Stellt Euch mal vor, Ihr lebt auf dem Land. Richtig JWD. Also jaaaaaanz weit draußen. Schönes Grundstück. Immer was zu werkeln. Immer was zu tun. Es muss ja weiter gehen. Mit wem stellt man sich gut? Richtig! Mit den lieben Nachbarn. Nachbarschaftshilfe ist das A und O. Haste mal? Kannste mal? Und mit welchen Nachbarn versuche ich zu kooperieren und gut auszukommen? Logisch, mit denen um die Ecke. Wohl kaum mit irgendwelchen Leuten 77 Dörfer weiter. Warum Kontakte knüpfen in der Ferne, wenn die Guten doch so nah liegen. Oder ja, wohnen. Und wenn im Kleinen, dann im Großen. Kooperationsvertrag mit China? Oooooh mein Gott! Um was soll´s gehen? Rein ums Sportliche? Hüstel. Der Knaller zur Sommersonnenwende schlechthin: Da platzte inmitten der Hitze die Nachricht rein, dass die chinesische U20-Auswahl womöglich in der Regionalliga Südwest antreten soll. War bei irgendjemanden die Klimaanlage ausgefallen? Wie kommt man auf solch eine Idee? Der Anfang vom Ende vom nationalen Fußballbetrieb? Ein Testballon, um zu schauen, wie sich das so macht? Scharren Katar und Dubai auch bereits mit den Hufen, um in naher Zukunft mal eben in europäischen Ligen mit dabei zu sein.
Kooperation mit China? War da nicht mal was mit dem „FC Fidel“? Und warum keine Polen für die RL Nordost?
Super. Der Plan wurde vorgestellt - und alle jubeln. Sämtliche 19 Regionalligisten der Südwest-Staffel sollen Zustimmung signalisiert haben. Alle finden die Idee ganz toll. Manch einer möchte sogar den roten Teppich auslegen. Ist doch fein, wenn sich die chinesische U20-Auswahl fit für die Olympischen Spiele in Tokio machen möchte. Aber was heißt Auswahl? Im Normalfall werden Nationalspieler von den Vereinen abgerufen und bilden keine feste Mannschaft über 365 Tage hinweg. Es wäre ja absurd, wenn das in Mode käme, und auch A-Nationalmannschaften lieber dauerhaft ein festes Team bilden und irgendwo den Ernstfall proben, um sich somit einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Es ist schon klar, dass die Chinesen allzu gern in Japan richtig spitze auftreten möchten, um zu zeigen, wer in Fernost die neue Fußballmacht ist. Nur für diesen Zweck gibt es halt das nationale Ligensystem nicht. Ist erst einmal das Tor geöffnet, kann im Gegenzug gleich der ganze Laden zugemacht werden.
Mal ganz im Ernst, wer möchte Stuttgarter Kickers vs. China U20 sehen? In Sommer- oder Winterpause. Prima. Jederzeit. Doch im Ligaalltag? Zumal die Chinesen ja „nur so“ mit spielen und es eigentlich um die goldene Ananas geht. Wäre ja auch die Krönung, wenn die chinesische U20 wirklich ernst machen dürfte und am Ende gar aufsteigen könnte. Das wäre dann der Witz schlechthin. Nachdem immer wieder die Südwest-Vertreter in der Aufstiegsrunde versagten, würden dann mal eben die Jungs aus Fernost den Gegner aus dem Osten, Westen oder Norden bezwingen.
Was mir beim Lesen der Nachricht gestern einfiel? Moment, da war doch mal was! Hatte nicht ein guter Freund mächtig abgefeiert, weil Fidel Castros Männer die Oberliga aufmischen wollten? Vor 15 Jahren? Oder gar noch länger her? War das nicht in Bonn? Und richtig, man muss nicht lange suchen, um fündig zu werden. Ich alter Sack! Das ist bereits satte 18 Jahre her! Im Frühjahr 1999 sollte die kubanische Nationalmannschaft für den Karibik-Cup fit gemacht werden. Der Bonner SC wollte sich mal gleich die Kubaner greifen und in ihre Mannschaft stecken. Sozialistische Power auf dem Rasen gegen den drohenden Abstieg. Der kubanische Fußballverband zeigte Interesse an einer Kooperation mit den Bonnern. Allerdings sollten gleich Tatsachen geschaffen werden. Nichts halbes. Nur Ganzes. Die gesamte Nationalmannschaft sollte verpflichtet werden. Der „FC Fidel“ am Start in der Oberliga. Fußball-Deutschland lachte. Hätte es bereits damals soziale Netzwerke gegeben, hätte es nur so geklingelt in den Kommentarfeldern. Die Kicker von der sozialistischen Karibik-Insel im Einsatz in der alten Bundeshauptstadt. Hammer! Daraus wurde aber nichts. Die Visa wurden nicht erteilt, der karibische Traum zerplatzte wie eine Seifenblase.
Nix zerplatzen wird im Fall China. Fidel Castro hatte bis auf die spielerische Kraft der Kicker und ein paar Flaschen feinsten Rum nicht so viel zu bieten. China hat Geld. Sehr viel Geld. Und so würde im Fall der Fälle jeder Regionalligist der Staffel Südwest auch ein Sümmchen bekommen. Schließlich müssten ja auch gleich zwei Heimspiele gegen die chinesische Auswahl bestritten werden. Man wollte nicht gleich völlig übertreiben, deshalb bleibt es bei einem „Sümmchen“. Die großen Schatullen stehen eventuell für ganz andere Vorhaben bereit.
Aber mal im Ernst. Wenn schon alles komplett geöffnet und globalisiert werden soll. Könnte nicht auf Möglichkeiten zurückgegriffen werden, die auch den Fans durchaus ein Lächeln auf den Lippen zaubern könnten? Nicht die besagten Nachbarn 77 Dörfer weiter anbimmeln. Einfach über den Gartenzaun gerufen und beim Kirschenpflücken gefragt: „Hey Nachbar, Bock auf ein Match auf Augenhöhe? Nur auf dem grünen Rasen versteht sich!“ Was Politiker alles in den letzten Jahren eingerissen haben, könnte beim Fußball wieder belebt werden. Die deutsch-polnische Freundschaft. RasenBallsport Leipzig II und der FC Schönberg zogen ihre Mannschaften aus der Regionalliga zurück? Lasst eine polnische Auswahl in der Regionalliga Nordost antreten. Es muss ja nicht gleich eine U19- oder U20-Auswahl sein. Einfach ein sportliches Team, zusammengestellt mit hungrigen Talenten aus Bytom, Tychy, Katowice, Kielce, Gdynia, Bydgoszcz und anderen polnischen Städten.
Völkerverständigung, Fair play, vereintes Europa, echter Sportsgeist. Und keine reine finanzielle Kooperation, um über Umwege den Profifußball in Fernost noch besser ausschlachten zu können. Fußball richtig basic. Und auch die Sache mit den zwei Heimspielen wäre dann unnötig. Man könnte das polnische Team im altehrwürdigen Stadion der Freundschaft in Frankfurt / Oder auflaufen lassen. Wohnen könnten die Spieler - wenn sie denn nicht auf Bigos und polnisches Fernsehen verzichten wollen - im benachbarten Slubice. Und für die Auswärtsfans der anderen Vereine wäre eine Fahrt nach Frankfurt / Oder ein echter Gaudi. Ähnliches könnte selbstverständlich auch in den anderen RL-Staffeln umgesetzt werden. Eine dänische Auswahl in der RL Nord, eine niederländische Auswahl in der RL West, eine österreichische Auswahl in der RL Bayern und eine französische Auswahl in der RL Südwest. DAS würde uns alle weiterbringen, zusammenbringen und etwas für das arg lädierte Haus Europa beitragen. Aber nein, lieber treibt man die finanzielle Spirale in Fernost weiter an…
Fotos: Marco Bertram, Glenn Dawson (AFC Cup), LK, Michael
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Jeder Normalo dürfte die Sache genau so sehen.