Viele kamen zu spät - und manche kamen gar nicht. Als das Pokalspiel Weinrot gegen Königsblau angepfiffen wurde, gab es in der auf Heimseite befindlichen Kurve noch große Lücken, und auch auf der Haupttribüne fehlten einige Personen, die man sonst bei wichtigen Partien wie gegen Union Berlin II, den 1. FC Lok Leipzig und vor allem beim Jubiläumsspiel gegen den Hamburger SV sehen konnte. Ein Teil der stabilen Fraktion wollte vor dem Spiel im Treptower Park / im Plänterwald die Schalker zum Naschen von Erdbeereis mit Sahne einladen. Doch statt Königsblau kam Polizeiblau. Dumm gelaufen, da etliche BFCer von den Beamten mitgenommen wurden und diese somit das Spiel nicht sehen konnten. Was die Lücken in Kurve und Gegengerade beim Einlaufen der Mannschaften betrifft, so kam die übliche Problematik zum Tragen. Viele eilten direkt von der Arbeit zum Jahn-Sportpark, andere verköstigten noch das eine oder andere Bierchen in den Prenzelberger Lokalitäten und machten sich erst auf den letzten Drücker auf zum Stadion, und zudem ist die Einlasssituation bei großen Spielen nun wirklich nicht die Wucht. Der gesamte Heimbereich, die Haupttribüne ausgenommen, musste durch eine einzige Schleuse. Kein Wunder also, dass es sich kurz vor halb sieben noch mächtig staute. Manch ein Zuschauer trudelte erst mit 20-minütiger Verspätung ein.
BFC Dynamo vs. FC Schalke 04: Ganz Feuer und Flamme - und doch wieder kein weinroter Pokaltreffer!
HotNeu ist diese Problematik selbstverständlich nicht, und somit ist man in der weinroten Fanszene vorsichtig, was Choreographien betrifft. Nur nicht zu kompliziert. Nur keine Zettel-Choreos, die Schriftzüge ergeben. Das würde mit Sicherheit komplett in die Buchse gehen. Es wurde alles richtig gemacht, in dem einfach blockweise weinrote und weiße Zettel ausgelegt wurden. Organisiert wurde die Choreo von der Fraktion H, und somit stammte auch das dazugehörige Spruchband aus deren Händen: „Könige des Ostens und der DDR - Fraktion Terminators Clubs 2017“. In der Mitte das alte und neue Logo des Vereins sowie das Emblem der Gruppierung. Das dieses Spruchband nicht jeder beim BFC dufte findet, ist völlig klar. Andererseits ist es wichtig, dass eine Gruppe bei solch einem großen Spiel überhaupt sich der Sache annimmt und eine groß angelegte Aktion stemmt. Mögen zwar viele Alte behaupten: Gab es früher auch nie. Brauchen wir nicht. Ist Unfug. Andererseits sollte bei einem DFB-Pokalspiel gegen den FC Schalke 04 schon ein optischer Akzent gesetzt werden.
Die Gästekurve ergab bereits 30 Minuten vor Anpfiff einen prima Anblick. Eine komplett gefüllte Gästekurve - das hat der Jahn-Sportpark wahrlich lange nicht mehr gesehen. Die mit dem Zug angereisten Schalke-Fans wurden vom Bahnhof Gesundbrunnen von der Polizei zum Stadion begleitet, nach dem Spiel ging es auf gleichem Wege zurück. Am Stadion direkt war das Terrain komplett aufgeteilt. Schalke-Fans, die sich vor dem Jahn-Sportpark verlaufen hatten, wurden vor der Partie von Ordnern oder Polizisten zum Gästeeingang begleitet. Im Stadion selbst war das Banner der „Gelsen-Szene“ ein Blickfang, es hing direkt neben dem Stoff der „Ultras Gelsenkirchen“. Rund zehn Minuten vor Anpfiff wurde verbal die erste Ansage gemacht. Laut schepperte das „Scheiß Dynamo!“ durch das weite Rund. Keine schlechten Auftritte beim BFC hatten auch der 1. FC Kaiserslautern (2011) und der VfB Stuttgart (2013), doch aufgrund der Masse und der guten Mitmachquote im Bereich der beiden besagten Banner war der gestrige Schalker Auftritt eine andere Hausnummer. Auf Spruchbänder, Pyrotechnik und andere Elemente wurde komplett verzichtet, und so erinnerte das Ganze ein wenig an die alten Zeiten in den 1990ern.
Nach der Choreo beim Einlaufen der beiden Mannschaften ebbte die Stimmung im Heimbereich wieder merklich ab. Richtig laut wurde es der Folgezeit nur bei viel versprechenden Offensivaktionen der Hohenschönhausener - oder wenn die Gästefans mal wieder das „Scheiß Dynamo!“ anstimmten. Was das Sportliche betrifft, so war man durchaus optimistisch. In der 79. Minute würde das 1:0 fallen, meinten nicht wenige mit einem Lächeln. Und wer den Treffer des Tages erzielen könnte? Ganz klar: Matthias Steinborn, der zu Beginn der Saison nach seiner Zeit beim 1. FC Magdeburg und beim SV Babelsberg 03 zum BFC zurückgekehrt ist.
Und wahrlich, so verkehrt war die Prognose gar nicht. Zwar bestimmte der Bundesligist die Partie, doch die Berliner hielten gut gegen, räumten hinten prima ab und kamen ab und an sehenswert nach vorn. Allerdings hätte bereits in der 10. Minute das 1:0 der Gäste fallen können. Konoplyanka war plötzlich allein vor dem Gehäuse, schoss jedoch rechts vorbei. Nachdem in der 18. Minute Burgstaller eine weitere gute Möglichkeit für die Gäste hatte, übten die Gastgeber in der 23. Minute zum ersten Mal richtig Druck aus. Ecke für den BFC und das „Dynamo!“ hallte laut über den Platz. In der Folge bekam der BFC die Partie besser in den Griff, und auch die Stimmung kam nun kurzzeitig in Fahrt. Das „Ihr werdet niemals Deutscher Meister!“ wurde prompt mit einem weiteren „Scheiß Dynamo!“ sowie einem „Warum seid Ihr H*ren so leise?“ beantwortet.
Die Gäste aus dem Ruhrgebiet verloren auf dem Rasen plötzlich den Faden, und der BFC hatte wohl seine beste Phase der Partie. Ab ging es über die Flügel, Steinborn und Rausch wussten zu gefallen. Und dann DIE Möglichkeit! In der 37. Minute verlor Schalke den Ball vor dem eigenen Strafraum und Steinborn zog ab. Glänzende Reaktion vom Schalker Schlussmann Fährmann. Ei der Daus! Das hätte das erste Tor des BFC Dynamo im DFB-Pokal sein können! Aus Sicht der Berliner ist es zum Mäusemelken. Es will im DFB-Pokal einfach kein Treffer fallen. Einst gegen Freiburg und Bielefeld, in jüngerer Vergangenheit gegen Kaiserslautern, Stuttgart und den FSV Frankfurt. Vor allem die Partien gegen Stuttgart und den FSV Frankfurt waren richtig gut, doch das gegnerische Tor war wie vernagelt.
„Schalke ist nervös!“, sangen die Fans kurz vor der Pause. Kurzzeitig ertönte auch das legendäre „Ost-, Ost-, Ost-Berlin!“ 45 Minuten vorbei und immer noch 0:0. Die Hoffnung auf Berliner Seite wuchs und wuchs. Hatte es nicht der FC Energie Cottbus am Abend zuvor prächtig gezeigt, wie man auch gegen einen drei Ligen höher spielenden Gegner hübsche Tore schießen kann?! Na also, ab zum Pausentee und der Halbzeitansprache gelauscht.
Zu Beginn der zweiten Halbzeit gab es auf der Gegengerade eine Pyro-Aktion. Eine Fahne wurde als Sichtschutz genutzt, wenig später wurde auf dem Zaun ein großes Banner präsentiert. Auf der Ost-Berliner Stadtsilhouette stand in fetten Lettern „BFC Dynamo Hooligans“ geschrieben. In der Mitte zwischen „Telespargel“ und Brandenburger Tor der kampfbereite Bär. Weinroter Rauch waberte empor. Vermummte rissen einige Fackeln an. Für die angereisten Schalke-Fans sicherlich eine beeindruckende Show. Auf Heimseite werden auch diese Aktion nicht allzu viele als gelungen betrachten. Zumal wie eingangs erwähnt die richtigen „Kanten“ im Plänterwald eingesammelt wurden.
Wasser auf die Mühlen der Pyro-Kritiker war zudem der kleine Unfall, der sich aufgrund von Unachtsamkeit ereignete. Aufgrund des vom DFB gespannten grünen Stoffes waren die außen hängenden Zaunfahnen von den Rängen aus nicht sichtbar. Und somit wurde auch nicht bemerkt, dass ein Banner Feuer fing und komplett abzufackeln drohte. Ein Ordner reagierte jedoch schnell und brachte den Feuerlöscher zum Einsatz. Die Fackeln erloschen, der Rauch verzog sich, der Blick konnte nun wieder auf das Spielfeld gerichtet werden.
Die Spieler von Trainer René Rydlewicz konnten zunächst an die gute Phase vor der Pause nahtlos anknüpfen. Der Führungstreffer lag in der Luft. In der 51. Minute setzte Al-Azzawe nach einem Freistoß von Cepni den Ball mit dem Kopf prima auf das Schalker Gehäuse, doch Keeper Fährmann zeigte eine ebenso prima Parade. Nur zwei Minuten später machte Konoplyanka fast den Treffer für die Gäste klar, doch sein Schuss ging über den Querbalken. Das Spiel war völlig offen. Der frisch eingesetzte Goretzka hatte die königsblaue Führung auf dem Fuß, doch BFC-Keeper Hendl rettete mit einer Glanztat. In der 65. Minute durfte die nächste Parade von Hendl bestaunt werden, dieses Mal verpasste di Santo das 1:0 für den FC Schalke 04. Vier Minuten später war es Rausch, der mit einem satten Distanzschuss über die Latte die Berliner Führung vergeigte.
Ein Blick auf die Uhr. Würde der BFC wirklich in der 79. Minute den Siegtreffer erzielen? In der 72. Minute gab es erst einmal einen kraftvollen Wechselgesang. Laut hallte das „Scheiß DFB!“ aus beiden Fankurven. Gemeinsame Sache ja, aber Kumpels niemals. Um das zu unterstreichen, ließen die gut aufgelegten Gästefans ein „Scheiß Dynamo!“ folgen. Die Zeit verstrich, die 79. Minute nahte. Und dann! In der 78. Minute nahm Yevhen Konoplyanka Maß und traf aus rund 15 Metern. Das „Dynamo“ hatte ihn wohl besonders motiviert, witzelte jemand nach dem Spiel. Schließlich spielte der Ukrainer in seiner langen Zeit bei Dnipro Dnipropetrowsk häufig gegen den großen Rivalen Dynamo Kiew. Der Gästeblock feierte den Treffer, auf Heimseite schien das Publikum kurzzeitig wie gelähmt. Klar, die Berliner versuchten auf dem Rasen noch einmal alles, doch richtige Chancen blieben aus. Im Gästeblock wurden weiße Tücher gewedelt, doch im Gegensatz zum Spiel gegen den FCK im Sommer 2011 juckte am gestrigen Abend niemand diese Aktion.
In der Nachspielzeit - im Mittelkreis lagen gerade zwei Verletzte - machte Yevhen Konoplyanka dann noch sein zweites Tor. 2:0 für Schalke 04, die Partie wurde wenig später abgepfiffen. Während zahlreiche Zuschauer im Heimbereich schleunig das Stadion verließen, feierten die BFC-Fans, die nicht nur zu den großen Highlights kommen, die Mannschaft. Nach kurzem Zögern sprangen die Spieler über die Bande und ließen sich abklatschen. Der Fokus wird nun wieder auf den Ligaalltag gerichtet. Am kommenden Sonntag wird daheim im JSP die VSG Altglienicke (mit „Tusche“ in den Reihen) empfangen. Im Anschluss geht es unter der Woche zum FC Viktoria 1889. Für den FC Schalke 04 steht nun der Start in die Bundesligasaison 2017/18 an. Am Samstag zu Gast auf Schalke ist RB Leipzig…
Fotos: Marco Bertram
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Gruß Holger