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Zoo-News des Wuppertaler SV von 1991: Längst vergessenes aus der Kiste gekramt

WSVVier Jahre lang griffbereit in den Buden in Leverkusen, 18 Jahre lang verpackt in einer Kiste in einem Schuppen am Rande von Berlin. Der Zufall wollte es, dass nun ein Blick in diese geheimnisvolle Holzkiste geworfen wurde. Echte Schätze kamen zum Vorschein, inzwischen wertvoll gewordenen Zeitdokumente aus der Zeit von 1990 bis 1994. Unter anderen eine von Mäusen angefressene Hertha-Fahne aus echtem Stoff, ein paar muffig riechende Ausgaben von „match live“ und „Fantreff“ – sozusagen die Vor-Vor-Vorgänger von „Blickfang Ultrà“ & Co. – sowie ein kleines orangefarbenes Heftchen. Sage und schreibe mein erste Fanzine-Heftchen, das ich je in meinem Leben gekauft hatte.

Zoo-News„Zoo-News“. Nummer 2, erster Jahrgang, Dezember 1991. 2 Deutsche Mark. Das ist echt ein Knaller! Also einiges war noch im Geiste präsent, doch dieses Heft aus der Anfangszeit meines vom Adrenalin getränkten Fußball-Lebens hatte ich völlig vergessen. Beim Öffnen der Kiste ging es mir so wie dem charismatischen Dominique Bretodeau im Film „Die fabelhafte Welt der Amelie“, der mit feuchten Augen ein Kästchen mit Utensilien aus der eigenen Kindheit öffnet. Erinnerungen werden wieder wach. Keine Frage, als Schreiberling und Fotojournalist hat man tausende Momente im Geiste abgespeichert, doch solch ein Heft weckt auch die in den hintersten Hirnwindungen versteckten Erinnerungen auf.

Allein die Vorderseite der „Zoo-News“. Der Buchstaben des Titels aus Bananen zusammengesetzt. Ein auf einem Teddy liegender Garfield, der denkt: „WSV Fans sind die Chefs, kapiert!?“ Die durchgestrichenen Vereinsembleme von Rot-Weiss Essen und des 1. FC Köln. Oben dafür fetter gedruckt die Logos des TSV Bayer 04 Leverkusen (damals dieses mit den beiden Kästchen) und des Wuppertaler Sportvereins. Ach ja, unten in der linken Ecke: „Vorsicht Satire!“ sowie das Emblem des VFR 06 Neuss. Warum auch immer. Ach doch, im Impressum gibt es schließlich den Hinweis. Der Herausgeber stammte aus Leverkusen.

WSVDie Auflage lag bei 140 Exemplaren und gedacht war diese Fanzine von WSV-Fans für WSV-Fans/Hools. Zitat: „Zoo-News dient nicht der Gewaltverherrlichung und soll auch nicht zur Gewalt aufrufen. Es wird nur wahrheitsgemäß von Fußballspielen und Dingen, die mit Fußball zu tun haben, berichtet. Zoo-News ist kein Hetzblatt gegen Fans/Hools oder wen auch immer, auch wenn dies manchmal den Anschein hat.“ Manch ein jüngerer Fußballfreund wird schmunzeln, doch Anfang der 90er Jahre – in einer (Fußball-)Welt ohne Internet – waren derartige Hefte goldwert, um an Infos abseits des heimischen Stadions zu kommen. Wie viele Auswärtsfans waren vor Ort? Was hatte die Polizei wieder einmal angestellt? Was gab es sonst so zu berichten. Alkohol-Touren inklusive.

FCKDer erste Bericht dieser Ausgabe vom Dezember 1991 hatte das Spiel Wuppertaler SV gegen Preußen Krefeld als Thema. Nach einem 0:2-Rückstand durfte am Ende von den WSV-Fans noch das 2:2 gefeiert werden. Was dem Autor unter anderen auffiel, waren in der Kurve verstärkt auftretende Hools und Rechte, die mitunter mit Sieg-Heil-Rufen auf sich aufmerksam machten. Da der Herausgeber nicht nur WSV-Fan, sondern auch Anhänger von Bayer 04 Leverkusen war, wurden auch zahlreiche Partien mit Werkself-Beteiligung thematisiert. So auch die 1:2-Niederlage „nach Verlängerung“. Rund 250 Bayer-Fans waren wohl vor Ort gewesen, sangen das übliche „Wir holen den DFB-Pokal und wir werden Deutscher Meister...“ und mussten am Ende arg leiden. Mit dem Spielstand von 1:1 ging es in die Nachspielzeit. Zitat: „Nach dem Motto the same procedure as every year flog dann noch nen Lev vom Platz und in der 97.(!) Minute machte Lautern das 2:1. Thilo meinte noch, als ich sagte „Pfeif ab du Wixer!“ „Wir sind hier in Kaiserslautern“, womit er leider recht hatte, denn da fiel dat 2:1. Danach gings wieder per Train nach Landstuhl.“

WestfalenstadionAuf den folgenden Seiten folgen locker, flockig Berichte über die Begegnungen Borussia Dortmund gegen VfB Stuttgart, VfR Neuss gegen Rot-Weiß Oberhausen, Borussia Mönchengladbach gegen 1. FC Nürnberg und Fortuna Düsseldorf gegen FC Schalke 04. Mitunter geschmückt mit einer kleinen Zeichnung mit Tick, Trick und Track „Hooligans, uns kennt jeder“ oder eine eigenen Kreation „BOP. Hooligans immer vorn dabei!“ Dabei sollte jedoch erwähnt werden, dass zu Beginn der 90er Jahre der Begriff „Hooligans“ einfach dazu gehörte wie heute die Bezeichnung „Ultras“. Nicht wenige, die nicht zu den Kuttenträgern gehören wollten, bezeichneten sich schon mal fix als „Hooligan“. Und ja, man staune. Beim Duell VfR Neuss gegen RW Oberhausen kamen 2.000 Zuschauer, unter ihnen rund 200 Gästefans sowie „20-30 Neusser Fans und Hools inne Kurve, die auch nach dem 2:0 für Neuss 2 Leuchtkugeln in Richtung der RWO-Fans abfeuerten.“

HaberlandstadionAuf Seite elf werden in der „Ramsch-Bude“ andere Hefte vorgestellt. „Goalie News“ aus Nürnberg, „Der Grabfelder“ aus Schweinfurt, der „Mohltied“ des SC Preußen Münster, der „Playball“ aus Zweibrücken / Kaiserslautern und „Der Alsdorfer“. Weiter auf Seite 12 mit den Spielberichten. Auswärtsfahrt mit dem WSV zum TuS 08 Langerwehe, wo damals neun mit Strickschals ausgerüstete Langerwehe-Fans gesichtet wurden. Und tatsächlich: Auf Seite 14 eine Partie, bei der ich im Herbst 1991 auch vor Ort war. Das DFB-Pokalspiel Bayer 04 Leverkusen gegen VfB Stuttgart, das erst in der Verlängerung entschieden wurde. Diego Buchwald bugsierte den Ball in das eigene Gehäuse. (Am Ende der Saison erzielte er dann den legendären Treffer zur Meisterschaft). Leverkusen stand nach dem 1:0-Sieg gegen die Schwaben im Pokalhalbfinale.

Beim Spiel Wuppertaler SV gegen Viktoria Köln versuchte der Herausgeber der „Zoo-News“ in der Heimkurve die letzten Hefte der ersten Ausgabe an den Mann zu bringen. Dies gestaltete sich nicht einfach, vielmehr gab es mitunter überaus rüde Sprüche: „Hau bloß ab mit dem Dreck. Wat willst du Wixer von mir? Steck dir dat Ding in den Arsch!“ Immerhin wurde er nach eigenen Angaben noch elf (ja, wirklich 11) Hefte los. Erfreulich auch das Spielergebnis. Die damalige Nummer 3 aus der Domstadt wurde mit 2:1 geschlagen. Laut ertönte es aus der Heimkurve: „RWE, wir kommen!“, „Schalke und der WSV!“, „Wir kommen wieder in die zweite Liga!“ Stichwort Essen. Das mit Spannung erwartete Spitzenspiel beim verhassten Erzrivalen RWE fiel damals witterungsbedingt aus.

FC SachsenEin Abstecher führte zum brisanten Spiel FC Sachsen Leipzig gegen FSV Zwickau, allerdings wurde dieser recht ausführliche Bericht von einem Zwickau-Fans namens René verfasst. Ein gestürmter Gästeblock-Eingang, mehrere Boxereien mit den (Zitat:) „Leipziger Halbaffen“ und ein knackiger Gesang auf Heimseite „Nur ein Leutzscher ist ein Deutscher“, „Aue und Chemie: Sympathie!“ Nach dem Ausflug in die Region Nordost wieder Fußball in NRW. Wuppertaler SV gegen 1. FC Bocholt. Genau wie gegen Krefeld und Köln kamen rund 4.000 Zuschauer ins Stadion am Zoo. Gästefans wurden keine gesichtet. Die Highlights dieser Begegnung: „Geile Bocholter Trikots wie die von Ajax Amsterdam“, sowie die Tore zum 1:0 und 2:0 in de 89. und 90. Minute. Kein Wunder, dass „alle am Zaun lagen“.

Oha, und dann das nachgeholte Spitzenduell zwischen RW Essen und dem WSV. In den „Zoo-News“ war verständlicherweise dieses Spiel zwei Seiten wert, wenn gleich die Sache mit 0:1 verloren ging. Rund 6.000 Jungs „aus dem Tal“ waren vor Ort in Essen. Insgesamt lautete die offizielle Zuschauerzahl: 14.081. Bereits vor dem Anpfiff wurde mächtig mobil gemacht, als am Zaun ein brennender RWE-Schal hing. Sowohl die Essener, als auch die Polizei waren sofort zur Stelle. Auf dem Rasen gewann der RWE wohl etwas glücklich mit 1:0, doch noch herrschte in Wuppertal Hoffnung, denn es war zu hören, dass Essen keine Zweitligalizenz bekommen und somit der WSV in die Aufstiegsrunde nachrücken würde.

„Gleich gibt´s was auf die Mütze. Braunschweig Holligans“. Ein grimmiger Garfield mit Baseballschläger in der Hand. Dieses Comic schmückte den Bericht über das Duell FC Remscheid gegen Eintracht Braunschweig, das die (Zitat:) „Affen aus dem Wuppertaler Vorort“ vor rund 1.200 Zuschauern mit 2:1 für sich entscheiden konnte. Fehlen durfte nicht die Angabe zur Anzahl der Gästefans. In diesem Fall waren es wohl um die 100, die vor Ort für super Stimmung sorgten.

GrotenburgEine Perle noch auf Seite 26. „Die Elite der Bundesliga“. Das Zweitligaduell Bayer 05 Uerdingen gegen Blau-Weiss 90 Berlin. Für Erheiterung sorgten die Zuschauanzahl von gerade einmal 3.448 sowie die Fangesänge: „Und so zogen wir in die Bundesliga ein und wir werden ewig Deutscher Meister sein...“, „10.000 Uerdinger, schalalala...“, „Wir sind nicht vom Neckar, wir sind nicht vom Main, wir sind die Blau-Roten vom Niederrhein!“ Aus Berlin angereist waren exakt 12 BW 90-Fans, die auf der Tribüne auf die oberste Reihe zogen. Zu vernehmen war von ihnen ein „Eisern Berlin!“, das man aus heutiger Sicht kaum für möglich halten würde, wohl aber stimmen mag. Zur Erinnerung: Auch bei Hertha BSC war Anfang und Mitte der 90er Jahre immer wieder ein lautstarkes „Eisern Berlin!“ zu hören. Erst später wurde das „Eisern“ nur noch von der Anhängerschaft des 1. FC Union Berlin benutzt.

„Bestimmt keine Kaffeefahrt.“ Unterhaltsam ging es in den „Zoo-News“ weiter mit der Partie SC Fortuna Köln gegen FC Remscheid, die aus heutiger Sicht echten Kultcharakter hat. Immerhin 2.500 Zuschauer wollten damals dieses Zweitligaspiel sehen, unter ihnen rund 100 Remscheider mit 12 Fahnen. Diese feierten beim 2:0-Auswärtserfolg mächtig ab, zelebrierten eine Polonaise und schmetterten „Löring, Löring, ha ha ha!“

C-BlockZum Abschluss des Heftes noch eine Betrachtung der Fanszene des Wuppertaler SV inklusive eines Rückblicks in die 70er Jahre. Folgend ein paar Grüße an die Kumpels und Kollegen (unter anderen Spreebär-Carsten beim HSV und „Furz Markus“ bei Wacker 04 Berlin) sowie der „Teddys Oberliga-Test“. Analysiert wurden die jeweiligen Fanszenen. Angefangen bei RW Essen und Alemannia Aachen, über SF Hamborn 07 und FV Honnef bis hin zum SC Brück und VfB Homberg. Und ach ja, auf der allerletzten Seite schließt sich der Kreis auch für mich. Deutschland gegen Luxemburg im Ulrich-Haberland-Stadion in Leverkusen. Mein erstes Länderspiel überhaupt. Probleme hatten wohl etliche (bis zu 700) Hooligans von verschiedenen Vereinen gemacht, die allesamt in den C-Block (Heimbereich von Bayer 04) wollten. Vor Ort waren nach Angaben des „Zoo-News-Teddys“ auch 500 Fans aus Luxemburg, die fünf Fahnen aufgehängt hatten. Also ganz ehrlich, solche Details sind selbst mir inzwischen völlig entfallen... ;-)

Fotos: turus.net-Bildarchiv

> zur turus-Fotostrecke: Wuppertaler SV

> zur turus-Fotostrecke: Fußball in den 90er Jahren

> zum turus-Bericht: Bevor die Arenen und Ultras kamen

 

Artikel wurde veröffentlicht am
03 August 2013

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