Was für eine Euphorie ein Landespokal-Halbfinale entfachen kann und wieviel Potential noch in den tief abgerutschten Tradionsklubs steckt, zeigte sich gestern beim Spiel des Wuppertaler SV gegen Rot Weiss Essen. Über 13.000 Zuschauern (darunter gut 3.500 Gästefans) kamen an einem milden Dienstagabend in das Wuppertaler Stadion am Zoo zum Halbfinale im Niederrheinpokal. Das Ziel: Mindestens einmal im Jahr am attraktiven DFB-Pokal teilzunehmen und einen attraktiven Gegner zugelost bekommen.
WSV gegen RWE: 45 Minuten echte Power-Derby-Pokal-Leidenschaft
Einmal im Jahr ein Highlight, das ist bitter und man fragt sich warum solche Klubs in den unsäglichen Regionalligen versauern müssen, weil der Fußballverband nicht in der Lage ist eine eingermaßen faire Ligen- und Aufstiegsregelung zu treffen. Wäre es nicht auch für den Verband attraktiver Klassiker wie Wuppertal gegen Essen in den Profiligen anzupreisen, anstatt auf die immer gleichen Begegnungen Lobeshymnen zu schreiben? Aber in der "Champions League der Amateure" sowie der DFB seine Regionalligen selber betitelt, soll die Tradition scheinbar lieber unter sich bleiben. Der Verband scheint mehr auf Popcorn-Kino, als auf Leidenschaft zu setzen und lieber zu warten bis die Vereine aufgeben oder sich selbst aus dem Spiel nehmen (Aachen, Siegen). Es ist traurig.
Wer braucht schon ein "Championsleague Halbfinale", wenn er so was wie gestern hat, auch wenn das Niederrhein-Pokalhalbfinale zwischen dem WSV und RWE erst ab der zweiten Hälfte so richtig losging. Das stimmte vor allem einige der Rot Weiss Essen Fans sicherlich nicht traurig, die von der ersten Hälfte sowieso nichts mitbekamen: Mit zwei Entlastungszügen (inklusive lautstarkem rauchigem Marsch vom Bahnhof Sonnborn), Autos und Bussen rollten die RWE-Fans ins Tal. Ausführliche Kontrollen am Gästeeingang verzögerten den Einlass, so dass der Gästeblock noch zum Anpfiff relativ leer war. Auch auf der Heimseite, ein in der Regionalliga eher seltenes Bild: Eine Stunde vor dem Anpfiff ein rappelvoller Vorplatz und auch lange Schlangen an den Einlasskontrollen. Der Wuppertaler SV rief und die Wuppertaler kamen.
Die Fans konnten sich Zeit nehmen für Wurst und Bier, denn die erste Halbzeit bot kaum was sehenswertes nur hörenwertes: Beide aktiven Fangruppen gaben von Beginn an "Vollgas". Mehr Feuer und Leidenschaft gab es dann in den zweiten 45 Minuten. Erst brannten einige Essener Fans ein wenig Pyro ab, dann folgte ein rasantes Spiel auf dem Rasen. Wie üblich gab es auf beiden Rängen zahlreiche Spruchbänder zu lesen. Das interessanteste und längste zeigten die Wuppertaler Fans in Bezug auf die Teilnahme der aktiven Essener Fans an den ersten Pokalrunden: "Runde 1,2, oder 3, die Ultras aus Essen nie dabei. Doch gehts um was und ist ein Gegner da. Rufen sie stolz der RWE ist da" - ein Fünkchen Wahrheit steckte hier drin.
Sportlich ging es auch auf den Rasen ordentlich zur Sache. In der 55. Spielminute schlief die Essener Abwehr und vor der "Nord" startete das kollektive Ausrasten. 1:0 für den Wuppertaler SV durch Niklas Heidemann. Die Essener Fans ein wenig gedrückt mussten aber wohl anders als sie von ihrer Mannschaft erwartet hatten nicht lange warten. Bereits fünf Minuten später erzielte Benjamin Baier den Ausgleich und Timo Brauer legte fast zehn Minuten später zur Führung nach. Als in der 68. Spielminute wieder Benjamin Baier zur 3:1 Führung einnetzte, gab es im Gästebereich endgültig kein Halten mehr, bei dem auch einige Fahnen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Wuppertal kämpfte weiter stark und kam in der 80. Spielminute auf 3:2 (Schmetz) heran und war in den letzten Minuten alles nach vorne. Es reichte aber nicht mehr für den Ausgleich.
"Finale Bäääääm" - die Essener Fans und Spieler feierten den wiederholten Einzug ins Finale mit einem gleichlautenden Spruchband, während die WSV Fans traurig von dannen zogen. Wenige Minuten nach Abpfiff, die Fahnen waren gerade weggepackt, wollten es ein paar Rot-Blaue Anhänger doch noch wissen und die Gunst der Stunde der geöffneten Schleusentore nutzen und zum Gästebereich vordringen. Oder vielleicht wollten sie auch nur der angespannten Polizei (die auch gegenüber Journalisten für den ein oder anderen provokanten Spruch zu haben waren) noch ein wenig Laufarbeit bescheren, denn diese stoppte die wirklich harmlose Aktion, indem sie schnell in die entsprechenden Blöcke lief, ohne das es zu Kontakt der beiden Fangruppen kam. Die WSV-Fans traten den Rückzug an.
- Stadion am Zoo