Moin Sportsfreunde! Was soll man sagen? Täglich grüßt das Murmeltier! Die WM in Russland ist im vollen Gange - und die Kommentatoren/-innen und Experten/-innen des deutschen Fernsehen bekommen wieder voll ihr Fett ab. Hau den Lukas! Immer feste drauf! Also verbal. Okay, nen Lukas ist nicht dabei, dafür aber ein Oliver (ah nein, es sind sogar drei), ein Gerd, eine Claudia (an der sich alle so richtig abarbeiten) und natürlich auch einen Béla. Genauer gesagt den Béla Réthy. Ja, ja, derbe Kritik am Urgestein Béla Réthy üben - das ist schon langsam nicht mehr schön und nutzt sich ab. 2008, 2010, 2012, 2014, 2016 und nun 2018 - immer wieder die gleiche Leier zu jeder Welt- und Europameisterschaft. Zwischendurch kommt man / frau ja auch noch in den Genuss, doch Fußballspiele im TV - die verfolge ich quasi gar nicht mehr. Fußball ist auf und am Platz. Scheiß Glotze! Im Stadion selbst spielt die Musik! Auf dem Rasen und auf den Rängen. Gut, ich höre ja schon auf zu seiern. Abends mal das eine oder andere WM-Spiel bei einem Fläschchen Piwo zu verfolgen, das hat ja schon was. Und da die turus-Rubrik „Sportreporter-Ranking“ mal wieder richtig heiß läuft, dachte ich mir am gestrigen Abend: Okay, schau mal die Partie Argentinien vs. Kroatien im Livestream und höre genau hin, was Béla Réthy zu sagen hat. Bleib locker, bleib sachlich, notiere den gesamten Verlauf der 90 Minuten. Und dann schauen wir mal.
Argentinien vs. Kroatien: Irres Spiel und Béla Réthy - was für ein Kontrastprogramm!
Gesagt, getan. Mit dem besagten Piwo hockte ich auf dem Bett, neben mir griffbereit der Notizblock. Vor Anpfiff spulte Béla Rethy mal wieder die Fakten ab. Routiniert und sachlich. Vielleicht ein wenig zu trocken, aber in jenem Moment dachte ich, nun denn, sooooo schlimm sei es ja nun auch nicht. So, und damit das alles besser nachvollziehbar ist, wechsle ich nun kurzerhand in den Präsenz.
Die Hymne der Republik Argentinien erklingt, und die Stimme von Béla Réthy hebt sich ein erstes Mal. „… der gewaltige Chor …“ Er ist sichtlich begeistert, und das zurecht in Anbetracht der argentinischen Übermacht auf den Rängen. Find ich auch dufte, wenngleich ich den Kroaten die Daumen drücke. Die Partie läuft, und Béla Réthy hat viel zu sagen. Er hat viel vorbereitet, auf zig Blättern die Fakten notiert. Wer spielte / spielt bei welchem Verein, wie heißen all die Spieler auf dem Platz. Nun denn, meines Erachtens ein wenig zu dröge, aber das ist halt die ganz alte Schule. Mit dieser Art von Kommentatoren bin ich als Kind und Jugendlicher aufgewachsen. Ich bin nicht begeistert, aber auch nicht genervt. Noch nicht.
Auf dem Rasen zeigen die Kroaten, dass sie keinerlei Angst haben und unbedingt Punkte einfahren wollen. „Das ist kein Pressing, das sind regelrechte Überfälle…“, erklärt Béla Réthy in der 20. Minute. „Es herrscht Überdruck bei den Südamerikanern… Messi spielt noch keine Rolle.“ Und als der argentinische Trainer Sampaoli eingeblendet wird, bekommt der Fernsehzuschauer zu hören: „Das wird ihn noch aufgeregter machen…“, „Man hat das Gefühl, er experimentiert immer noch…“
Nach und nach wird es ruhiger. Das Fakten-Pulver zu Beginn der Partie ist größtenteils verschossen. Die Pausen werden länger, zwischendurch ein kurzer Kommentar. „Die Gesänge, die Sie hören, kommen von der argentinischen Seite.“ Stille am Mikrofon. In der Folge kommentiert Béla Réthy quasi genau das, was ich als Zuschauer vor dem Bildschirm eh sehe. „… geht dazwischen …“ Ach nee. Das erkannte sogar unser zweijähriger Sohn. Und nach einem Foul bekomme ich plötzlich zu hören: „Kann man so und so entscheiden.“ Ja, möglich. Doch was meint der Experte am Mikrofon dazu? Stattdessen vernehme ich nun: „Maradona ist aufgebracht…“ Das sehe ich selbst. Er wird ja oft genug eingeblendet. Davon ganz abgesehen, dass es nervt, sieht ein Blinder mit dem Krückstock, dass er alles andere als zufrieden ist. Wie auch? Die Mannschaft in Himmelblau-Weiß kann nicht überzeugen.
War ich anfangs noch milde gestimmt, muss ich nun nach einer halben Stunde bereits sagen, die Kommentare werden immer dünner. „… von Inter Mailand …“, „… schon wieder liegt jemand …“, „… gelbe Karte … für diesen Tritt …“, „… kleine Rachefeldzüge …“ Stille. Ruhe. „… zu Perez …“ Stille. Und dann der Knaller: „Das Interessante am Spiel ist, dass auch Argentinien hätte führen können.“ Wahnsinn! Beim Fußball ist es bekanntlich so, dass man auch mit mieser Leistung einen lucky punch vollbringen kann. So hatte sogar einst am 14. August 1994 der TSV Vestenbergsreuth im DFB-Pokal den FC Bayern München mit 1:0 geschlagen. Unvergessen die Werbung für dieses Live-Spiel des ZDF. „Stellen Sie sich vor, der TSV Vestenbergsgreuth schlägt den FC Bayern München – und Sie haben es nicht gesehen.“ Das war schon ein Brüller. Wer hatte damals eigentlich kommentiert? Béla?
Gut, zurück zur Partie Argentinien vs. Kroatien. „Pass kommt nicht genau…“ Langsam werde ich muffig. Ich überlege, ob ich meinen Plan, eine Auswertung zu schreiben, verwerfe und in der zweiten Halbzeit den Ton ausmache. Zumal im Hintergrund die beiden Söhnchen den Turbo einlegen möchten. „Seid mal ruhig, Papa muss hier genau zuhören!“ Der Achtjährige schaut mich nur erstaunt an. Soooo schaue ich doch sonst auch nie Fußball vor der Glotze. Mach mal, Papa, denkt er sich wohl und wühlt in der Lego-Kiste.
Ich bin langsam angepisst. Ein Kommentator muss mir nicht erklären, dass der Ball von Spieler A zu Spieler B gepasst wird. Immer wieder. Dazu das statistische Basiswissen, das heutzutage wirklich jeder online schnell abrufen kann. Ich muss doch nicht ständig hören, dass der bei Verein X und der bei Verein Y spielt. Wer will das 90 Minuten lang hören? „Es gibt viel Nachspielzeit, garantiert…“ Stille. Und dann kommt Béla Réthy kurz vor dem Pausentee noch mal in Wallung: „Er (der Schiedsrichter) übertreibt es mit der Großzügigkeit. Das ist Freistoß! Das ist Gelb!“
Pause. Ich hole noch ein weiteres Bier. Und dann heißt es aus dem Studio plötzlich: „Gute Unterhaltung mit Béla Réthy!“ Ist das ironisch gemeint? Unterhaltung? Das Spiel unterhält mich durchaus, aber der Kommentator?! Die ersten Minuten laufen, und plötzlich böllert es draußen auf den Straßen. Ach ja, im Stream wird das Spiel verzögert gezeigt. Böller hier in Berlin-Neukölln? Das kann nur ein Treffer der Kroaten sein. Aber wie zum Teufel soll der so plötzlich fallen? Und dann! Ach herrje, was für Fehler des Keepers Mercado! Rebic lässt sich nicht lange bitten und haut den Ball volley über den Keeper hinweg ins Gehäuse. 1:0 für Kroatien! Und was sagt Béla Réthy dazu? „Er würde sich gern die Haare raufen….“ Ha ha ha, was für ein flacher Witz in Anbetracht der Glatze des argentinischen Trainers.
„Jetzt muss Argentinien richtig kommen!“ Ruhe. „Argentinien zittert.“ Stille. „Island und Nigeria spielen erst morgen. …. Und Maradona? Bleibt besorgt.“ Auf dem Rasen gibt es ein packendes Spiel zu sehen, doch Béla Réthy lässt sich nicht so recht anstecken. Einzelne Namen werden aufgesagt. Fertig. „Sie werden bedauern, dass Rebic nicht mehr da ist.“ Ach nee, er ging ja vier Minuten nach seinem Führungstreffer auch nicht ohne Grund vom Platz. Wieder folgt eine Phase der Ruhe. Dann ein nächster Knaller: „Wenn ich das richtig höre, pfeifen argentinische Fans den eigenen Torwart aus…“ Wohl eher ertönen laute Pfiffe, wenn beide Torhüter nicht schnell genug den Ball abstoßen. Der Kroate hat nun die Ruhe weg, der Argentinier überlegt zu lange, wie man wohl das Spiel nach vorn einläuten könnte.
„Olic, den kennen Sie ja noch…“,“… ein frustrierter Lionel Messi …“ Es bleibt bei den Phrasen und trockenen Daten. Eine mögliche Änderung der Taktik? Eine gute fachliche Analyse? Klare Fehlanzeige! Was könnte denn die argentinische Mannschaft ändern? In Anbetracht des guten Auftritts der Kroaten hätte ich vor dem Bildschirm kein passendes Rezept parat. Jedoch dachte ich, dass der Fachmann ein paar Vorschläge hätte. Ach lassen wir das! Es nervt nur noch! „… und wieder verpufft ein Angriff …“, „Ellenbogen in die Magengrube, tendenziell…“, „… es kommt eine noch unfreundlichere Phase ins Spiel … im Kampfmodus …“
„Rakitic begehrt Einlass…“ Draußen böllert es wieder. 2:0 für Kroatien. Ich muss noch eine Minute warten, dann sehe auch ich den trockenen platzierten Schuss von Modric. Alter Schalter! Nicht übel! Nicht so recht begeistert zeigt sich Béla Réthy. Klar, als Kommentator sollte man sich eher neutral zeigen, doch in Anbetracht der beeindruckenden Leistung der Kroaten - hey, es geht gerade gegen Argentinien zur Sache!!! - könnte man schon ein Stückweit euphorischer kommentieren.
„… älteste Mannschaft des Turniers … es schreit nach Umbau!“ Mensch ja, denke ich. Ist ja richtig. Doch jetzt mal scheiß auf Argentinien, Messi und Maradona! Kroatien steht kurz davor sich nach 1998 zum zweiten Mal bei einer WM für das Achtelfinale zu qualifizieren. Für ein Land, das nur rund vier Millionen Einwohner hat, ja nicht eben mal die Selbstverständlichkeit. Mensch, Béla, denke ich. Bist du nachtragend? Das 0:3 der Deutschen bei der WM 1998?
In der 85. Minute kommt Hektik auf. Der am Boden liegende Rakitic wird getreten. „… jetzt wird gerudelt …“ Und dann! Rakitic haut den folgenden Freistoß an die Latte. Spätestens jetzt könnte man mal ins Mikro brüllen und sagen: „Die Kroaten, was für ein krasser Scheiß! Hauen die doch glatt den Vizeweltmeister weg!“ Stattdessen nur ein trockenes „Latte!“. Und dann die Analyse der Partie: „Die 11. gelbe Karte unterstreicht die Bedeutung dieses Spiels!“ Nun fühle ich mich echt veräppelt. Das ist alles, was zu sagen ist? In der Nachspielzeit macht Rakitic noch eben das 3:0 für Kroatien. „Möglicherweise war es abseits…“ Das juckt doch niemanden mehr! Und es war nicht mal abseits! Die Kroaten hauen mal eben Argentinien weg - und Béla Réthy lässt emotionslos das Spiel austrudeln. „Das Spiel ist aus …“, waren seine (fast) letzten Worte.
Anfangs war ich milde gestimmt, nach 90 Minuten bin ich wieder pappsatt. Gratulation an Kroatien! Doch das nächste relevante Spiel von denen schaue ich lieber in irgendeiner Balkan-Stube!
Fotos: Marco Bertram (EM 2012), K. Hoeft
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Benutzer-Kommentare
Und dass Béla heute schon wieder ran darf - ohne Worte!
Sport frei!
Marco
und rethy ist ne nulpe, der auch noch gegen mannscahften ist, die dem mainstream sagen wir mal "ungelegen" sind...siehe heute Serbien...