetzen Folie durch die Luft fliegen. Dies waren wohl die kläglichen Reste, die in den Block geschafft werden konnten. Selbst das Block U-Banner erreichte erst last Minute unmittelbar vor dem Anpfiff im Rucksack den unteren Bereich des Blockes, wo die Mehrzahl der FCM-Anhänger schwarz vermummt war. Nachdem es an der Plexiglaswand befestigt war, konnte der Support beginnen. Kurzzeitig wehte im oberen Bereich eine große Fahne, später wurde diese jedoch wieder abgelegt. Es blieb somit allein bei Gesang und Schlachtrufen.
Auf dem Platz versuchte der 1. FC Magdeburg sogleich eine Duftmarke abzugeben. Was zuvor dem FC Energie Cottbus gelang, sollte schließlich auch dem 1. FCM möglich sein: Ein Sieg beim Tabellenführer Dynamo Dresden. Nach zehn Minuten musste SGD-Keeper Blaswich mit einem Hechtsprung retten, eine Minute später schoss Christian Beck rechts am Dynamo-Gehäuse vorbei. Es brauchte allerdings nicht lange, bis der Gastgeber Alarm machte. Giuliano Modica setzte einen Kopfball an die Unterkante der Latte. Dresden war nun wach und bekam in der 21. Minute einen Elfmeter. Der Grund: Handspiel von Malone, der vor einer Woche gegen Wehen Wiesbaden seinen ersten Treffer für den 1. FCM erzielt hatte. Justin Eilers ließ sich nicht lange bitten und verwandelte zum 1:0 für Dresden. Jubel, Trubel, Heiterkeit auf den Rängen. Doch die ganz großartige Stimmung, die einem solchen Duell gerecht wird, sollte zu jenem Zeitpunkt noch nicht aufkommen.
„Fußballclub Magdeburg … 1. FCM, hey!“, rief der Gästeanhang. Vom recht frühen Rückstand ließ man sich nicht beirren. Im Laufe der Saison hatte die Magdeburger Mannschaft bereits manch ein Ding ausgebügelt. Exakt nach 30 Minuten legte das Heimpublikum ein Schippchen drauf. „Steht auf, wenn ihr Dresden seid!“, ertönte es nun. Die bekannte Fahne, auf der eine Faust das FCM-Logo zerschlägt, wurde am K-Block hin und her geschwenkt. „Wer nicht hüpft ist Magdeburger!“, ließ das Heimpublikum nun lautstark verlauten. Der 1. FCM hatte die passende Antwort parat - und zwar auf dem Rasen. Farrona Pulido setzte vom Strafraumrand aus den Ball mit Schmackes unter die Latte. Ausgleich! Kollektives freudiges Durchdrehen im Gästeblock. Manch einer schnitt sogar symbolisch einen Kopf ab. Nun war Pfeffer drin. Block U & Co machten Dampf. „Vorwärts Magdeburger Jungs!“ hallte es aus der Ecke. Im Gegenzug drängte die Sportgemeinschaft zum 2:1, doch vor der Pause sollten keinen weiteren Treffer mehr fallen.
Zu Beginn des zweiten Spielabschnittes hatte Dresden sogleich eine gute Chance. Dresden machte mächtig Druck, doch Jan Glinker im Magdeburger Tor war äußerst gut aufgelegt und zeigte tolle Paraden. Würde er am Ende sogar den einen Punkt festhalten können? Nein. In der 73. Minute ließ die SGD den Knoten platzen. Der zuvor eingewechselte Testroet wurde prima angespielt, ohne Mühe umkurvte er Glinker und schob zum 2:1 ein. Auf den Rängen brachen schwarz-gelbe Dämme. Am Pufferbereich der Gegengerade ließ manch eine Dynamo-Kante den Emotionen freien Lauf und zeigte den Gästefans, was er von ihnen hält. Das Publikum war nun endgültig da und sorgte für die passende Atmosphäre.
Kurz nach dem 2:1 wurden am Zaun des K-Blocks diverse Magdeburger Materialen befestigt. Darunter eine ältere Quedlinburger Fanclub-Fahne. Nun wurde es bitter für die Gäste. In der 81. Minute setzte Eilers den Ball sehenswert als Bogenlampe über Glinker zum 3:1 in die Maschen. Tosender Jubel, noch einmal vollzogen die Fans ein Freudentänzchen. Alles gelaufen? Noch nicht! Der unterhaltsame Fußballnachmittag hatte noch einen Treffer parat. Nach einer Freistoßflanke köpfte Malone zum 2:3-Anschluss den Ball in den linken Winkel. Aufkeimende Hoffnung im Gästeblock. Anspannung auf beiden Seiten. Als es kurz vor Schluss noch einen Magdeburger Freistoß gab, lag das 3:3 in der Luft. Ui, ui, nun der Ausgleich und die Stimmung wäre noch einmal komplett gekippt. Der Freistoß wurde allerdings über die Latte gelenkt und in der Folgezeit brachte die SGD die knappe Führung gekonnt über die Zeit.
Gefeiert wurden beide Mannschaften. Die eine für den Sieg. Die andere für den gezeigten Einsatz. Nachdem schließlich am K-Block die blau-weißen Materialien abgefackelt wurden, kam am und im Gästeblock noch einmal Hektik auf. Die Betriebstemperatur stieg und beide Seiten hatten sich in verbaler Form noch einiges auszutauschen. Zwei im Gästeblock abgefeuerte Leuchtkugel flogen quer über den Platz. Eine Dritte traf das Stadiondach und wurde von dort aus auf die Tribüne hinter dem Tor abgelenkt. Die Lage schien kurzzeitig aus dem Ruder zu laufen. Die ersten Dresdner rissen an der Plane, einer hämmerte voller Wut mit seiner Krücke.
Auf der anderen Seiten verfingen sich die Ersten in den ausgelegten Netzen. Ringsherum leerten sich bereits die Ränge, am Gästeblock schienen die Wortgefechte und Drohgebärden indes einfach nicht enden wollen. Nach über sieben Jahre hatte man sich eine Menge zu sagen. Nach und nach beruhigte sich das Ganze jedoch und auch der Gästeblock leerte sich nun nach und nach. Somit blieb diesem aufregenden Fußballnachmittag ein hässlicher Abschluss in Form von körperlichen Auseinandersetzungen oder eines Polizeieinsatzes auf den Rängen erspart.
Wie es weitergeht? Der 1. FC Magdeburg hat am kommenden Samstag den SC Preußen Münster zu Gast, die SG Dynamo Dresden reist bereits am Freitag zum SV Wehen Wiesbaden.
Fotos: Marco Bertram
Ligen
Benutzer-Kommentare
Macht bitte weiter so!!!