Ein bisschen Träumen ist doch wohl erlaubt, oder nicht? Oder nennen wir es nicht „Träumen“, sondern „Ausspinnen“. Egal, spielt auch keine Mandoline. Zwischen Karsten (wohnt in Essen) und mir - wir kennen uns ja bereits seit September 1991 - gibt es es seit jeher einen Running Gag. Eines Tages, ja eines Tages, müssen Rot-Weiss Essen und der BFC Dynamo mal aufeinander treffen! Alter Schalter, was würde da abgehen! Der Begriff „Old School“ würde eine neue Dimension bekommen. Wer da alles aus den „Löchern“ gekrochen kommen würde! Utopisch! Was für ein Duell! Beide Vereine, die einst sportlich weitaus bessere Zeiten erleben durften, stecken derzeit in der Regionalliga fest. Und wie das so ist, wird es am Ende der soeben begonnen Saison einen Showdown zwischen dem Nordost-Meister und dem West-Meister geben. Es könnte zum Aufeinandertreffen zwischen Fortuna Köln und Energie Cottbus oder Alemannia Aachen und dem Berliner AK 07 kommen, aber theoretisch auch zum Knaller Rot-Weiss Essen vs. BFC Dynamo.
BFC Dynamo vs. SV Babelsberg 03: Träumen muss erlaubt sein - Rot-Weiss Essen wartet!
Die Weinroten zu Gast in der Hafenstraße. RWE zu Gast im Jahn-Sportpark. Es wäre eine passende Angelegenheit, bevor das Stadion abgetragen und komplett neu gebaut wird. Abrissparty im einstigen Cantianstadion. Und ja, es würde in Essen und Berlin wohl jeweils den größten Polizeiaufmarsch der Regionalliga-Geschichte geben. Wobei ich mir auch vorstellen könnte, dass - wenn es nicht sportlich um Alles gehen würde - viele Alte aus beiden Lagern vor und nach dem Spiel gemeinsam ein Bier zischen würden. Zumindest von einer Seite aus ist das Erreichen der Aufstiegsrunde am Ende der RL-Spielzeit 2019/20 nicht nur Fiktion. Rot-Weiss Essen ist ambitioniert, hat richtig Bock, hat gut eingekauft und zählt zu den Staffelfavoriten. Vor rund 15.000 Zuschauern konnte in der Nachspielzeit gegen Borussia Dortmund II per Elfmeter der 2:1-Siegtreffer erzielt werden. Gänsehaut und Pipi in den Augen. Die Atmosphäre im Stadion an der Hafenstraße ist einfach ein Knaller. Nach dem Last-Minute-Sieg schwärmte Karsten von der Stimmung auf den Rängen, und ich sagte ihm, dass ich mich auf die Aufstiegsrunde freue. Gegen Energie Cottbus oder den FC Rot-Weiß Erfurt! Oder den BFC Dynamo! Danach würde wohl einer von uns die Freundschaft kündigen, erklärte Karsten lachend.
Fakt ist, der BFC zählt nicht zu den Staffelfavoriten. Der Etat musste gekürzt werden, viele Spieler mussten den Verein verlassen. Geholt wurden zahlreiche neue junge Spieler. Es soll etwas aufgebaut werden. Als möglicher Staffelmeister gehandelt werden der Berliner AK 07, Wacker Nordhausen und sicherlich auch Energie Cottbus, wenngleich dort tief gestapelt wird. Das Ganze ist in der Tat ein Überraschungspaket. Vielleicht spielt auch der FC Viktoria 1889 Berlin oben mit. Oder vielleicht werden auch die Erfurter einen Lauf haben. Vielleicht wird es auch - im Gegensatz zur vergangenen Spielzeit - eine extrem ausgeglichene Saison, in der bis zuletzt vier, fünf Mannschaften ganz oben mitspielen. Und Überraschungsmeister gab es in der Fußballgeschichte bereits en masse. Wenn der 1. FC Kaiserslautern einst als Aufsteiger Deutscher Meister werden konnte (Otto sei Dank), dann kann wohl auch ein BFC Dynamo mal überraschend die Staffel gewinnen. Wenn die Chemie stimmt, wenn knappe Spiele mal glücklich entscheiden werden können, wenn der Funke richtig überspringt.
Und klar, wie wichtig ist ein guter Saisonstart für die Motivation! Verlierst du als Erfurter gleich zum Auftakt auswärts mit 0:2 bei Viktoria, bist du gleich bedient. Ist doch so. Die drei Punkte kannst du jederzeit wieder irgendwo woanders locker einfahren, doch bleibst du gleich in den Startlöchern hängen, ist und bleibt das Mist. Bei Hansa Rostock kann man eine Etage höher mal wieder ein Liedchen davon trällern, doch ist dies eine andere Geschichte. Im Westen hallte der Essener Jubelschrei in der 94. Minute bis nach Gelsenkirchen, im Berliner Jahn-Sportpark wurde es nicht ganz so laut, doch quer über den Mauerpark waren die Torjubel bis tief in den Wedding hinein sicherlich zu vernehmen.
1.613 Zuschauer hatten sich am gestrigen Nachmittag im JSP eingefunden. Bereits vor Anpfiff suchten sich zahlreiche Gästefans aus der Filmstadt eine schattige Ecke im Away-Winkel der Gästekurve aus. Sonne und Wärme machten den Zuschauern gut zu schaffen, und dass es kein richtiges Bier gab, ärgerte sowohl Heim- als auch Gästefans. Am Zaun der Gästekurve wurde ein langes Spruchband angebracht: „Bratwurst 2,50 Euro, alkfreies Bier 3 Euro, Eintritt beim BFC: Unbezahlbar!“ Eine Botschaft gab es auch auf Heimseite auf dem Oberrang der Haupttribüne zu lesen: „FILM STATT INFERNO - DUMM & DÜMMER 03“.
Apropos Haupttribüne. Nur diese und die Gästekurve durften geöffnet werden, die Gegengerade bleibt in dieser Saison geschlossen. Schon allein deshalb müssen die BFC-Spieler richtige am Finger ziehen. Die Anhängerschaft möchte wenigstens noch einmal die Gegengerade des Jahn-Sportparks füllen dürfen, bevor die Abrissbirne kommt. Da wäre die Aufstiegsrunde gegen Rot-Weiss Essen ein perfekter Anlass. Um zurück zur Gegenwart zu kommen, die Schließung der Gegengerade hat auch einen Vorteil. Denn somit stehen / sitzen sämtliche Heimzuschauer kompakt beisammen im unteren Bereich der Haupttribüne. Läuft das Spiel so prima wie gestern, kommt sogar punktuell Stimmung auf.
Gestern zu Beginn besser ins Spiel kam der SV Babelsberg 03. Bereits nach einigen Minuten kam Yasin-Cemal Kaya zu einer guten Möglichkeit, doch der Ball wurde neben das Berliner Gehäuse gesetzt. Etwas später köpfte Tom Nattermann über die Querlatte. Nach zirka 20 Minuten änderte sich jedoch das Bild, der Gastgeber nahm das Heft in die Hand. Nachdem nach einer Ecke der Ball noch knapp neben dem Tor landete, klappte es in der 25. Minute weitaus besser. Der Ball wurde in Form eines Freistoßes aus der Tiefe auf die linke Außenbahn gepasst, von dort aus wurde die Kugel gefühlvoll in den Strafraum geflankt, Mateusz Lewandowski stand bereit und köpfte perfekt platziert ein. 1:0 für den BFC, mit einem Mal wurde es laut auf den Rängen. Als Traube rannten die Spieler jubelnd zum Trainergespann.
Nur fünf Minuten später durfte ein weiteres Mal gejubelt werden. Nachdem Schulz von hinten gehalten wurde, zeigte der Schiedsrichter auf den Punkt. Ronny Garbuschewski trat an und verwandelte sicher. Unten links schlug der Ball ein, der Nulldrei-Keeper hatte auch die andere Seite gesetzt. In der Folgezeit ließ der BFC nichts mehr anbrennen und bestimmte klar das Spiel. Ein paar Mal hatten die Berliner in der zweiten Halbzeit das 3:0 auf dem Fuß, in der 89. Minute sollte es dann wirklich fallen. Super herausgespielt und dann von schräg rechts vollendet. Ronny Garbuschewski machte seine zweite Bude des Tages und die Fans waren hochzufrieden.
Tabellenführung - so der Stand der Dinge. In der Nachspielzeit köpfte Koch aus der Kalten dann noch den 1:3-Anschlusstreffer für den SV Babelsberg 03, und nun stand doch wieder der Berliner AK 07 mit drei Punkten und 4:2 Toren ganz oben, doch wen juckte das großartig am gestrigen Nachmittag? Die BFC-Fans feierten ausgiebig die Mannschaft, nicht jeder wird solch einen klasse Start in die neue RL-Saison erwartet haben. Nur noch 33-mal genauso ordentlich spielen - und dann können die Essener kommen!
Fotos: Marco Bertram, K. Hoeft
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Warum wird der auf diesem Portal ständig glorifiziert ?