Altes Lager vs. KSV Sperenberg II: Kreisligakick und Spurensuche im alten Militärlager

R Updated 30 November 2017
Altes Lager vs. KSV Sperenberg II: Kreisligakick und Spurensuche im alten Militärlager

„In Brandenburg, in Brandenburg ist wieder jemand gegen einen Baum gegurkt… Was soll man auch machen, mit 17, 18 in Brandenburg?“ Na, wie wäre es mit Fußball? Klar, das Land Brandenburg hat einen schlechten Ruf. Wenige Einwohner, viel Fläche, wenig Freizeitmöglichkeiten für die Jugend. Aber warum immer auf andere schimpfen, warum nicht einfach selbst mal das Zepter in die Hand nehmen und Dinge verbessern. Bei der SG Blau-Weiß Altes Lager (zwischen Jüterbog und Treuenbrietzen gelegen – mehr Nichts gibt es eigentlich kaum) kamen zum Duell gegen die Reserve des KSV Sperenberg zwar auch nur rund 25 Zuschauer, erstaunlich viele davon waren aber noch weit vom Rentenalter entfernt. Sogar zwei Zaunfahnen wurden auf dem Rasenhang ausgelegt und vor dem Spielbeginn stand ein Mitglied der „Blue Crew 47“ im Mittelkreis und schwenkte eine Fahne mit Vereinslogo. 

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Mittlerweile Standard, wie man erfuhr. Und auch bei anderen Spielen kann es schon mal interessante Aktionen geben, nicht umsonst bekamen die Fans der SG in der letzten Saison sogar einen Pokal von der Märkischen Allgemeinen Zeitung für ihr Engagement überreicht. Dem Verein, der zwischen 1990 und 1996 nicht mehr existierte, wieder mehr Leben einhauchen ist das Ziel, wohlwissend, dass Freizeitmöglichkeiten in dieser Region rar gesät sind und dem lokalen Fußballclub dabei eine besondere Rolle zu Gute kommt. 

Doch nicht nur deshalb lohnt sich ein Ausflug in die brandenburgische Provinz, vor allem der Spielort dürfte für jeden ein Muss sein, der sich für historische Spielstätten oder deren Umgebung interessiert. Anderswo ist es ein Blick auf ein Schloss oder die Lage auf einer Insel, bei der SG Blau-Weiß Altes Lager ist der Platz Teil einer ehemaligen Kaserne – wie übrigens der ganze Ort selbst, denn die Geschichte von Altes Lager ist eng mit den militärischen Entwicklungen in dieser Region verbunden. 1870 entstanden auf Geheiß Preußens Baracken für die Kriegsgefangenen des Deutsch-Französischen Krieges, die beim Ausbau des schon seit 1864 bestehenden Schießplatzes halfen mussten. Später wurden weitere Baracken für die Jüteborger Artillerieschule gebaut und in der direkten Umgebung ein Flugplatz gebaut. Erst nach dem Ende des 1.Weltkrieges und dem Versailler Vertrag endete die Nutzung der Anlagen als Flugplatz und Teile der Heeresnachrichtenschule wurden hier untergebracht. 

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Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung begann ein weiteres Kapitel von Altes Lager: ein Fliegerhorst wurde aufgebaut, die Fliegertechnische Schule der Luftwaffe fand hier ihren Platz und sogar einige Trainingsanlagen für die Vorbereitung der deutschen Athleten auf die Olympiade 1936 in Berlin wurden errichtet. Nachdem die Fliegertechnische Schule 1940 nach Warschau umzog, übernahm die Höhere Technische Fliegerschule die Anlage – sie waren auch die letzten Truppenteile der Wehrmacht, die das Gelände gegen die vorrückende Sowjetarmee verteidigte, es dabei aber zum Glück unterließen, die Gebäude wie vorgesehen zu sprengen. 

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Die Rote Armee übernahm die Anlage von nun an und nutzte sie ebenfalls als Fliegerhorst, zugleich wurde die Anlage eine der größten Kasernen der Sowjets in der ehemaligen DDR: die meisten Quellen sprechen von ca. 20.000 hier stationierten Soldaten, Einheimische teilweise sogar von bis zu 40.000. Anfang der 90er zogen sie ab und waren somit die Letzten, die das Gelände militärisch nutzten. Während der Flugplatz heute vom Drachenflieger-Club Berlin genutzt wird bzw. teilweise Wohnungen aus ehemaligen Hangars entstanden, verfällt das Kasernengelände vor sich hin. 

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Einzige Ausnahme: der Fußballplatz, der seit Beginn der 2000er Jahre wieder von der SG Blau-Weiß genutzt wird. Der sympathische Verein ist sich bewusst auf welch historischem Gelände man zuhause ist und wenn man mit den Verantwortlichen redet, wird man vom historischen Wissen fast erschlagen. Sogar der Hinweis darauf, dass der Fußballplatz bezogen auf den Grundaufbau eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Berliner OIympiastadion hat, folgte – und ja, das kann man so durchgehen lassen. Gerne würde man hier auch mehr machen, das Gelände aufhübschen, Reparaturen erledigen. Nur fehlt das liebe Geld. Der Verein selbst hat nur knapp 50 Mitglieder und auch die eigentlichen Besitzer des Geländes, das Land Brandenburg und die Gemeinde Niedergörsdorf, haben nicht die finanziellen Mittel, um hier etwas zu machen. 

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Und so verrottet das Gelände vor sich hin und keiner weiß, wie lange das noch gut geht. Erst letztens musste der Verein die vor der über dem Platz thronenden Turnhalle postierten Fahnenstangen, die noch aus Sowjetzeiten stammten, abmontieren. Ein Sturm hatte einen der Masten umknicken lassen. Nun liegen sie in einer Ecke und rosten weiter vor sich hin. „Ein Trauerspiel“ meint ein Einheimischer und fasst es damit perfekt zusammen, bevor er wieder auf den Platz muss – die zweite Halbzeit beginnt. Die Gastgeber drehen das 0:1 zur Pause noch in einen 2:1-Sieg und liegen damit weiter auf der Erfolgswelle, auch wenn man immer noch acht Punkte Rückstand auf den Erstplatzierten, die Reserve von Viktoria Jüterbog, hat. 

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Als Lohn wird nach dem Spiel noch eine Rauchfackel auf dem kleinen Marathontor gezündet, bevor sich Gäste und Gastgeber nochmal an der kleinen Imbissbude versammeln und das Spiel auswerten. Bockwurst 1,50 €, Bier 1,50 €. Passt. Und nicht nur der Platz selbst lohnt sich, auch einen Blick in die Turnhalle – auf eigene Gefahr – sollte man werfen. Die besten Zeiten sind auch hier vorbei, der jahrelange Einfluss von Wind und Wetter ohne reparierende Hand hat ihre Spuren hinterlassen. Knarzendes Parkett, abblätternde Wandfarbe und ein teilweise eingestürztes Dach. 

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Aber eben auch die alte Propaganda der Sowjets an der Wand, russische Zeitungen als Dämmung für Wände, Propagandamalereien am Entmüdungsbecken und ein CSKA-Wappen hinter dem Basketballkorb. Graffiti, leere Bierflaschen – wir sind nicht die ersten hier drin. Und trotzdem: was bleibt ist die traurige Erkenntnis, dass sich wohl niemand finden wird, der sowohl Zeit als auch das nötige Kleingeld hat, zumindest Teile der Anlage wieder nutzbar zu machen. Und so wird im Außenschwimmbecken weiter das Unkraut wuchern, werden die Stufen des Fußballplatzes noch ein wenig schiefer und die Wände noch grauer. Schade drum. Aber die Zeit ist unerbittlich.

Bericht und Fotos: Haderlump Fanzine

> zur turus-Fotostrecke: SG Blau-Weiß Altes Lager

> zur Spurensuche: DDR-Erinnerungen

Artikel wurde veröffentlicht am
30 November 2017
Spielergebnis:
2:1
Zuschauerzahl:
25

Benutzer-Kommentare

1 Kommentar
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Kommentare
Richtig interessant!!!
J
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