Ausschluss der Gästefans: Der gefährliche Gang auf dem dünnen Eis

FCMDie Katze wurde aus den Sack gelassen. Nach 24 Stunden Warten kam endlich am gestrigen Abend die offizielle Meldung des 1. FC Magdeburg. Nachdem am Abend zuvor von der Fanszene Rostock die Nachricht verbreitet wurde, dass der F.C. Hansa Rostock für das Spiel am 05. März 2016 keine Karten erhalten würde, folgte nun ein Tag später die bittere Botschaft aus Magdeburg. Und was soll man sagen? Der Schock saß am Montagabend tief. Doch am gestrigen Abend kam eine Enttäuschung hinzu, die nicht in Worte zu fassen ist. Was hatte ich die letzten Monate euphorisch in die Tasten gehauen. Nach dem Aufstieg wurde der 1. FC Magdeburg eines meiner Lieblingsthemen. Mit großen Worten lobte ich das, was dort gemeinsam aufgebaut wurde. Der sportliche Sprung nach oben, die Mannschaft, die grandiose Stimmung im Stadion. Positiv hervorgehoben wurde auch stets, dass sich in Magdeburg einiges entspannter anfühlte. Die Ordner agierten stets konsequent, aber nicht überdreht. Im Großen und Ganzen hielt sich im städtischen Raum die örtliche (!) Polizei auch mehr zurück als anderswo. Keine Probleme bei heimischen Fanmärschen. Von allen Seiten bekam man zu hören, dass in Magdeburg auf Kommunikation gesetzt wird. Voilà, man durfte beeindruckt sein. Auch die, die generell den 1. FCM hassen, zogen schon mal den Hut und meinten: Trotz aller Rivalität muss gesagt werden, das Vollbrachte ist eine Leistung. Der 1. FCM ist eine Bereicherung für die 3. Liga.

FCMUmso schockierender ist das, was zuletzt passierte. Es wäre vom Gefühl her besser zu wissen, der Verband, die Behörden, die Polizei seien Schuld. Auch die betroffenen Fans wüssten dann: Okay, der übliche Feind legt wieder Kanthölzer in den Weg. Von diesem Spielchen können die Fans schließlich seit Jahren ein Liedchen trällern. Was jedoch bereits seit geraumer Zeit beobachtet werden konnte - in Burghausen, bei den Stuttgarter Kickers und anderswo -, tritt nun auch in Magdeburg ein: Die Vereine selbst ergreifen die eine oder andere Maßnahme, mit der man ganz und gar nicht als Fußballfan zufrieden sein kann. Weshalb so massiv die Hebel angesetzt werden, ist nicht ganz klar. 

FCMSeit 1991 spielte der 1. FC Magdeburg 25 lange Jahre lang im Amateurfußball. Man mag diese Kamelle gar nicht mehr rausholen. Eine ganze Generation tingelte nur in der Ober- und Regionalliga umher. Während Dynamo Dresden, Hansa Rostock, Energie Cottbus und auch der VfB Leipzig - mal länger, mal kürzer - ganz oben Bundesligaluft schnupperten, mussten sich die FCM-Fans mitunter mit ganz karger Kost begnügen. In den 90ern waren in der Oberliga mitunter der VfB Lichterfelde, der 1. FC Schwedt und Motor Eberswalde die Gegner. Nichts gegen Motor, aber für einen einstigen Platzhirsch der DDR-Oberliga eine verdammt harte Nummer. Hoffnung, Enttäuschungen, Rückschläge. Und viele bittere Tränen. Der verpasste Aufstieg 2007, die Katastrophen-Saison 2011/12, als jedoch immer noch ein Zuschauerschnitt von über 4.000 zu verzeichnen war. 

Umso größer war die Freude der FCM-Fans über den so lang ersehnten Aufstieg in die 3. Liga. Profifußball in der Börde. Endlich! Volle Ränge. Und auch der Gästeblock wurde nicht nur von 70 Fans des ZFC Meuselwitz besiedelt. Auf die Duelle gegen die Ost-Rivalen war man selbstverständlich richtig heiß. Das sahen auch die Fans der Rivalen so. Trotz genereller Abneigung - auf Magdeburg freuten sich alle. Und ja, ganz besonders auf das Duell 1. FC Magdeburg vs. F.C. Hansa Rostock war man gespannt. 

CBNun wird dieses Duell höchstwahrscheinlich ohne Gästefans stattfinden. Eine ganz, ganz bittere Pille. Zwar wurden die Pläne, die Rostocker Anhängerschaft ganz auszuschließen, gestern geändert, doch der Fakt, dass der F.C. Hansa nur 700 personalisierte (!) Tickets erhalten soll, kommt dem quasi gleich. Die Rostocker werden diesen Krümel ganz gewiss nicht annehmen. Vergleicht man die Aufnahmen vom Gästebereich in dieser Saison, so kann man gute Vergleiche anstellen. 1.800 Erfurter waren vor Ort, HFC-Fans waren es noch ein paar mehr. 954 Chemnitzer hatten vorbeigeschaut und aus der Lausitz waren immerhin 705 Fußballfreunde angereist. Diese 705 Fans hatten sich dann jedoch etwas auf dem äußeren Bereich der Hintertortribüne verloren. Und genauso viele Tickets sollen die Rostocker erhalten?!

fcmWortwörtlich heißt es in der Meldung des 1. FCM: „Dieses Spiel wurde als Hochsicherheitsspiel eingestuft. Einhergehend mit dieser Einstufung und aufgrund der noch unvollendeten baulichen Sicherheitsvorkehrungen in der MDCC-Arena Magdeburg hatte sich der 1. FC Magdeburg im Vorfeld gemeinsam mit der Landeshauptstadt Magdeburg und der zuständigen Polizeibehörde auf  ein maximal mögliches Gästekartenkontingent von 700 Karten geeinigt. Aufgrund der Einschätzung der aktuellen Gefahrenlage wurde durch die Polizei eine weitere Empfehlung ausgesprochen, die Partie zwischen dem 1. FC Magdeburg und dem FC Hansa Rostock ohne Gästefans auszutragen. Der 1. FC Magdeburg hat sich entschieden, dem FC Hansa Rostock das für dieses Spiel das maximal mögliche Gästekartenkontingent von 700 personalisierten Karten zur Verfügung zu stellen. Für die Zukunft geht der 1. FC Magdeburg davon aus, dass nach den abgeschlossenen Umbaumaßnahmen im Gästebereich der MDCC-Arena Magdeburg grundsätzlich ein höheres Gästekartenkontingent zur Verfügung gestellt werden kann. Ein Komplettausschluss von Gästefans ist nicht das Ziel des 1. FC Magdeburg.“

HansaDie Reaktion von Seiten der Fans in Rostock und Magdeburg war überaus deutlich. Über 200 wütende FB-Kommentare sind zu verzeichnen. In den Fan-Foren ist das Echo noch lauter. Fassungslosigkeit bei den FCM-Fans. In Rostock ist man einiges gewohnt. All die Auswärtsspiele in Dresden und beim FC St. Pauli - da kennt man solche drastischen Maßnahmen, auch wenn diese meist von den Behörden und vom Verband eingeleitet wurden. Ganz klar, die FCM-Fans fühlen sich betrogen. Erste Saison in der 3. Liga - und schon wird man um die stimmungsvollen Partien gegen Hansa Rostock (und eventuell Dynamo Dresden) gebracht. Ein Ost-Duell ohne Gästefans hat keinen Wert. So viel ist klar. 

HansaVöllig überrascht zeigte man sich auch in Rostock. So ging abends diese Meldung online: „Hallo Hansa-Fans, nachdem erneut WIR und nicht der 1. FC Magdeburg Kontakt aufgenommen haben, um für eine Klärung zu sorgen bzw. überhaupt ein offizielles Statement zu erhalten, was die Kartenvergabe für unsere Fans für das Auswärtsspiel am 05.03.2016 betrifft, hat sich der 1. FC Magdeburg heute Abend um 21 Uhr auf seiner Vereinsseite positioniert. Richtig, das Ergebnis haben auch wir nicht persönlich mitgeteilt bekommen, sondern mussten es der Mitteilung entnehmen. Dies ist in vielerlei Hinsicht extrem enttäuschend. Zum einen entspricht dieses Vorgehen in keiner Weise einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit und einem professionellen Umgang unter Vereinen. Zum anderen spiegelt das Ergebnis auch nicht die Inhalte der heutigen Kommunikation zwischen beiden Vereinen wider. Denn die jetzt präsentierte „Lösung“ - 700 personalisierte Tickets und die daran geknüpften Bedingungen - war in den heutigen unzähligen Telefonaten mit den Verantwortlichen des 1. FC Magdeburg zu keiner Zeit eine für uns akzeptable Option. Unsere Enttäuschung über den Alleingang des 1. FCM ist daher riesengroß. Eine ausführliche Stellungnahme unsererseits wird es morgen im Laufe des Tages geben. Heute sind auch wir sprachlos und müssen diese Nachricht ersteinmal verdauen! Euer F.C. Hansa Rostock“

GBDas Ganze ist umso erstaunlicher, weil am 05. Februar dieses Jahres in der Volksstimme ein Artikel mit dem Titel „Gästefans hinter Sicherheitsglas“ erschien. In diesem heißt es wortwörtlich: „Die gesamte Baumaßnahme wird rund 270.000 Euro kosten, sagte Steffen Schüller, Geschäftsführer des städtischen Stadionbetreibers MVGM, auf Volksstimme-Nachfrage, und sie soll bis zum 4. Mai dauern. Klar also, dass die zuschauerstarken Heimspiele gegen Hansa Rostock (5. März) und Dynamo Dresden (16. April) in die Bauzeit fallen. Für Steffen Schüller und FCM-Geschäftsstellenleiter Matthias Kahl ist das grundsätzlich kein zu großes Problem. Sie gehen davon aus, dass alle Plätze im Gästebereich genutzt werden können.“

Block UUnd nun? Ratlosigkeit. Die Fans des F.C. Hansa Rostock werden nun eine Demonstration in Magdeburg anmelden. Noch einmal zur Wort gemeldet hat sich der Block U, der bereits am Abend zuvor ein klares Statement abgab. So heißt es in der aktuellen Meldung: „Unter Bezugnahme auf die aktuelle Pressemitteilung des 1. FC Magdeburg teilt Block U - 1. FC Magdeburg mit, dass ein Kartenkontingent mit nur 700 personalisierten Eintrittskarten für die Fans des F.C. Hansa Rostock nicht ansatzweise zu akzeptieren ist. Wir fordern die Vereinsführung des 1. FC Magdeburg mit aller Vehemenz auf, den Gästefans aus Rostock ein Kartenkontingent in Höhe von 10 % der Gesamtkapazität zur Verfügung zu stellen. Wir unterstellen den Verantwortlichen des 1. FC Magdeburg langfristig geplant zu haben, das Fußballspiel gegen den F.C. Hansa Rostock nicht mit einem vollen Gästekontingent stattfinden zu lassen. Das nun vorgespielte gönnerhafte Verhalten der Clubführung empfinden wir als bodenlose Frechheit und als Konfrontationskurs gegenüber der gesamten Fanszene. Für den Spieltag halten wie uns weiterhin alle Optionen offen. Fest steht nur, dass am 5. März 2016 unter den gegebenen Umständen kein stimmungsvolles Ostduell stattfinden wird. Es macht uns fassungslos feststellen zu müssen, dass Vereinsführung und Fanszene so weit voneinander entfernt sind. In der täglichen Außendarstellung werden wir Fans als hohes Gut verkauft. Die Wirklichkeit scheint eine andere zu sein. Zudem weisen wir darauf hin, dass unsere Forderung ausdrücklich auch für das Heimspiel gegen die SG Dynamo Dresden gilt.“

FCMDie Deutlichkeit dürfte manch einen Außenstehenden überraschen. Klar sein dürfte, dass das Eis sehr dünn ist, auf das sich generell bewegt wird. So genial die Atmosphäre zuletzt auch sein mochte, der Bruch zwischen aktiver Fanszene und Verein kann schneller geschehen, als man vermutet. Magdeburg ist nicht Dresden oder Rostock. Für Magdeburg kann solch ein Konflikt äußerst problematisch werden, da beide Seiten nicht die Erfahrung haben mit solch einer Form von Reibereien. Das, was zuletzt so harmonisch wirkte, steht nun auf dem Prüfstand. Kommt es hart auf hart, können die Heimspiele gegen Hansa Rostock und eventuell auch gegen die SG Dynamo Dresden zum totalen PR-Desaster werden. Und ja, kaum jemand wird nun Schadenfreude verspüren - denn letztendlich wollen alle nur das Eine: Stimmungsvolle Ost-Duelle vor vollen Rängen.

Wichtige Ergänzung: Parallel zu diesem turus-Text (zeitlich komplett überschnitten) ging eine weitere Erklärung des 1. FC Magdeburg online, auf die es bereits heftige Reaktionen auf der Facebook-Seite des 1. FCM gibt. Bereits beim ersten Abschnitt der Erklärung gibt es scharfe Kritik von Seiten der Fans: "Vor zwei Wochen wurde der Abteilung Sicherheit des 1. FC Magdeburg durch die Polizei des Landes Sachsen-Anhalt mitgeteilt, dass das Spiel 1. FC Magdeburg gegen FC Hansa Rostock (05.03.2016, 14:00 Uhr, MDCC-Arena Magdeburg) als Hochsicherheitsspiel eingestuft wurde. Mit dieser Einstufung gelten andere Regeln und Vorgehensweisen gegenüber normalen Meisterschaftsspielen. Im Ergebnis dieser Einstufung hat die Polizei festgelegt, nicht mehr als 700 Gästefans für das Spiel zuzulassen. Diese Festlegung war für die Polizei in der Höhe des Gästekartenkontingents zu keiner Zeit verhandelbar. Der 1. FC Magdeburg spricht sich grundsätzlich gegen die Abkehr von der Zehn-Prozent-Regel aus. ..." 

Die ganze Erklärung des 1. FC Magdeburg:

> Erklärung zur Reduzierung vom Gästekartenkontingent

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: 1. FC Magdeburg

> zur turus-Fotostrecke: F.C. Hansa Rostock

Artikel wurde veröffentlicht am
17 Februar 2016

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Kommentare
Die Begrenzung der Gästetickets der Partien Dresden - FCM und auch Dresden - Hansa wurde von den Behörden / Polizei veranlasst und nicht wie in diesem Fall vom Verein selbst initiiert.
Das ist doch der K(n)ackpunkt.
Und meines Wissens waren die Tickets damals auch nicht personalisiert.
Grundsätzlich sollte eine Limitierung des Gästekontingentes völlig ausgeschlossen werden!
R
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Schade insgesamt für die friedlichen Fans. Was ich allerdings nicht verstehe ist, warum sich niemand auch nur ansatzweise darüber aufregt, dass die Dresdner zum Spiel gegen den FCM auch nur 1.500 Gästefans (ca. 5% der Gesamtkapazität) zugelassen haben. Man sollte die Kirche mal im Dorf lassen.
J
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Auch wenn es nur 700 Tickets sind, finde ich das auch noch in Ordnung. Intern muss dann Hansa das klären, wer die Tickets bekommt.

Diese Personalisierung ist das, was nicht sauber an der Sache ist. Gelegentlich kam es bereits vor (ich glaube Union-Dresden machte mal den Anfang) und bei den Großveranstaltung wird es von den angemalten Riesen-Hut-Trägern und Touristen ohnehin hingenommen, sodass es anscheinend schon zur Normalität geworden ist.
M
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Genau so schauts aus!! Danke!!
U
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Finde ich stark vom Block U, trotz aller Rivalität
G
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(Aktualisiert: 17 Februar 2016)
Verstehe jetzt nicht das Problem: 700 Tickets sind doch voll in Ordnung. Finde die Raktion des Klubs völlig in Ordnung. Zumal ja Rostock nicht Fortuna Köln ist oder so. Die Jungs von der See haben einiges auf dem Kerbholz und es hätte sicherlich mächtig geknallt, wenn es die 3.000 Tickets gegeben. Hätte.
G
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G
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Aber okay. Ich will nicht wissen wie sehr Magdeburg von den Behörden unter Druck gesetzt wurde. Aber das kann mwn alles besser kmmunizieren. Blöd alles. VG Martin
M
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G
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Dem ist nichts hinzuzufügen. Vollen Zustimmung in allen Punkten. Ein Schlag ins Gesicht auch für alle, die sich voller Vorfreude eine (Rückrunden?)-Dauerkarte zugelegt haben. Ein Schlag ins Gesicht der aktiven Fanszene, mit der man sich von Vereinsseite so stolz brüstet, sowieso. Unter dem Deckmantel des Umbaus wird hier versucht, Gästefans auszusperren oder Kontingente zu verringern. Da haben die FCM-Offiziellen ihren Anhängern einen Bärendienst erwiesen!
C
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