Nach dem Pokalkracher gegen Schalke 04 zurück im - hm ja, wie will man sagen: öden, tristen, grauen? - Ligaalltag. Die Regionalliga Nordost hat ihre Highlights - wer freut sich nicht auf die Spiele gegen die BSG Chemie Leipzig, den 1. FC Lok Leipzig und den FC Energie Cottbus? -, aber eben auch ihre Momente, in denen sie nicht soooo prickelnd daher kommt und sich rein zuschauertechnisch betrachtet kaum von der NOFV-Oberliga unterscheidet. Der Emporkömmling VSG Altglienicke, bis dato nur unterhalb der Regionalliga unterwegs, ist in fantechnischer Hinsicht sicherlich nicht DER Knallergegner, doch rein sportlich betrachtet hatte das gestrige Duell durchaus einiges zu bieten! Es war kein Verein zu Gast, deren Namen auf der Mannschaftsaufstellung man nicht / kaum kennt. In der Startaufstellung fielen wohl jedem sogleich drei Namen ins Auge. Mannschaftskapitän Torsten Mattuschka, der viele Jahre beim Erzrivalen 1. FC Union Berlin gespielt hatte und die Jungs aus Hohenschönhausen so richtig „liebt“, und zudem Björn Brunnemann und Christian Preiß, die einst selber das weinrote Trikot trugen und bei der Anhängerschaft des BFC Dynamo sehr beliebt waren. Bekannt sein dürfte einigen auch der VSG-Keeper Marcus Rickert, der zuvor beim FC Viktoria 1889 Berlin und beim VfL Osnabrück unter Vertrag stand. Aufgrund der Körpersprache gehört er ganz klar zu den Torhütern, die einem Spiel mit den Stempel aufdrücken. Hach ja, so ein Keeper, an dem sich gegnerische Fans so richtig hübsch reiben können.
Tusche, Brunne und Preiß vermasseln dem BFC den guten Saisonstart
Vor der gestrigen Partie im Jahn-Sportpark ging es sehr beschaulich zu, und so blieb reichlich Zeit, noch einen ausführlichen Blick in das Stadionheft zu werfen. Die Rubriken „Cromes unnützes Wissen“ und „Historie“ gehören ganz klar zu den persönlichen Favoriten. Es ist immer wieder faszinierend, was bei „Heute vor x Jahren …“ so alles auftaucht. Vor 14 Jahren spielte der BFC Dynamo in der Verbandsliga gegen den BFC Preussen - und verlor vor 513 Zuschauern mit 0:1. Wenn man sich das mit der Verbandsliga noch einmal vor Augen führt, dann ist das mit der Regionalliga nun wahrlich nicht so trist und grau. Es hätte schließlich alles ganz anders kommen. Vor 34 Jahren gewann der BFC Dynamo indes mit 4:0 beim F.C. Hansa Rostock, vor 50 Jahren musste der BFC bei der zweiten Mannschaft von Hansa Rostock ran. Das damalige Zweitligaspiel wollten immerhin 3.000 Zuschauer sehen. Der BFC gewann mit 2:1, am Ende der Saison gelang ihm der direkte Wiederaufstieg. Ein Jahr zuvor, also zu Beginn der Oberliga-Saison 1966/67, musste sich der BFC mit 0:2 bei der BSG Motor Zwickau geschlagen geben. Als SC Dynamo Berlin wurde vor 56 Jahren das FDGB-Pokalspiel bei der BSG Aktivist Laubusch mit 6:2 gewonnen, und dreht man die Zeit weiter zurück, so stößt man im Jahr 1950 auf das Pokalspiel BSG Märkische Volksstimme Babelsberg vs. SG Deutsche Volkspolizei Berlin (später dann SG Dynamo Hohenschönhausen). Vor 8.000 Zuschauern (!) haute Babelsberg die Berliner mit 9:0 weg. Man könnte vermuten, dass dies der Vorgängerverein von BSG Motor Babelsberg / SV Babelsberg 03 ist, doch vielmehr entstand aus ihm Fortuna Babelsberg, das heute noch den Ball in der Landesklasse rollen lässt.
Doch zurück in die Gegenwart. Zurück zum Gegner VSG Altglienicke, der einen famosen Durchmarsch geleistet hatte. Alter Schwede! 2003/04 wurde noch in der Berliner Kreisliga B gekickt. 2010 gelang schließlich der Aufstieg in die Berlin-Liga (Verbandsliga). Bereits von 2012 bis 2014 wurde in der NOFV-Oberliga Nord gespielt. Freiwillig ging es eine Etage runter, um dann schließlich voll durchzustarten und direkt in die Regionalliga Nordost durchzumarschieren. Leider kann derzeit die Volkssport-Gemeinschaft nicht ihre Heimspiele in ihrem Einzugsgebiet austragen. Aufgrund der Richtlinien und Sicherheitsbestimmungen musste wohl oder übel in den Jahn-Sportpark umgezogen werden. Gegen Chemie Leipzig und Energie Cottbus ganz klar nachvollziehbar, aber gegen Wacker Nordhausen und VfB Auerbach?!
Sei es drum, so hatte gestern Altglienicke beim BFC Dynamo quasi ebenso ein „Heimspiel“. Rund 100 Fans hatten sich im Gästebereich eingefunden, insgesamt wollten 1.415 Fußballfreunde die Partie sehen. Nach fünf Minuten kam der BFC zur ersten Möglichkeit, eine Minute später schoss auf der Gegenseite Kevin Stephan links am Gehäuse vorbei. Hitzig wurde es nach 20 Minuten. Zuerst kam Altglienicke gefährlich über die rechte Seite, vier Minuten später kam BFC-Angreifer Matthias Steinborn zum Torschuss. Der herausgeeilte VSG-Schlussmann Rickert musste klären. Nur wie? Da er sich bereits außerhalb des Strafraumes befand, blieb nur die Schulter. Diese versuchte er auch zu nutzen, doch es schien, als sei der Arm im Spiel gewesen. So sahen es die weinroten Fans, so sahen es die BFC-Spieler, so scheint es auch auf einem vorliegenden Foto. Der Linienrichter winkte jedoch ab und wurde im Anschluss zur Rede gestellt. Auch der Schiedsrichter fragte noch einmal nach, doch es half nichts. Kein Handspiel laut Schiedsrichtergespann, keine rote Karte für Marcus Rickert.
Der Gastgeber drückte nun wütend. Nur zwei Minuten nach der strittigen Szene wurde ein Freistoß prima auf das VSG-Gehäuse gebracht. Rickert wehrte ab, der Nachschuss von Al-Azzawe ging über das Tor. Besser klappte es in der 37. Minute! Sehenswert drückte Al-Azzawe den Ball mit dem Kopf ins gegnerische Tor. 1:0 für den BFC Dynamo, der Knoten schien geplatzt. Doch dann das! Nach äußerst unglücklichem Rückspiel von Marcel Rausch kam VSG-Kapitän Torsten Mattuschka an den Ball und brachte diesen per Bogenlampe unter. Ausgleich in der 43. Minute. Da schmeckte manch einem BFC-Fan das Bier nicht mehr. Logisch, dass nun auch das „Scheiß Union!“ ertönte, allerdings blieb der totale Wutausbruch auf der Gegengerade aus.
Aus Sicht der Weinroten kam es an diesem Nachmittag noch bitterer. Kevin Stephan brachte in der 55. Minute von der rechten Seite den Ball rein und Christian Preiß kam freistehend zum Kopfball. Routiniert vollendet, 2:1 für die VSG Altglienicke! Nun musste wahrlich was passieren. „Auf Dynamo, auf Dynamo, auf!“, ertönte es von den Rängen. Gesagt, getan. In der 59. Minute dann fast das 2:2, doch Marcus Rickert konnte mit dem Fuß abwehren. In der 67. Minute war der BFC noch dichter am Ausgleich dran, doch nach einem guten Kopfball von Al-Azzawe war schlichtweg das Aluminium im Wege.
In der 80. Minute hatten auf der Gegengerade bereits etliche BFCer den Torjubel auf den Lippen, doch der Ball landete nach einem Freistoß nur im Außennetz. Die Zeit lief nun dem BFC davon. Kurz vor Schluss kam Malembana ins Spiel. Vorn rein! Letzte Anweisungen von René Rydlewicz. Alles oder nichts. In der Nachspielzeit dann fast der Lohn der Arbeit, aber eben nur fast. Rufat Dadashov scheiterte an Marcus Rickert, der aus Sicht vieler zu jenem Zeitpunkt hätte gar nicht mehr im Gehäuse stehen dürfen. So aber brachte die VSG Altglienicke die knappe Führung über die Runden und durfte sich im Anschluss über den ersten Saisonsieg freuen.
Fotos: Marco Bertram