„Haut euch rein für unseren Verein!“, hieß es zu Beginn des brisanten RL-Duells Weiß auf Blau vor der Babelsberger Nordkurve. Ein Spruch, der von einigen Anwesenden wohl zu wortwörtlich genommen wurde. Nachdem der Fußballabend im Karl-Liebknecht-Stadion um 18 Uhr mit einer Pyro-Show im Heimbereich begann und es im Gästeblock noch völlig ruhig war, wurde es im Laufe der ersten Halbzeit von Minute zu Minute hitziger. Die Sache nahm zunehmend Fahrt auf, aus dem Gästeblock ertönten mitunter rechte Parolen, aus der Babelsberger Nordkurve erfolgten die entsprechenden Antworten - nach knapp einer halben Stunde erfolgte die erste Entladung. An der Nahtstelle zum Pufferbereich befestigten Energie-Fans zuerst die Fahne der „Sektion Spreewald“. Kurz danach folgte ein gemaltes „03“ im Babelsberger Design. Davor wurde dann ein schwarzes doppeldeutiges „H8“ gespannt. Die Ordner halfen anfangs bereitwillig, die beiden Stoffe anzubringen und achteten darauf, dass die Werbebande nicht bedeckt wurde. Als ein Ordner erkannte, dass es sich hierbei um die Botschaft „Hate Nulldrei“ handelte, rupfte er den Stoff mit dem „03“ vom Zaun. Ein Stück oberhalb stieg indes roter Rauch auf, die ersten Cottbuser befanden sich bereits auf dem Zaun.
Babelsberg 03 vs. Energie Cottbus: Turbulente Szenen sorgen für zweifachen Fast-Abbruch
HotNun wurde es hektisch und auch recht schwer, den Überblick zu wahren. Im Gästeblock hatten etliche Anwesende den inneren Schalter umgelegt. Und zwar ganz klar auf Krawall-Stellung. Es dauerte nicht mehr lange, bis in der unteren Ecke der Mob aufgeputscht genug war. Ein weiterer Rauchtopf wurde gezündet, am Fluchttor wurde die erste kleine Werbetafel weggetreten. Wie oft wurde eigentlich in all den Jahren vom Gästeblock aus der Rasen des KarLi geentert? BFCer waren auf dem Platz, die Unioner, und auch die Magdeburger. In der Enge des Stadions lässt sich das einfach nicht vermeiden. Es fehlt schlichtweg der Platz zwischen Rasen und den Rängen, um dort vorsorglich während des Spielbetriebes eine Polizeikette zu positionieren. Sind die behelmten Einsatzkräfte erst einmal im Innenraum, ist die Partie quasi erst einmal unterbrochen.
So auch am heutigen Abend. Es wurde an den Netzen gezerrt, an den Zaunfeldern gerüttelt. Nachdem erste pyrotechnische Erzeugnisse in Richtung Nordkurve geworfen wurden, sprangen die ersten Cottbuser durch das aufgerissene Fangnetz auf den Rasen. Der Erste lieferte sich ein eins gegen eins mit einem Ordner, zwei, drei weitere Cottbuser rannten vor bis zur Babelsberger Nordkurve. Viele Meter waren ja nicht zurückzulegen.
Ein schwarz Vermummter gelangte sogar bis direkt vor das Filmstadt-Inferno-Banner, zögerte jedoch am Stoff zu reißen. Sekunden später wurde es von den Babelsbergern nach oben gezogen. Zwei weitere Cottbuser gelangten bis an den Zaun der Babelsberger Nordkurve, doch eine Fahne wurde nicht erobert. Stattdessen stellte ein Ordner einem Cottbuser Platzstürmer ein Bein. Zwei weitere wurden zu Boden gebracht und von Ordnern und Polizisten als Paket verschnürt. Mobil gemacht wurde nun auch auf Heimseite - und zwar vom Rande der Haupttribüne aus. Die dort sitzenden sportlich Orientierten bildeten am heutigen Abend eine beachtliche Gruppe. Auf Kommando stürmten einige von ihnen auf den Platz und eilten zum hinteren Bereich des Gästeblocks, drehten dann jedoch ab und versuchten im vorderen Bereich an den Block heranzukommen. Ein Bierbecher flog mit voller Wucht, es kam zu wütenden Wortgefechten, die dort hängende Chosebuz-Fahne konnte ebenfalls schnell genug in Sicherheit gebracht werden.
Logisch, dass die Partie längst unterbrochen wurde, und nachdem die Einsatzkräfte an verschiedenen Stellen postiert wurden, hatte es nicht den Anschein, als könnte an diesem Tag noch weitergespielt werden. Wie gesagt, im Gegensatz zu anderen Stadien ist dies im Karl-Liebknecht-Stadion mit Polizei im Innenraum aus Platzgründen einfach nicht möglich. Nachdem sich nach zirka zehn Minuten alles halbwegs abgekühlt hatte, pfiff Schiedsrichter Lars Albert die Partie wieder an. Weiter ging´s - und die Gäste aus der Lausitz erzielten den Führungstreffer. Als Mamba das 1:0 für Cottbus mit einem Mitspieler auf Höhe der sportlich eleganten Babelsberger ausgiebig feierte, gab es die eine oder andere Gesichtsentgleisung.
Nun hätte man meinen können, dass es im weiteren Verlauf auf den Rängen ruhig bleiben würde. Pustekuchen. Zu Beginn der zweiten Halbzeit wurde noch einmal nachgelegt. Nachdem es zuerst im oberen Bereich des Gästeblocks ein Spruchband mit der Aufschrift „Er ist nicht tot, er ist nur fern. Tot ist nur, wer vergessen wird. R.I.F. CK“ zu sehen gab, folgte im unteren Bereich des Gästeblocks ein Stück Stoff mit einer sicherlich „delikaten“ Botschaft. Allerdings war diese schwer zu entziffern. Während es im Heimbereich noch einmal eine Pyro-Aktion zu sehen gab, qualmte es auch im Gästeblock noch einmal im rötlichen Ton.
Eine schwarz vermummte Truppe hatte sich zusammengerottet und drohte nun den Zaun einzutreten. Böller und Leuchtkugeln flogen in Richtung Heimbereich. Nun drohte es richtig heikel zu werden. Zur Haupttribüne hin, versuchte der schwarze Mob ein Tor mit Gewalt zu öffnen. Fix war jedoch die bereitstehende Polizei zur Stelle und gab reichlich Pfefferspray. Von Sprühen konnte gar keine Rede sein, wie eine Dusche wurde die Flüssigkeit horizontal abgegeben, so dass sich die gesamte vermummte Truppe in Sekundenschnelle umdrehte und sich nochmals an anderer Stelle versuchte. Wieder war das Spiel unterbrochen, und nach dieser Aktion roch es nun wahrlich nach einem kompletten Spielabbruch. „Nazischweine! Nazischweine!“, ertönte es aus der Nordkurve, in der immer wieder hineingeworfene Böller detonierten. Reichlich skurril wirkte wenig später das im Gästeblock gesungene „Cottbuser Jungs, wir sind alle Cottbuser Jungs!“
Nach der Ansage, dass bei der nächsten Aktion in Form von Pyrotechnik oder dem Werfen von Gegenständen die Partie endgültig abgepfiffen werden würde, durfte doch tatsächlich weiter gespielt werden. In der Nordkurve wurde indes eine Botschaft präsentiert, die sich auf die der Gruppierung „Ultima Raka“ beim Hinspiel bezog: „Für Zecken seid Ihr Nazis … Für Nazis seid Ihr Zecken … Für uns seid Ihr einfach nur Abschaum.“ Und Grund zum Jubeln gab es auch auf Heimseite, denn in der 62. Minute erziele Shala den Ausgleich zum 1:1. Etwas zu forsch riss ein Vermummter auf dem Zaun vor lauter Freude schon wieder eine weiße Fackel an. Glücklicherweise störte sich der Schiedsrichter nicht weiter dran.
Die Babelsberger Mannschaft machte nun richtig Druck und erspielte sich ein klares Übergewicht. Auf Cottbuser Seite war nun die Luft raus. Sowohl auf dem Rasen, als auch auf den Rängen. Noch einmal wurde das „H8“ („Hate“ oder je nach Sichtweise auch etwas anderes) hochgehalten. Am oberen Rand konnte zudem eine hochgehaltene Fahne der Chemnitzer Gruppierung „New Society“ gesichtet werden. Zu Randale kam es jedoch nicht mehr. Zu einer Entladung auf Heimseite war jedoch noch gesorgt. In der allerletzten Situation des hitzigen Spiels machte Beyazit doch tatsächlich den 2:1-Siegtreffer klar.
Was für ein Spiel! Die Heimfans standen Kopf. Frenetisch wurde nach Abpfiff der Sieg mit der Mannschaft gefeiert. Stolz wurde das Banner „Derbysieger“ präsentiert. Eine auf den Rasen geworfene Bengalische Fackel änderte nun nichts mehr an der Tatsache - es blieb im Stadion ruhig. Zu weiteren erkennbaren Auseinandersetzungen kam es nicht mehr. Was draußen passiert sein mag, entzieht sich meiner Kenntnis. Fakt ist, zu Ende ging eine Regionalliga-Partie, über die noch lange gesprochen werden wird …
Fotos: Marco Bertram