Die Nachwuchsmannschaft U23 eines Klubs abzuschaffen sei ein großer Fehler, sagte BVB-Nachwuchskoordinator Lars Ricken gestern im Interview mit dem TV Sender Sport1 vor der Partie bei der SG Wattenscheid 09. Klar, schaut man sich das gestrige Spiel und vor allem die starke akustische und farbenfrohe Unterstützung für die zweite Reihe von Borussia Dortmund an, möchte man der Spielerlegende Recht geben. Aber nicht alle Vereine haben das begeisterungsfähige Fanpotential, um die eigene U23 zusätzlich zur ersten Mannschaft zu unterstützen.
Wattenscheid vs. BVB II: Farbenfrohe Pyroshow und gelungenes Trainerdebüt
Aus sportlicher Entwicklungssicht mag Lars Ricken (der für die BVB-Profis 301 Pflichtspiele bestritt und 49 Tore schoss), der dies natürlich ganz im Sinne seiner Tätigkeit nicht ganz ohne Eigennutz argumentierte, Recht haben. Aber er würde sicherlich anders denken, wenn die Dortmunder statt in den Top-Ligen Europas in den Niederungen des deutschen Ligen-Systems nach Erfolgen streben und dabei „unattraktive“ Spiele gegen die Zwoten der Profiklubs absolvieren müssten, die möglichen „attraktiveren“ Gegnern (mit Fans) den Startplatz wegnehmen. Beispiel: Rot-Weiss Essen gegen Schalke 04 II vom vergangenen Wochenende. Eine Partie, die fast parallel zum Derby Borussia Dortmund gegen die erste Mannschaft der Schalker stattfand. Trotz Boykott der aktiven Schalker Fanszene des „großen“ Derbys, fanden sich gerade einmal 34 Gästefans im Stadion an der Hafenstraße ein.
Die Ligen brauchen keine U23-Mannschaften der Profiklubs – eine eigene regionale Nachwuchsrunde wäre an dieser Stelle sinnvoller, auch wenn die Dortmunder Anhänger dann nicht mehr so einen starken Support zeigen könnten wie gestern. Unter den 1.929 Zuschauern, sympathisierte gut die Hälfte für Schwarz-Gelb. Sicherlich, die etwas niedrige Zuschauerzahl ist ein wenig der späten Anstoßzeit und der TV-Übertragung (Spruchband von einigen Wattenscheid Fans: „We don´t like Tuesdays“) geschuldet, aber wäre das Spiel auf den „Derbytag“ parallel zur Bundesligapartie Dortmund gegen Schalke gelegt worden, hätten wahrscheinlich ebenso viele BVB-Anhänger sich in die Lohrheide, wie Schalker an die Hafenstraße verirrt. So bekam das Lohrheidestadion wieder einmal ein Flutlichtspiel, einen vollen Gästeblock und eine starke Pyroshow Anfang der zweiten Halbzeit zu sehen.
Der letzte Auftritt der U23 des BVB in Wattenscheid liegt gerade einmal zwei Wochen zurück: Im kleinen Derby gegen die U23 von Schalke 04 (28. Oktober – Mittwochnachmittag 15 Uhr) gab es ein 0:0 vor etwa hundert Dortmunder Anhängern. Gestern sah es ein wenig anders aus: Während ein Großteil der schwarz-gelben Anhängerschaft schon im Gästeblock auf den Anpfiff wartete, kam die aktive Fanszene (mit drei gecharterte Reisebussen) fast mit dem Anstoß und brachte den Block auf Betriebstemperatur, welche die Wattenscheider – zwar akustisch unterlegen – längst erreicht hatten.
Sportlich ein wenig verkehrte Welt vor dem Match in der Lohrheide: Die Zwote von Dortmund gerade aus der dritten Liga abgestiegen, kämpft gegen den Abstieg, während die Wattenscheider – in der vergangenen Saison dem Abstieg entronnen, an den oberen Tabellenplätzen schnuppert. Im Archiv gewühlt: Gab es schon einmal eine Partie der Dortmunder U23 gegen Wattenscheid (die Testpartie Anfang der Saison ausgenommen, die der BVB mit 5:0 gewann)? Nix gefunden. Dafür duellierten sich die Profiteams vor allem in den 1970er und 1990er Jahren. Das letzte Spiel fand aber nicht in Bundesliga oder Regionalliga, sondern im DFB Pokal statt: In der ersten Runde 1996 gewann Wattenscheid mit 4:3 nach Verlängerung vor 9.600 Zuschauern in der Lohrheide.
Das erste Spiel unter dem neuen BVB-Trainergespann aus Lippstadt Daniel Farke und Edmund Riemer gestaltete sich für die BVB-Bubis erfolgreich. Zwar spielte Wattenscheid gut auf, haperte aber an der Chancenverwertung. Dies machten die Dortmunder besser, aber erst in der zweiten Hälfte, die aus Fansicht und für Leute, die gegen ein wenig Pyrotechnik nichts einzuwenden haben, furios begann: Kurz vor Ende der Halbzeitpause kletterten einige BVB-Fans auf den Gästezaun, der größte Teil von ihnen mit Sturmhauben in Vereinsfarben maskiert. Die Wattenscheider Mannschaft und die Schiedsrichter waren bereits auf dem Spielfeld und die Dortmunder Fans warteten. Die Ordner vor dem Gästeblock redeten kurz mit den Anhängern und besorgten darauf hin ganz relaxed feuerlöschendes Material wie Eimer mit Sand. Der Kamerawagen der Polizei fuhr in Abstand vor den Block und als die Mannschaft des BVB zum Anstoß antrat, zündeten die Dortmunder Ultras ("Ultras von die Amateure") eine sehr ansehnliche Pyroaktion mit Bengalischem Feuer, Fackeln (Bengalos), Rauchtöpfen und einer Raketen-Batterie. Nach der ein paar Minuten dauernden Show, die durch Fahnenschwenker untermalt wurde, verschwanden die „Pyrotechniker“ von den Zäunen unter eine Blockfahne und der Support nahm wieder die normale Betriebstemperatur ein.
Diese hatten auch Philipp Hanke und Mitsuru Maruoka vom BVB, die ihr Team auf die Erfolgsspur brachten, obwohl die Wattenscheider alles versuchten. Der Sprung auf den zweiten Tabellenplatz wurde nicht erreicht, dafür konnten die Dortmunder die Abstiegsregion der Regionalliga West verlassen. Weiter geht es für Borussia Dortmund II am Samstag zu Hause gegen den FC Wegberg-Beeck, sicherlich aufgrund der Länderspielpause vor einigen Zuschauern. Die SG Wattenscheid 09 reist indes nach Wiedenbrück.
- Lohrheidestadion