Nach Leverkusen zu fahren ist wie eine persönliche Zeitreise. Von 1991 bis 1995 der eigene ausbildungsbedingte Lebensmittelpunkt mit den ersten Gehversuchen als Fußballfan, am 26. August 1993 das letzte in Erinnerung gebliebene besuchte DFB-Pokalspiel der Werkself (3:0 gegen Nürnberg) im damals noch viel gelobten "Schmuckkästchen" Ulrich-Haberland-Stadion. Viel hat sich inzwischen getan, nicht nur die (eigentlich schnelle) eigene fußballerische Horizont-Erweiterung als Fan, auch die Stadt und das Stadion haben sich gewandelt. Kaum wieder zu erkennen ist die Innenstadt mit einem (wie inzwischen vielen Städten üblichen) zentralen Shopping Center (seit 2010) hier "Rathaus Galerie" genannt, welches vor allem von Bahnhofsseite allemal besser aussieht, als das ehemalige 1977 errichtete und inzwischen abgerissene Rathaus.
Bayer 04 vs. Union Berlin: Werkself besiegt die Eisernen ohne Videobeweis und Brandschutz
Einzig geblieben ist der Bahnhof (auch der vorgelagerte Busbahnhof wird umgebaut), durch den vor allem die Fernzüge immer noch alle zehn Minuten "durchbrettern". Halten wird hier in naher Zukunft kein ICE, denn dafür reicht auch die Länge des Bahnsteiges nicht, wie einige Fans des 1. FC Union Berlin feststellen mussten: Zum DFB-Pokalspiel aus Berlin organisierte der "Eiserne Virus" einen Partyzug, bei dem die letzten beiden Waggons nach der Ankunft noch aus dem Bahnhof in Leverkusen lugten, als sich die Fans schon durch den durch eine Rauchbombe eingenebelten Bahnhof in Richtung Stadion bewegten. Gut drauf waren die 3.500 mitgereisten Unioner.
Von Beginn an machte der Gästebereich ordentlich Alarm, auch als das Spiel seinen vorher erwarteten Gang nahm und der Favorit aus Leverkusen mit 1:0 in Führung ging (36. Spielminute durch Julian Brandt). Aber angetrieben von den eigenen Fans spielte Union Berlin sehr gut mit und konnte direkt nach dem Pfiff zur zweiten Halbzeit verdient durch Dennis Daube ausgleichen. Nicht alle Fans im Gästeblock konnten diesen Treffer sehen, denn sie bereiteten versteckt unter den eigenen Fahnen eine Pyroshow unter dem Motto "Euer Brandschutz geht in Flammen auf" vor. Gut fünf Minuten leuchtete der Gästeblock in roten Bengalo-Farben. Kurz danach war im Block eine Leverkusener Fanfahne zu sehen. Der Fanclub "Nemeische Löwen Leverkusen" muss den Verlust seines Stoffes beklagen, der von drei Union Anhängern zerrissen wurde.
Wie zum Trotz hing wenig später eine Union Fahne ("W/Dosse") vor der Heimseite und dazu konnte in der 59. Spielminute die Leverkusener Nordkurve jubeln. Ob gewollt oder nicht: Der Kopfball von Lucas Alario, der hoch über den Berliner Torwart hinweg im Tor landete, war sehenswert. Fast im direkten Anschluss hatten die Eisernen den Torschrei auf den Lippen, als der Leverkusener Keeper Bernd Leno einen Schuss von Christopher Trimmel gerade so abwehrte. Union Berlin war im zweiten Durchgang phasenweise besser als die Werkself und sehr nah dran am Ausgleich, traf sogar das "Gebälk", aber am Ende ging Bayer 04 Leverkusen als glücklicher Sieger vom Platz, auch Dank des Schiedsrichters, der in der 89. Spielminute einen schmeichelhaften Elfmeter für Bayer 04 pfiff. Den umstrittenen Videobeweis aus Liga 1 gibt es im Pokal erst ab dem Viertelfinale. Zu spät für den 1. FC Union Berlin.
So traf Wendell für Bayer 04, und Charles Aranguiz setzte in der Nachspielzeit mit einem direkten Freistoß den 4:1 Schlusspunkt auf das Spiel, das um zwei Tore zu hoch ausgefallen ist. Union Berlin hatte die Hand an der Sensation, aber muss nun nach der Pokalniederlage 2003 gegen Bayer 04 (5:0) auch dieses Pokalaus in die eigenen Geschichtsbücher schreiben.
Für die Berliner steht am Sonntag das nächste Auswärtsspiel an: Es geht den Rhein ein paar Kilometer weiter rauf nach Duisburg zum MSV (wir sind vor Ort). Bayer 04 Leverkusen hingegen erwartet schon am Samstag den rheinischen Nachbarn aus Köln zum Duell, die Nordkurve forderte entsprechend gestern: "Holt den Derbysieg".
- Bayarena