Die Erwartungen beim österreichischen Rekordmeister waren vor dieser Saison so hoch wie schon lange nicht mehr. Nach zwei Jahren im ungeliebten Praterstadion sollte im neuen Weststadion endlich wieder an die Erfolge der Vergangenheit angeknüpft werden. Die Mission „33“ erschien vielen vor dem Saisonstart als realistisch. Nach einem überzeugenden Eröffnungsspiel im neuen Stadion (2:0 gegen den Chelsea FC) wurde die SV Ried mit 5:0 abgefertigt. Doch bereits am zweiten Spieltag folgte die erste Enttäuschung mit einer Niederlage gegen den vermeintlich kleinen SCR Altach. In der Folge schleppten sich die Rapidler eher schlecht als recht durch die Saison. Vor dem heutigen Spiel gegen Sturm Graz fanden sich die Wiener mit acht Punkten Rückstand hinter dem Lokalrivalen aus Wien auf Platz fünf wieder.
SK Rapid vs. SK Sturm Graz: Tornados Rapid zelebrieren 20. Geburtstag in mehreren Akten
Ganz anders startete der Gegner aus der steirischen Hauptstadt in die Saison. Smartes Understatement und ein glückliches Händchen in der Transferperiode katapultierten den Underdog an die Tabellenspitze. Dass die Euphorie in Graz so groß wie schon lange nicht mehr ist, bewiesen auch die zirka 3.000 Schlachtenbummler, die zum heutigen Spiel anreisten. Zum ersten Mal in der Geschichte des neuen Weststadions platzte der Gästeblock aus allen Nähten.
Zum Anpfiff zeigten die Grazer eine schicke Fähnchen-Choreographie die von vereinzelten Fackeln untermalt wurde. Im Block West feierten die Tornados Rapid ihr zwanzigstes Jubiläum. Insgesamt drei (!) Bilder wurden auf der Heimseite in den Anfangsminuten gezeigt. Darunter das alte Logo der Gruppe, das aktuelle Logo, sowie ein Jubiläumsbild konnten bestaunt werden. Man konnte nur den Hut vor dieser enormen Kraftanstrengung ziehen. Jedes Element der Choreos wurde mit der für die Rapid-Fans typischen Perfektion in den Block West gezimmert.
Auf dem Rasen entwickelte sich in den ersten Minuten eine gefällige Partie. Graz ging in 10. Minute durch einen wunderschönen Freistoßtreffer in Führung. Die Freude bei den Steirern hielt aber nur kurz, denn bereits drei Zeigerumdrehungen später markierte Kvilitaia nach einer Ecke per Kopf den Ausgleich. Zu Beginn der zweiten Spielhälfte folgte dann der vierte Teil der Feierlichkeiten rund um die Tornados. Über die gesamte West-Tribüne wurde ein durchsichtiger Vorhang mit dem Namen der Gruppe gezogen. Probleme machte dabei das angenähte „A“, dessen obere rechte Ecke sich langsam vom Vorhang ablöste. Bevor sich der Buchstabe allerdings komplett hätte verabschieden können, drückten ihn die Fans mit langen Fahnenstangen gegen den Vorhang. Dann kam was kommen musste. Hinter dem Vorhang wurden zahlreiche Blinker und Bengalos entzündet. Einmal mehr ganz großes Kino, das auf den Rängen fabriziert wurde.
Ganz groß ist auch die Aktion „Wiener helfen Wienern“, die jedes Jahr von der aktiven Fanszene initiiert wird. Per Spruchband und Bandenwerbung (!) wurde für die Aktion geworben, die dieses Jahr ein Kinderhospiz unterstützt. Zur Rapid-Viertelstunde wurde dann im Sektor der selbsternannten (a)sozialen Wiener Proleten noch einmal flächendeckend gezündet. Wenig später folgte der letzte Treffer des Tages.
Das Knie von Maxi Hofmann fälschte einen Schuss vom Grazer Schmerböck unhaltbar ins Tor ab. Unglücklich, aber auch bezeichnend für die prekäre Situation der Rapidler im Moment. Der Abstand auf Tabellenführer Sturm Graz ist damit auf 13 Punkte angewachsen. Die Grazer ließen es sich natürlich nicht nehmen noch Salz in die Wunde zu streuen und feierten den Auswärtssieg noch lange nach dem Spielende.
Fotos: Tim Seidenberg (Flickr-Seite)